Oberhausen. Überraschung bei der Jahresbilanz der IHK zu Essen: Wurde Oberhausen seit vielen Jahren von Unternehmen, Politik und Bürgern unterschätzt?
Schafft es Oberhausen, vom vielgeschmähten Schmuddelkind zum Vorzeige-Sohn aufzusteigen? Noch nie zuvor ist jedenfalls Oberhausen von den Wirtschaftsfachleuten der Industrie- und Handelskammer zu Essen, Mülheim und Oberhausen (MEO-Region) so häufig und so intensiv gelobt worden wie auf der diesjährigen traditionellen Jahresbilanz-Pressekonferenz der IHK am Dienstag. Dagegen kamen Mülheim und Essen eher schlecht weg.
„Es ist wahrnehmbar in den letzten Jahren etwas passiert, es herrscht Aufbruchstimmung“, sagt der langjährige IHK-Geschäftsführer Gerald Püchel. Und IHK-Präsidentin Jutta Kruft-Lohrengel, selbst Oberhausenerin mit liebevoll-kritischem Blick auf ihre Heimat, hebt vor allem den angestrebten Masterplan Wirtschaft hervor, mit dem man Maßnahmen entwickeln will, die den wirtschaftlichen Erfolg der Stadt voranbringen.
Doch kein Armenhaus der MEO-Region
Dass Oberhausen in den vergangenen Jahren – quasi unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit – schon eine kleine wirtschaftliche Aufholjagd hinter sich gebracht hat, liest Industrie-IHK-Geschäftsführer Heinz-Jürgen Hacks aus den handfesten Daten ab. „Viele haben Oberhausen als das Armenhaus der MEO-Region mit schwacher Wirtschaftslage und hoher Langzeitarbeitslosigkeit abgespeichert, das Bild hält sich leider hartnäckig. Deshalb ist es für viele überraschend, die die Daten der vergangenen zehn Jahre betrachten, dass Oberhausen recht gut da steht.“
Hoher Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen
So habe Oberhausen einen größeren Zuwachs an sozialversicherungspflichtigen Arbeitsplätzen als Essen und Mülheim zu verzeichnen. Auch beim Zuwachs der Wirtschaftskraft, beim Plus fürs Bruttosozialprodukt, habe Oberhausen stark aufgeholt. Und ebenso bei den im Ruhrgebiet so dringend benötigten Flächen für Gewerbe und Industrie sieht es nach Angaben von Püchel in Oberhausen viel besser aus als in den Nachbarstädten. Außerdem sprudeln für den neuen Masterplan Wirtschaft, der sich allen Branchen in der Stadt widmet, nur so die Ideen. „Es liegen 120 Vorschläge auf dem Tisch, 30 werden sich da herauskristallisieren, damit die Stadt wirtschaftlich in Zukunft mindestens so gut da steht wie heute.“
Kritisches Bild über Essen und Mülheim
Dagegen zeichnet die IHK über Essen und Mülheim ein eher kritisches Bild. In Essen komme weder die Verkehrsinfrastruktur (A 52-Lückenschluss, Ruhralleetunnel, A40-Ausbau Frohnhausen) noch der Industrie-Masterplan oder die Ausweisung neuer Gewerbeflächen voran. Mülheim habe sich darauf versteift, eine grüne Stadt zu bleiben und keine neuen Flächen für ansiedelungswillige Investoren auszuweisen. Diese Nicht-Weiterentwicklung bewertet die IHK als großen Fehler, da Mülheim mit 44 Prozent Freiflächen noch fast doppelt so hohe nicht genutzte Areale aufweise als Oberhausen oder Gelsenkirchen. „Diese Politik hat schon durchgeschlagen – Mülheim verliert preisbereinigt seit vielen Jahren kontinuierlich an Wirtschaftskraft“, kritisiert Hacks. Würde Mülheim in den vergangenen Jahren genauso viel wirtschaftlich wachsen wie im Schnitt ganz NRW, hätte man rund 25 Millionen Euro mehr an Steuereinnahmen im Haushalt.
Neue Straßenverbindungen gewünscht
Über die Hälfte der Unternehmer zufrieden
In der jährlichen Umfrage der IHK Essen bei ihren Mitgliedsunternehmen entpuppt sich die Stimmung der Geschäftsführer, Manager und Inhaber als erstaunlich aufgeräumt – trotz wachsender internationaler Widrigkeiten.
So beurteilen knapp 53 Prozent der befragten Unternehmen ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut. 39 Prozent bewerten ihre Lage als zufriedenstellend. Nur acht Prozent klagen über die derzeitige Situation.
Ein Viertel der Unternehmen will künftig mehr investieren als bisher, 19 Prozent weniger. Jedes fünfte Unternehmen plant, mehr Personal einzustellen. 17 Prozent möchten allerdings ihre Belegschaftszahl verringern.
Neben dem Bau von Straßen müssten alle drei MEO-Städte dringend ihre Nahverkehrsinfrastruktur für Busse und Bahnen ertüchtigen. Die Zahl der Ein- und Auspendler in allen drei IHK-Kommunen ist in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 20 Prozent gestiegen.
Mehr Komfort und engere Taktung im Nahverkehr
„Wir sind keine Betonpisten-Heinis, der Bau von Straßen kann nicht die einzige Lösung für die Verkehrsprobleme sein“, stellt Püchel klar. Der öffentliche Nahverkehr müsse dringend attraktiver gestaltet werden. „Damit meinen wir kein kostenloses Kutschieren, sondern eine engere Taktung, mehr Komfort und eine bessere Verknüpfung mit anderen Verkehrsmitteln wie Rad oder Car-Sharing. Attraktiver Nahverkehr ist für einen Wirtschaftsstandort äußerst wichtig.“ Über den neuen RRX-Zug seien viele Pendler begeistert. „Doch bis zum Vollausbau des Rhein-Ruhr-Expresses dauert es, dauert es, dauert es“, dringt der IHK-Geschäftsführer auf Eile.