Oberhausen. Der Oberhausener Radclub sieht den Platz auf der Straße für Rad- und Autofahrer als falsch verteilt an. Der Stadt fehle der Wille, das zu ändern.
Manchmal gönnen sich Norbert Marißen und Burkhard Schmidt eine Auszeit in Arnheim in den Niederlanden. Wenn sie an die Fahrradwege in Arnheim denken, geraten sie ins Schwärmen. „Da freut sich das Herz: Keine Hauptstraße, die den Radweg abrupt beendet“, sagt Schmidt, der ADFC-Sprecher in Oberhausen. Der ADFC-Kreisverbandsvorsitzende Norbert Marißen ist vom Nachbarland ebenso beglückt: „Mir blieb der Atem weg, als ich gesehen habe, dass Autofahrer dort auf einer Fahrradstraße zu keinen riskanten Überholmanövern ausscherten.“
Die Realität in Oberhausen sieht nämlich ganz anders aus, sagen die beiden Männer vom ADFC: „Hier zerstückeln Hauptstraßen die Radwege. Die Ampelschaltung sei nicht auf das Tempo der Radfahrer abgestimmt. Und die Stadt sehe tatenlos zu, wie Autos mitten auf Wegen parkten. „CDU und SPD fehlt der politische Wille, Rahmenbedingungen für eine fahrradfreundliche Stadt zu schaffen“, kritisiert Marißen. Eine so harsche Kritik hat der ADFC bisher nicht an der Oberhausener Politik geübt.
ADFC in Oberhausen: Die Stadt geht nicht konsequent gegen Falschparker vor
Doch die diesjährige aktuelle Umfrage – der Fahrrad-Klima-Test des bundesweit agierenden Vereins ADFC – untermauert den Eindruck der beiden Rad-Lobbyisten. Seit 2012 schneidet Oberhausen im Fahrrad-Klima-Test nämlich immer schlechter ab: 2012 bewerteten die Oberhausener die Fahrradfreundlichkeit noch mit einer Durchschnittsnote von 3,4 – damit gelangte die Stadt immerhin auf den vierten Platz aller deutschen Großstädte. Der ADFC führt die Umfrage alle zwei Jahre durch.
Nun schaffte Oberhausen es mit einer Durchschnittsnote von 4,0 nur noch auf den zwölften Platz. „Andere Städte ziehen an uns vorbei, weil sie mehr für das Radfahren tun“, sagt Marißen. 471 Menschen aus Oberhausen haben teilgenommen, etwa 60 mehr als noch 2018. Warum bewerten sie die Situation immer negativer?
Muss die Stadt Autofahrern Platz wegnehmen – und ihn den Radfahrern geben?
„Die Menschen verreisen in Länder, wo es breite, aufgeräumte und vom Autoverkehr getrennte Radwege gibt“, sagt Marißen. Klar, dass diese Erfahrung die Ansprüche an die eigene Stadt hochschraube. Der Unmut rühre auch daher, dass im Jahr etwa 1500 Autos in Oberhausen neu zugelassen würden – und zwar immer breitere und längere Autos. Wenn man sie hintereinander stellen würde, ergäbe das eine acht Kilometer lange Strecke.
„Der Verkehr wird dichter, weil gleichzeitig nicht mehr Straßen gebaut werden.“ Er sieht dafür nur eine Lösung: „Die Stadt muss Autofahrern Platz auf der Straße wegnehmen und ihn Radfahrern geben.“ Was in der Praxis konkret bedeutet: Es gäbe noch weniger Parkplätze, Staus nähmen noch mehr zu und der Verkehr wäre noch dichter. Auch so sollen Autofahrer animiert werden, aufs Rad umzusteigen. Denn irgendwann fährt man mit dem Rad genauso schnell (besser: langsam) durch die Stadt wie bei Nutzung eines Autos.
Stadt hat nun schärferes Schwert in der Hand gegen Falschparker
Beim Fahrrad-Klima-Test hagelte es in keiner Kategorie so üble Kritik wie bei der Kontrolle von falsch parkenden Autofahrern durch die Stadt. Falschparker wurden nach Eindruck von Radlern offenbar vom Ordnungsamt bisher zu oft verschont. Doch seit April 2021 hat die Stadt ein wirksameres Werkzeug in der Hand: Falschparker müssen statt 15 nun 55 Euro Buße zahlen. Darauf haben sich Bund und Länder kürzlich geeinigt. Studien besagen, dass 25 Prozent aller Unfälle im Straßenverkehr auf Falschparker zurückzuführen sind. „Dass sie jetzt härter bestraft werden, ist ein Fortschritt“, sagt ADFC-Sprecher Schmidt.
Aber auch auf den Straßen selbst sehen die ADFC-Männer durchaus Fortschritte – allerdings nur kleine. „An der Teutoburger Straße haben wir jetzt einen zwei Meter breiten Radweg. Er ist vom fahrenden und ruhenden Verkehr farblich getrennt. Ein wirklich tolles Projekt. Auch an der Bebelstraße entsteht ein ähnlich guter Radweg.“
ADFC fordert eigenen Etat im Haushalt für Ausbau der Fahrrad-Infrastruktur
Ein Fortschritt sei auch die Bereitschaft der Stadt, im öffentlichen Raum und möglichst nah vor der Haustür der Menschen Fahrrad-Garagen zu bauen. Außerdem begeistern sich nun auffallend mehr Menschen, mit dem Rad mobil zu sein. Dieser Trend werde durch die Corona-Pandemie verstärkt.
ADFC fordert Investitionen in den Ausbau von Radwegen
Der ADFC fordert, dass die Stadt 25 Euro pro Bürger pro Jahr – insgesamt fünf Millionen – für die Fahrrad-Infrastruktur ausgeben müsse. Investitionen müssten aus Sicht des Radclubs in den Ausbau des Radschnellweg Ruhr fließen. Zudem müsste der Bahnhofsvorplatz fahrradfreundlich gestaltet werden.
Mit einem Radverkehrsanteil von etwa 6 Prozent liegt Oberhausen deutlich unter dem bundesweiten Schnitt von etwa 10 Prozent. Zum Vergleich: Spitzenreiter ist der Autoverkehr mit einem Anteil von rund 57 Prozent.
Der städtische Nahmobilitätsmanager in Oberhausen, Marcel Knauff, geht davon aus, dass ein Radverkehrsanteil von 15 Prozent in den nächsten zehn Jahren ein realistisches Ziel sein könnte.
Um in den kommenden Jahren nicht von weiteren Städten in der Fahrrad-Rangliste überrollt zu werden, müsse die Stadt mehr Geld in die Hand nehmen. „Wir brauchen einen eigenen Etat, damit nicht jede Kleinigkeit durch alle Gremien geboxt werden muss“, fordert Schmidt. „Es bringt uns auf die Palme, dass die Stadt 400.000 Euro für einen Parkplatz an der Erlenstraße durchwinkt – und Geld für Fahrrad-Anträge mit fadenscheinigen Argumenten zurückhält.“ Das Land NRW strebe an, dass 25 Prozent des Verkehrs aufs Fahrrad entfällt. In Oberhausen liege der Anteil bei sechs Prozent. „Um das zu schaffen, brauchen wir dringend Investitionen in die Fahrrad-Infrastruktur. Wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“