Oberhausen. Hajo Sommers ist immer für eine Überraschung gut. Den RWO-Präsidenten und Kleinkunst-Chef zieht es plötzlich in die Politik und in den Bundestag.

Der Polit-Paukenschlag sitzt. Das Echo wird folgen. Hajo Sommers möchte für die Satire-Partei „Die Partei“ ins Parlament einziehen - und wird am 26. September bei der Bundestagswahl als Direktkandidat für den Wahlkreis Oberhausen/Wesel 3 (Dinslaken) antreten.

„Die Partei hat mich gefragt und ich habe nach einer Bedenkzeit Ja gesagt“, unterstreicht Sommers seine Ambitionen gegenüber unserer Redaktion. Am späten Samstag stimmten die Kreisverbände beider Städte bei einer virtuellen Versammlung ab. Die Wahl fiel einstimmig auf den RWO-Präsidenten und Ebertbad-Chef.

Das Ergebnis muss von den Parteianhängern noch per Urnengang offiziell bestätigen werden - darunter befinden sich rund 120 Mitglieder aus Oberhausen. Dies gilt aber als Formsache. Außerdem muss Sommers noch 200 Unterstützer-Unterschriften sammeln, um antreten zu dürfen.

Künstler in der Partei - Serdar Somuncu machte es vor

Kommunalpolitik? Landespolitik? Polit-Neuling Sommers wählt gleich den Bund. „Andere fangen unten an und arbeiten sich hoch. Ich möchte das umgekehrt machen. Meine Rente muss gesichert werden“, sagt Sommers im ironischen Ton der Partei, die sich im Wahlprogramm 2017 für eine „Bierpreisbremse“ stark machte und aktuelle politische Themen mit sarkastischen Wahlplakaten wie „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen. Außer uns.“ begleitet.

Die Partei, die sich selbst in Großbuchstaben schreibt, die wiederum für „Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative“ stehen, wurde 2004 von Redakteuren des Satire-Magazins Titanic gegründet. Ihr Bundesvorsitzender Martin Sonneborn arbeitete als Chefredakteur und Mitherausgeber. Heute sitzt er im europäischen Parlament.

Kritische Stimmen, dass Satire-Politik der Gesellschaft eher schade und alle Politiker unter Generalverdacht der Unfähigkeit stellen könnte, sieht Sommers ganz anders. „Politik ist viel zu wichtig, um auf Satire verzichten zu können.“ Der Finger werde in die Wunde gelegt.

Inhaltlich gehe es für Sommers bei der „Partei“ in die richtige Richtung. Gegen Rechts. Gegen die AfD. Jenseits von Lobbyismus und dem dicken Porsche. Sommers ist in Oberhausen Partei-Mitglied, sitzt aber nicht im Vorstand. Ein Wahlprogramm? „Ganz klar. Ich möchte Kultur in beiden Städten fördern. Und mich für den Sport stark machen.“

Was hat seine Dauerverlobte, die Kabarettistin Gerburg Jahnke, zu den plötzlichen Polit-Plänen gesagt? „Du hast nicht alle auf’n Zaun!“

Dass Künstler in der Satire-Partei das Ruder übernehmen, ist nicht neu. 2017 trat Kabarett-Kollege Serdar Somuncu als Spitzenkandidat bei der Bundestagswahl an und erreichte als Direktkandidat in Berlin-Friedrichshain, Kreuzberg und Prenzlauer Berg gut sieben Prozent der Erststimmen.

Stripper Sommers - das letzte Hemd für den Bundestag

Sommers ist als Präsident von Fußball-Regionalligist Rot-Weiß Oberhausen und Chef des Kleinkunsttheaters Ebertbad selbst für spektakuläre Aktionen bekannt. In der Theaterproduktion „Ganz oder gar nicht - Ladies Night“ mimte Sommers den Stripper.

Zuletzt berichtete er im TV-Talk der Sportschau ungeschminkt über die finanziellen Nöte unterklassiger Fußball-Vereine während der Corona-Pandemie und rührige Sammelaktionen der Fans („Die Ultras haben uns am Kacken gehalten!“).

Als RWO-Chef wettete er 2008 sogar gegen seinen eigenen Stürmer Julian Lüttmann, dass der klamme Verein nicht in die zweite Liga aufsteigen wird. Oberhausen stieg sensationell auf. Sommers verlor, kam um den pikanten Wetteinsatz, nämlich nackt durch sein eigenes Stadion zu laufen, aber herum, weil der Aufstieg nicht daheim, sondern auswärts bei Union Berlin gelang.

Apropos. Letztes Hemd. Apropos. Berlin. Ein Flitzer? „Das wäre vielleicht auch was für den Bundestag“, findet der 62-Jährige.

Anfang 2019 erlitt der Ebertbad-Chef einen Schlaganfall. Die Politik traut er sich aber zu. Ganz herausgehalten hat er sich in Oberhausen zuvor schon nicht. Bei der Oberbürgermeisterwahl 2015 machte sich der Kulturschaffende für den SPD-Kandidaten Apostolos Tsalastras stark. Eine eigene Nähe zu den Genossen sieht er aber nicht. „Das habe ich damals für Posto gemacht.“ Nun tritt er gegen den SPD-Kandidaten und jetzigen Bundestagsabgeordneten Dirk Vöpel an.

2017 holte „Die Partei“ im Bund ein Prozent der Zweitstimmen - noch weit weg von der Fünf-Prozent-Hürde, um in den Bundestag einzuziehen. Sommers: „Wäre keine Pandemie, würde ich auf der Marktstraße Bierstände aufstellen - so hat man früher Wahlen gewonnen.“

Wie viele Stimmen Sommers in Oberhausen holen kann, mag er noch nicht sagen. „Gerburg wählt mich schon mal nicht!“ Noch nicht.

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Hajo Sommers (62), aufgewachsen in Styrum, stand in jungen Jahren in der McDonalds-Filiale an der Marktstraße am Grill. Steuerte später die Geschicke von soziokulturellen Zentren wie dem Druckluft und Zentrum Altenberg und baute das legendäre Diskotheken-Zelt Music Circus Ruhr (MCR) mit auf. Es folgten Stationen beim Theater Oberhausen, Gasometer und der Werbegemeinschaft des Bero-Zentrum.

1998 rüstete er das Ebertbad in eine Kleinkunstbühne um. Immer finanziell am Limit existiert das umgewidmete, ehemalige Schwimmbad noch heute - und ist bundesweit bekannt.