Oberhausen.
Fußball-Viertligist Rot-Weiß Oberhausen ist ständig in Bewegung. Fans wissen das. Präsident Hajo Sommers erst recht. In der Tabelle der Regionalliga West sieht es nach einem beunruhigenden Start deutlich besser aus. Gegenüber dem Stadion Niederrhein wächst ein modernes Leistungszentrum, wo die Mannschaft bereits trainiert. Die alte Heimat am Rechenacker dagegen zerfällt. Dabei arbeitet ein Teil des Teams noch immer hier. Ein Besuch im Gerümpel. Hajo Sommers hat Dirk Hein über das Gelände geführt.
Hoppla, wie kommt eine Sofagarnitur vor Ihre Tür?
Sommers: Die war plötzlich da, ist nicht von uns. Abends ist hier ziemlich viel Leben, weil sich alle 16-Jährigen aus der Nachbarschaft zum Rauchen treffen.
Ein Nebenraum des Vereinsheims ist aufgebrochen, total verwüstet. Hajo Sommers blickt auf den Platz, hier sollen Wohnungen entstehen.
Blutet Ihnen jetzt das Herz?
Sommers: Wenn ich Nostalgiker wäre, ja. Ich habe hier als Sechsjähriger meinen Kakao trinken dürfen. Bin ein Jahr gegenüber zur Schule gegangen. Das sind Kindheitserinnerungen. Wenn die Anlage nicht mehr nutzbar ist, kannst du Erinnerungen ins Poesiealbum kleben. Du kannst nichts damit anfangen. Poesiealben sind blöd.
Hätte man statt an der Lindnerstraße nicht hier investieren können?
Sommers: Das wäre mit Sicherheit teurer geworden. Außerdem: Wir sind hier mitten im Wohngebiet. Wenn ich überlege, wie häufig hier die Staatsmacht angerückt ist und abends das Training abgesagt hat.
Sommers öffnet die Tür. Rechts bedient eine Mitarbeiterin das Fax. Auch der sportliche Leiter Frank Kontny hat hier noch ein Büro.
Es war also zu laut?
Sommers: Offensichtlich. Aber selbst Mario Basler hat nicht um 1 Uhr nachts ein Straftraining angesetzt. Die Probleme haben wir an der Lindnerstraße nicht, dort gibt es keine Nachbarn.
Was ist jetzt besser?
Sommers: Die Umkleiden sind dort mit Wasser, und zwar nicht auf dem Boden und an den Wänden – und dazu auch noch warm. Dafür ist der Spaß jetzt ohne Schimmel. Wir haben zwei Plätze fürs Training, dazu einen Kunstrasenplatz.
Wind pfeift. Schnee rieselt. Sommers lehnt am verrosteten Wasserhahn. Der Fotograf bittet ihn, in die Kamera zu schauen. „Klar, ist übrigens gar nicht kalt hier. Super Wetter!“
Wie alt ist das Gebäude eigentlich?
Sommers: Das stammt wohl irgendwann aus den 50er Jahren. Ich hänge an manchem Kram, aber an Menschen und nicht an Dingen. Wenn es etwas Neues gibt, bin ich damit einverstanden. Etwas aufrecht zu erhalten, was an sich nicht mehr nutzbar ist, geht nicht. Mein Bonanza-Rad von früher finde ich super, würde aber heute nicht mehr damit herumfahren.
Wirklich nicht?
Sommers: Okay, wenn ich meine erste Isetta wiederbekommen könnte, dann fände ich das schon wieder cool.
Bis Sommer bleiben die letzten Mitarbeiter im Haus, vier Stück. In der Vereinsgaststätte ist die Theke halb abgesägt. Ein einsamer Tisch steht im Saal, Kabel ragen aus der Wand.
Bruchbude Landwehr-Stadion
Gemütlich!
Sommers: Die eine Hälfte mit Zapfanlage haben wir abgegeben - als Spende an die Jugend. Das Stück steckt wahrscheinlich in irgendeiner Kellerbar. Hier: Darf ich vorstellen? Das ist unser Vorstandstisch. Der einzige, der im Raum geblieben ist. Den Rest haben wir verscheuert. Das ging an Privatpersonen, einen Teil haben wir an soziale Einrichtungen verschenkt. Der Fernseher ist noch da, den will keiner mehr haben.
Sommers setzt sich an den einzigen Tisch des Raums und greift zum Tabak. Auf dem Tisch steht ein Aschenbecher mit der Aufschrift „Meister“.
Wird es an der Lindnerstraße auch eines Tages ein Vereinsheim geben?
Sommers: Ja, auf jeden Fall. Wenn wir so erfolgreich sind, wie wir zuletzt waren, soll es im Sommer losgehen. Das gute Stück ist dann für Mitglieder, ein Treffpunkt für Mutter und Vater, die beim Training der Kinder einen Kaffee trinken wollen.
Sind Vorstandssitzungen in solch einer Bruchbude nicht eine Qual?
Sommers: Ich finde die Kulisse hilft. Du kommst gar nicht erst auf die Idee, dass du was anders bist als das was du bist. Im Gegenteil: Du fühlst dich sogar besser als das, was um dich herum ist. Wir sprechen hier auch mit Leuten von außerhalb.
Ist das typisch Oberhausen?
Sommers: Das ist nicht nur typisch Oberhausen, sondern typisch für diesen Vorstand. Und das hat nichts mit meiner Person zu tun. Wir haben uns auch schon häufig im Ebertbad in der Künstlerkabine getroffen. Das war noch nie anders. Wir waren auch schon mal für eine Vorstandssitzung bei „Kids Planet“, weil einer auf seine Kinder aufpassen musste.
Und plötzlich stand bei RWO die Staatsanwaltschaft vor der Tür
Was hat Ihnen nach der Winterpause größere Sorgen bereitet, das Sportliche oder das Finanzielle?
Sommers: Die finanzielle Situation und die damit verbundene ehrenamtliche Tätigkeit der Mitarbeiter. Sportlich hatte ich komischerweise überhaupt keine Sorgen. Du musst daran glauben! Wir haben so häufig auf das gegnerische Tor geschossen, wie wohl kein anderer. Manchmal sind es nur kleine Stellschrauben, aber Kunkel und Kontny haben etwas verändert.
Wie kommen Sie mit Druck klar?
Sommers: Wenn du Druck im Nacken hast, macht es keinen Spaß. Es gab zweieinhalb Jahre nur etwas auf die Mappe. Alles, was du gemacht hast, war irgendwie falsch. Du versuchst, etwas zu verändern, und es war wieder nicht richtig. Und nicht richtig heißt hier: nicht erfolgreich. Wir haben viele Sachen richtig gemacht, die aber nicht zum Erfolg geführt haben. Dann fühlst du dich zwischendurch so, wie das Gelände jetzt aussieht.
Macht es jetzt gerade Spaß?
Sommers: Es macht durchaus Spaß. Weil wir wissen, dass wir in eine Richtung marschieren. Wenn der Erfolg eintritt, macht es ja immer Spaß. Wir versuchen eine Liga zu halten. Für andere ist Erfolg, wenn du wieder in der 2. Bundesliga spielst.
Sommers unterbricht. „Kaffee? Wir haben hier noch eine Maschine!“
Vor einiger Zeit kam Besuch von der Staatsanwaltschaft. Es ging um einen möglichen Schwarzgeldfall beim Wuppertaler SV, bei den Ermittlungen wurde auch RWO überprüft...
Sommers: Wir haben bis jetzt noch nichts von der Staatsanwaltschaft gehört und haben keine Vorladung bekommen. Vielleicht kommt es zu einer Anhörung. Als die vor der Tür standen, habe ich nur gedacht: Was soll das? Ich wusste gar nicht, wo die hinwollten. Haben die sich in der Tür vertan? Es wurde aber nichts aus dem Regal gerissen, so nach dem Motto, wo ist jetzt das Geheimversteck.
Was muss geschehen, damit Sie die Saison als gelungen bezeichnen?
Sommers: So weiterspielen und Platz sieben und bis zehn erreichen. Das, was wir vor der Saison auch so gesagt haben. Da hat keiner groß getönt. Ich habe das Gefühl, wir sind nicht der ‘Arschlochverein’. 90.000 Euro sind bei unserer Trikot-Sponsoring-Aktion zusammengekommen. Da muss man stolz auf Stadt, Sponsoren und Fans sein. Davor ziehe ich meinen Hut! Wir merken, dass der Verein in der Stadt nicht abgeschrieben ist und vielleicht macht das einen Traditionsverein aus.
Verabschiedung. Sommers zerrt an der Tür, die sich nur mit Kraft schließen lässt. Das Handy klingelt. „Hab’, jetzt Zeit...“ Am Rande des Platzes entfernen Gärtner die ersten Hecken. Bis zum Sommer ist RWO hier noch zu Gast. Bis zum Sommer.