Oberhausen. . Seit 20 Jahren schwappt die kulturelle Welle durch das historische Ebertbad. Hajo Sommers und Susanne Fünderich erinnern sich an die Anfänge.

Kinder, wie die (Bade-)Zeit vergeht: Seit 20 Jahren betreibt Hajo Sommers (59) das Ebertbad. Und das Kultur-Programm ebbt nicht ab. Gemeinsam mit der langjährigen Weggefährtin Susanne Fünderich blickt der Bademeister zurück.

Wer war Hajo Sommers eigentlich vor dem Ebertbad?

Sommers: Ein Nichts — und unheimlich reich. (grübelt) Was habe ich gemacht? Zehn Jahre Music Circus, acht Jahre Druckluft und zwischendurch noch die Ausstellungsleitung im Gasometer, im Bero-Zentrum war ich Geschäftsführer der Werbegemeinschaft. Dazu Zivildienst und zwei Jahre knechten bei McDonalds.

Mc Donalds, ernsthaft?

Sommers: Wir waren bei McDonalds Revoluzzer. Heute läuft alles vollautomatisch und es piepst ständig. Das ist doch wie Autofahren. Die einzige Regel bei uns war damals: Knöpfe zu und das Papierschiffchen aufsetzen. Auf die Frage ‘Können Sie sich mal vernünftig anziehen?’ haben wir geantwortet ‘Wollen Sie einen Dressman oder einen Griller?’

Hilft so ein Job, die Leute aus Oberhausen besser zu verstehen?

Sommers: Ich würde sagen, die Leute aus ganz Europa und der Welt besser zu verstehen. Da war ich 18. Ich habe das ein Jahr in Vollzeit und davor als Aushilfe gemacht — und zwar in der Filiale an der Marktstraße. Da lernst du dann, dass es Arschlöcher gibt und keine Arschlöcher. Aber das wusste ich schon seit dem Kindergarten.

Immer wieder grüßt der Flügel: Mit der Festival-Reihe „Geflügelwoche“ fing im Ebertbad alles an.
Immer wieder grüßt der Flügel: Mit der Festival-Reihe „Geflügelwoche“ fing im Ebertbad alles an. © Fabian Strauch

Sind Sie nach 20 Jahren im Ebertbad sesshaft, also angekommen?

Sommers: Ich sehe das anders. Ist es nach 20 Jahren nicht die Zeit, zu gehen? Ich bin hier Zuhause. Ich habe ziemlich viel ausprobieren dürfen, um hier zu landen.

Wie haben sich Hajo Sommers und Susanne Fünderich kennengelernt?

Fünderich: Das war im Zentrum Altenberg, bei der ‘Geflügelwoche’. Ein Festival rund um das Musikinstrument, den Flügel, das war meine Abschlussarbeit. Altenberg besaß keinen eigenen Flügel. Also haben wir das gebündelt, damit die Miete billiger wird. Hajo war jeden Abend als Besucher dort. Irgendwann hat er mich gefragt, ob wir das nicht zusammen im Ebertbad veranstalten wollen. So fing es an.

Sommers: Wir haben unser erstes Büro an der Bachstraße angemietet — direkt über einem Bestatter. 1982 wurde das Bad ja geschlossen, 1989 wurde das Ebertbad umgebaut und danach von der Stadt einem Trägerverein überlassen. Wir haben das Bad zunächst für Einzelveranstaltungen angemietet.

Was gab es dort vorher?

Sommers: Erotikmessen, Hochzeiten und Disco. Wir haben gesagt: Komm’ wir versuchen das mal!

Fünderich: Es gab kaum Kultur. Daher waren sie wohl froh, dass wir zwei Bekloppten kamen.

Das ist nicht billig?

Sommers: Wir haben dem Music Circus altes Material abgekauft. Wir haben die Halle am Anfang eigenhändig geputzt und die Toiletten selber sauber gemacht. 1999 haben wir das Ebertbad komplett angemietet. Es wurde immer mehr.

Spieglein, Spieglein . . . Susanne Fünderich und Hajo Sommers in der Künstlergarderobe der Badeanstalt.
Spieglein, Spieglein . . . Susanne Fünderich und Hajo Sommers in der Künstlergarderobe der Badeanstalt. © Kerstin Bögeholz

Heute schätzen viele Künstler die Atmosphäre im Bad . . .

Sommers: Aber am Anfang wollte keiner kommen. Oberhausen? Die Leute sind hier nicht hingefahren, sondern durchgefahren.

Fünderich: Das Ebertbad hatte als Kleinstkunst-Spielort noch keinen Namen. Künstler haben Taxifahrer nach dem Ebertbad gefragt und keiner wusste, wo das sein sollte. Es hat gedauert bis sich das gewandelt hat. Dann fragten plötzlich die Künstler an. Sie hatten gehört, dass es bei uns schön sein soll.

Welche weiteren Hindernisse gab es am Anfang?

Sommers: Die Halle ist für die Kleinkunst recht groß. 400 Leute, das musst du erst mal schaffen.

Was haben Sie gelernt?

Sommers: Als ich damals vom Druckluft weggegangen bin, habe ich gelernt, dass die Sozialarbeit niemals aufhört. Das nennt sich heute nur Künstlerbetreuung.

Aufgalopp: Dieses Schild hängt an der Tür zur Künstlergarderobe.
Aufgalopp: Dieses Schild hängt an der Tür zur Künstlergarderobe. © Kerstin Bögeholz

Hat sich die Qualität auf der Kleinkunst-Bühne verändert?

Sommers: Es gibt mehr — Mist und Gutes. Aber wenn du mit Hunderttausend Klicks vor der Kamera für Youtube herumgekaspert hast, heißt das nicht, dass du zehn Minuten auf einer Bühne überstehst.

Gibt es diese Angst, dass ein Programm nicht funktionieren könnte?

Fünderich: Klar, man fühlt sich ja schließlich verantwortlich. Jeder Abend ist aber ein Überraschungspaket. Bei gemischten Shows mit verschiedenen Künstlern ist das Risiko etwas höher, dass die Stimmung mal nicht überschwappt.

Wie viele Veranstaltungen gibt es im Ebertbad pro Jahr?

Sommers: Im vergangenen Jahr waren es 287. Wir landen bei bis 140 000 Besuchern pro Jahr.

Was ist Ihre Konstante?

Sommers: Wir sind immer noch ein kommerzieller Laden, der sich weiterhin selbst ernähren muss. Das ist kein Selbstläufer.

Es ist heute kaum zu glauben, dass das Ebertbad vor 13 Jahren kurz vor dem Aus stand?

Sommers: Die Eigenproduktionen haben uns gerettet, besonders ‘Ganz oder gar nicht’ im Jahr 2005. Ohne die Missfits hätte es das Ebertbad übrigens am Anfang nicht gegeben. Sie haben hier drei Wochen lang gespielt.