Oberhausen. Der scharfzüngige Kabarettist Serdar Somuncu spielt diesen Mittwoch im Ebertbad. Er kommt mit Band. Und mit klaren politischen Spitzen. Ein Interview.
Serdar Somuncu gastiert an diesem Mittwoch mit dem Musik-Kabarett-Programm „Sexy Revolution & the Politics“ im Ebertbad in Oberhausen (20 Uhr, Abendkasse: 25,20 Euro). Ein Interview mit einem Provokateur mit Tiefgang.
Sie verbinden im Ebertbad Musik und Kabarett: Was kann Musik ausdrücken, was Worte nicht können?
Serdar Somuncu: Musik ist eine Ebene, auf der man mehr Gefühle erreichen kann als mit Sätzen. Wir kombinieren das – ich mache Stand-up und die Band spielt Musik. Ich probiere gerne neue Sachen aus. Veränderung bedeutet, dass ich darauf verzichte, Zuspruch geschenkt zu bekommen.
Hatten Sie vorher Zweifel?
Somuncu: Am Anfang sicher, da haben wir lange nach der Form gesucht. Es ist immer homogener geworden. Die Band und ich haben sich daran gewöhnt, dass wir eine Einheit sind.
Sie stehen seit 30 Jahren auf der Bühne. Wie war das am Anfang?
Somuncu: Ich musste fast betteln, dass einer kommt – bin oft auf der Saalmiete sitzengelieben. Mit mehr Erfahrung wird man selbstsicherer.
Was hat Ihnen Antrieb gegeben durchzuhalten?
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Somuncu: Alternativlosigkeit. Ich habe ein paar Wochen bei einer Versicherung gearbeitet. Da wäre ich durchgedreht, ich kann das, aber da wäre ich innerlich verkümmert. Kunst muss man ausleben.
Was denken Sie, wenn Sie auf die Umfragewerte der AfD bei den Landtagswahlen schauen?
Somuncu: Bernd Lucke hat sich ein Monster geschaffen, das sich gerade selbstständig macht. Das ist wie bei Frankenstein. Die Idee, eine Partei rechts neben der CDU zu etablieren, gibt es in Deutschland lange. Nun ergibt sich eine Mischung, die bei einem Teil der Bevölkerung gut ankommt: Auf der einen Seite sehr ausländerfeindlich, auf der anderen sehr patriotisch. Ich befürchte, das ist nur der Anfang, wenn man nach Österreich, Dänemark oder Frankreich schaut. In Europa gibt es eine Tendenz zum Nationalismus.
Was bedeutet dies für die gesellschaftliche Diskussion über Zuwanderung?
Somuncu: Wir dürfen die Debatte darüber nicht den falschen Leuten überlassen.
Sie haben aus „Mein Kampf“ vorgelesen, um Hitlers Wahnsinn zu entlarven. Fühlen Sie sich manchmal vom Publikum falsch verstanden?
Somuncu: Das lasse ich gar nicht erst zu. Während meiner Vorstellungen entstehen die wenigsten Missverständnisse. Die meisten entstehen in der Nachbetrachtung. Das ist dann von Leuten initiiert, die gar nicht in der Vorstellung waren. Das ist ein Stellvertretergewissen. Sie denken: Das darf man doch nicht machen...
Wie klären Sie die Vorurteile auf?
Somuncu: Es gibt den Vorwurf, dass ich rechtsradikales Gedankengut banalisieren könnte, wenn ich aus „Mein Kampf“ vorlese. Aber 60 Prozent ist Analyse und Kommentar und nur 40 Prozent Vortrag. Und das wäre für jemanden, der sich davon einfangen lassen wollte, extrem anstrengend und ein fast aussichtsloses Unterfangen. Da gibt es im Internet viel einfachere Sachen, die verführerischer wären.
„Mein Kampf“ ist wieder ein Bestseller. Wie sehen die die neuerliche Veröffentlichung?
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Somuncu: Das Buch war immer im Handel erhältlich. Alles andere ist ein Märchen, das die bayrische Landesregierung verbreitet. In Deutschland konnte man sich das Buch straffrei aus dem Ausland bestellen. Was jetzt passiert, ist das Gegenteil, was passieren sollte. Die Bayern haben dieses unlesbare Pamphlet auf den Markt gebracht. Neben den Worten Hitlers, die schon abschreckend genug sind, sind 1000 Seiten Kommentar hinzugekommen, als wüsste derjenige, der herausgibt, um die Gefahr des Buches. Das Buch ist seit Wochen ausverkauft und es werden hohe Preise bezahlt. Das hätte man vermeiden können, wenn wir souverän mit dem vorhandenen Bestand umgegangen wären. Alles andere verleitet die Menschen dazu, die Neufassung absichtlich falsch zu verstehen.
Ist Kabarett bei all den politischen Herausforderungen mutig genug?
Somuncu: Kabarett ist hochgradig tendenziös. Es ist die Domäne einer linken Hegemonie, die den Anspruch stellt, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und oft aus dem Affekt Partei ergreift. Damit wird nicht der Zweck erfüllt, den Kabarett erfüllen sollte – nicht nur Partei zu ergreifen, sondern provokant anti-parteiisch zu sein. Man kann die heutigen Debatten über Flüchtlinge und über Verteilungsgerechtigkeit nicht einseitig führen, so lange man daran beteiligt ist, diese Konflikte zu schüren. Das sind auch Kabarettisten mit ihrer Doppelmoral. Ich wünsche mir Leute, die freier im Geist werden, ohne ihre Haltung nicht zu verlieren. Das Ziel muss sein, für Humanismus zu kämpfen, aber auch einen Wechsel der Perspektiven zu schaffen.
Und wie sieht es bei den Comedian aus?
Somuncu: Die wenigen, die noch funktionieren, sind alles Clowns, die weder Aussage, noch Substanz haben. Das ist eine Masche, die funktioniert. Wenn Mario Barth vor 80.000 Menschen im Berliner Olympiastadion erzählt, wie langweilig seine Freundin ist, ist das ein trauriges Abbild unserer Gesellschaft. Humor ist immer ein Abbild der Gesellschaft.