Oberhausen. Das Oberhausener Hostel Veritas leidet unter den Corona-Maßnahmen. Chefin Christina Antwerpen warnt zugleich vor den Folgen früher Sorglosigkeit.

Die Bundesländer Thüringen und Sachsen möchten die Corona-Maßnahmen stärker lockern. Zugleich landen mehrere positiv auf Corona getestete Gäste nach einem Restaurantbesuch in Niedersachsen in den Schlagzeilen. Christina Antwerpen, Chefin im Hostel Veritas, verfolgt die Nachrichten in diesen Tagen genau. Vieles lässt sie nicht gut schlafen.

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Die nicht nur bei Rucksacktouristen beliebte Unterkunft samt Biergarten und Gastronomie an der Essener Straße muss in Corona-Zeiten genau kalkulieren. Wie bei vielen Kollegen auch, geht es finanziell ans Eingemachte. Durch Außerhaus-Verkäufe und Rücklagen hielt sich das Hostel während des Lockdowns über Wasser. Doch es fehlt im Vergleich zum Vorjahr viel Geld – bis zu 90 Prozent weniger Einnahmen sind es, wie die Besitzerin vorrechnet.

Keine Malkreide für den Biergartenboden

Mit Außerhaus-Verkäufen, kreativen Geschenke-Box-Ideen (zum Bespiel zum Muttertag) hat das „Hostel Veritas“ versucht, den Corona-Lockdown zu überbrücken.
Mit Außerhaus-Verkäufen, kreativen Geschenke-Box-Ideen (zum Bespiel zum Muttertag) hat das „Hostel Veritas“ versucht, den Corona-Lockdown zu überbrücken. © FUNKE Foto Services | Oliver T. Müller

Von Normalbetrieb kann also keine Rede sein. Der ist durch Fixkosten teuer. Antwerpen grübelte lange bis sie wieder die Zapfhähne aufsperrte. Sie hofft auf mehr Gäste, sogar dringend, zugleich sagt sie aber auch: „Wir dürfen jetzt nicht nachlässig werden!“

Sie wünscht sich, dass jeder mithilft, die Abstände einhält und die Handhygiene nicht vernachlässigt. Gäste, aber eben auch die Wirte, müssten bei der Sondersituation konsequent bleiben, auch wenn es keinem so recht gefalle.

Das sieht Christina Antwerpen im eigenen Biergarten. Früher konnten Kinder hier mit Wonne den Boden mit Malkreide verzieren. Das geht momentan nicht.

Es schmerze sie selbst, wenn sie Familien freundlich darauf aufmerksam machen muss. „Mir tut das leid, weil wir die Leute bestrafen, die nichts dafür können – aber zugleich total einsichtig sind.“

Wenn sie mit befreundeten Kollegen in der Gastronomie spricht, habe sie ein gutes Gefühl, dass kein Schlendrian die zarte Pflanze der Wiedereröffnung bedrohe. Doch dann gebe es eben auch jene Negativ-Beispiele, die im Internet durch manche Facebook-Timeline rauschen. Fantasienamen, die anderorts in den Registrierungslisten gelandet sein sollen – womöglich geduldet vom Wirt. „So etwas ist nicht witzig. Wir müssen die Strafe zahlen.“

Eigener Schicksalsschlag sensibilisiert

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Die Hygienepläne fordern im Hostel auch das Personal. Am zurückliegenden Vatertag füllten eifrige Kellnerinnen alleine zehn Seiten mit Protokolllisten für das Händewaschen aus. Am Eingang zum Biergarten gibt es beim Eintragen für jeden Gast einen eigenen Kugelschreiber, der hinterher in einer Box landet und desinfiziert wird. Die Getränke nehmen sich die Besucher selbst vom Tablett. Das wird geduldig erklärt, immer und immer wieder.

Klemmbrett mit Liste! Das ist aufwendig, muss aber momentan eben sein, sagt Hostel-Chefin Christina Antwerpen.
Klemmbrett mit Liste! Das ist aufwendig, muss aber momentan eben sein, sagt Hostel-Chefin Christina Antwerpen. © FUNKE Foto Services | Oliver T. Müller

Als sich der Lockdown ankündigte, schloss das Hostel früh. Christina Antwerpen musste durch eine eigene tragische Geschichte erfahren, welche Folgen ein Virus anrichten kann.

Durch eine Zytomegalie-Infektion, ein Herpes-Virus, verlor sie im vergangenen Jahr in der 27. Schwangerschaftswoche ihren ungeborenen Sohn. Die Wahrscheinlichkeit des fatalen Verlaufs lag bei einer äußerst niedrigen Prozentzahl.

Daher möchte sich Christina Antwerpen während der Corona-Pandemie nicht auf niedrige Zahlen verlassen. Die Zeit des Lockdowns sieht sie rückblickend als schmerzhaft, aber notwendig an. „Wir haben Risikogruppen, die wir schützen müssen. Wenn es mein Job ist, dass ich meinen Laden zumachen muss, damit wir andere schützen, dann bin ich dazu bereit. Auch für eine mögliche zweite Welle.“

Desinfektionsspender sollen dauerhaft bleiben

Hostel im ehemaligen Zechengebäude

Das wichtige Saisongeschäft im Hostel Veritas trifft die Corona-Einschränkungen momentan deutlich. „Von April bis Oktober verdienen wir Geld“, sagt Chefin Christina Antwerpen. Tourismus, Festivals, Biergarten. „Genau jetzt müssen wir das Polster für die Monate danach schaffen.“

Neben den Zimmern für Übernachtungen gibt es an der Essener Straße die kleine Boutique „Gretel“ und die Gastronomie mit Biergarten. Eigene Aktionen wie Quizrunden und ein Art-Winter-Markt runden das Angebot normalerweise ab. Das Gebäude war einst der Verwaltungssitz der Zeche Oberhausen und wird seit 18 Jahre als „In Hostel Veritas“ geführt.

Die großen Burger, ihre „Lachs-Mozzarella-Röllekes“ legen im Hostel-Biergarten momentan eine Küchen-Pause ein, weil es der Einkaufspreis noch nicht zulässt. Eine kleine Speisekarte, auch mit der bekannten Currywurst, ist aber wieder zurück – und sie wird dankend genutzt.

Christina Antwerpen sieht man als Gastgeberin ihre Leidenschaft an. Sie denkt, dass die Freude in die Biergärten zurückkehren kann, wenn alle mithelfen. Der Desinfektionsspender soll auch nach der Coronazeit am Eingang stehen bleiben. „Viele gastronomische Betriebe benötigen dringend Gäste, die kommen aber nur, wenn sie sich sicher fühlen. Genau das wollen wir erreichen.“