Oberhausen. Florian Fiedler stellt nach kurzer Baustellenführung den vorletzten Spielplan seiner Intendanz vor und mit Simone Sterr die neue Chefdramaturgin.
Im Februar dieses Jahres sind solche Zuschauerzahlen noch als katastrophische Einbrüche gegeißelt worden – in der Spielzeit 2020/‘21 bedeuten 110 zahlende Gäste im Großen Haus Corona-bedingt die maximale Auslastung. „Es hängt von der Pärchenrate im Publikum ab“, erläutert Florian Fiedler. Kommen zu viele Singles zu einer Vorstellung, könnte auch schon bei 70 Zuschauern Schluss sein.
Vor der Pressekonferenz, in der es galt, seine vorletzte Spielzeit in Oberhausen vorzustellen, hatte der Intendant noch kurz über die eindrucksvoll verbarrikadierte Baustelle der Bühne geführt: „Dies ist kein modernes Bühnenbild für den Sommernachtstraum“. Die Botschaft war eindeutig: Hier ist kein verfrühter Spielbetrieb möglich. „Allein das Wort Plan im Spielplan“ nannte Fiedler unter den Umständen der Corona-Krise „einen geradezu absurden Begriff“. Kulturbetriebe müssten sich in diesen Wochen auf täglich neue Ansagen dessen, was erlaubt sein könnte, einstellen.
Intendant will „erstmal keine Sitzreihen ausbauen“ lassen
So wären womöglich im Großen Haus auch mehr als 110 Zuschauer erlaubt – wenn denn alle während der Dauer der Aufführung ihre Atemschutzmasken aufbehielten. Anders, als einige Häuser es bereits angekündigt hatten, will der Intendant aus dem Zuschauersaal „erstmal keine Sitzreihen ausbauen“ lassen. Die Produktionen im Saal 2 können nach Corona-Abstandsregeln nur rund 15 bis 20 Gäste erleben.
Dennoch zitierte Florian Fiedler stolz das Kritikerlob von Oberhausen als dem „Theater der Stunde“ (gemünzt war’s auf den Hörspaziergang der Jelinek’schen „Prinzessinnendramen“): „Ich bin sehr stolz auf dieses Haus und die Menschen, die hier arbeiten.“ Für Bert Zanders kontaktlos inszenierte Mini-Serie „Die Pest“ interessiere sich sogar die New York Times.
Der Fundus hat noch „tolle Astronautenhelme“
Neben einem Spielplan, der unter seinen 15 Premieren gleich fünf „liegengebliebene“ Produktionen der laufenden Spielzeit aufführt, galt es auch einige Personalien bekanntzugeben. So verlässt Emilia Reichenbach, im Vorjahr Trägerin des Oberhausener Theaterpreises, das Ensemble. Wie ihren Kollegen Burak Hoffmann „entlassen wir sie in die Freiheit“, wie Fiedler sagte. André Benndorff, der in dieser Spielzeit nur als „Peer Gynt“ zu sehen war, wechselt nach München, Mervan Ürkmez nach Dortmund. Zwei der „Neuen“, nämlich Agnes Lampkin und Shari Asha Crosson, waren als Gäste des Ensembles bereits in dieser Spielzeit höchst aktiv.
Last, not least, stellte der Intendant mit Simone Sterr auch die Nachfolgerin von Patricia Nickel-Dönicke als geschäftsführende Dramaturgin vor: Die 50-Jährige, die von Bremen nach Oberhausen wechselt, nannte es „einen kostbaren Moment“, dass man sich wieder „unter echten Menschen“ begegnen könne. Und die Vorstellung eines kompletten Spielplans ist aus Sterrs Sicht sogar „eine Mutfrage“.
Sterr kommt vom Vier-Sparten-Haus Bremen
Simone Sterr, geboren 1970, übernimmt nach kleinen und einem sehr großen Theater in Oberhausen die Nachfolge von Patricia Nickel-Dönicke an, die wiederum in Kassel als Schauspieldirektorin antritt.
Sterr machte ihre ersten Theatererfahrungen in der Dramaturgie am Stadttheater Konstanz bei Ulrich Khuon und Hans-Jürgen Drescher in Mannheim. Nach einem Studium der Neueren Deutschen Literatur und Philosophie in Köln und Arbeiten in der Freien Szene war sie als Dramaturgin und Regisseurin an verschiedenen Häusern tätig.
Als jüngste Intendantin in Deutschland übernahm sie die Leitung des Theaters der schwäbischen 68.000-Einwohner-Stadt Aalen. 2005 wechselte sie in gleicher Funktion an das Landestheater Tübingen, das sie bis 2014 leitete. Dort war Sterr stets auch als Regisseurin und Dramaturgin tätig. Seit der Spielzeit 2015/16 ist sie leitende Dramaturgin im Schauspiel am Theater Bremen – das als Vier-Sparten-Haus (jedenfalls vor Corona) über insgesamt 1400 Plätze verfügte.
Schließlich verlangt selbst die Probenarbeit in Zeiten der Pandemie zuvor für absurd gehaltene Vorsichtsmaßnahmen. „Man kann im Moment nicht zwei Menschen ganz nah etwas spielen lassen“, bestätigte Babett Grube als Hausregisseurin. „Es ist schwierig, aber es ist die Realität.“ Der Fundus habe noch „tolle Astronautenhelme“, ulkte Florian Fiedler – und etwas ernsthafter: Wenn man mikrofoniere, dann dürften die Schauspieler auf der Bühne etwas näher zusammenrücken. „Jede Produktion wird ihre eigenen Antworten finden müssen.“