Oberhausen. . Das Theater feiert in der neuen Spielzeit „Held*innen der Liebe“. Dazu zählt auch jene Geliebte Fidel Castros, die einen Mordauftrag verweigerte.

Vom sozialistischen Bruderkuss über Mary Poppins bis zum Cover des Prince-Albums „Lovesexy“: Wann war zuletzt soviel Liebe im Theater Oberhausen? „Held*innen der Liebe“ wollen Intendant Florian Fiedler und sein Team in der Spielzeit 2019/20 feiern. Theater-Fotografin Katrin Ribbe schuf dafür eine mit Aufwand und Hingabe in Szene gesetzte Bilderserie köstlicher Zitate – liebevoll.

Ödön von Horvaths Drama „Glaube Liebe Hoffnung“ von 1932 ist da geradezu ein Muss für den Spielzeit-Auftakt am 20. September. Allerdings rückt der Horvath’sche Untertitel „Ein kleiner Totentanz in fünf Bildern“ allzu liebliche Erwartungen zurecht. Florian Fiedler, der diese Premiere inszeniert, spricht von der „skurrilen Sprache und den etwas skurrilen Figuren“ des österreichisch-ungarischen Schriftstellers – die dann mit jedem Bild mehr von ihrem „brutalen Egoismus“ freilegen. Es ist halt doch nicht alles Liebe.

Ein Leben wie in „Forrest Gump“

Die Erkenntnis formulierte schon Shakespeare: Im hohen Alter werden manche Menschen wieder kindlich. „Groß und klein“ (ein Arbeitstitel) als erste Premiere im Saal 2 erkundet, ebenfalls am 20. September, wie unbefangen sich ganz junge Menschen einander nähern. Man müsste nur die von Konventionen eingezwängte Eltern-Generation überspringen können. Der Choreograph und Tänzer Leandro Kees inszeniert für eine Tänzerin und eine Schauspielerin.

Göttlich gewandet – wie das ewige Popsternchen Kylie Minogue für ihr Album „Aphrodite“: So schmückt Ayana Goldstein das Spielzeit-Buch.
Göttlich gewandet – wie das ewige Popsternchen Kylie Minogue für ihr Album „Aphrodite“: So schmückt Ayana Goldstein das Spielzeit-Buch. © Katrin Ribbe

Hannah Biedermann, vorgestellt als „Shooting Star“ des Regiefachs, bearbeitet Irmgard Keuns Erzählung „Das Mädchen, mit dem die Kinder nicht verkehren durften“ für die Premiere am 5. Oktober im Saal 2. Es ist die Geschichte eines widerspenstigen Kindes in Zeiten der Rohrstock-Pädagogik.

„Alles ist wahr – die neun Leben der Marita Lorenz“: Hausregisseurin Babett Grube sprudelt schier über, als sie vom „Forrest Gump“- haften Leben ihrer bald 80-jährigen Heldin erzählt – die eigens für die Premiere am 11. Oktober im Großen Haus von New York nach Oberhausen umziehen wird. Marita Lorenz war die Spionin, die Fidel Castro liebte – und Kubas „Maximo Lider“ im Auftrag der CIA ermorden sollte.

Eulenspiegel mit Tanz und Akrobatik

Die Familienproduktion zur Jahreswende, mit Premiere bereits am 16. November, trägt den zweisprachigen Titel „Keloğlan Eulenspiegel“: zwei sagenhafte Narren, ein weiser Charakter. Für Ania Michaelis’ Inszenierung verspricht Florian Fiedler „viel Tanz, Akrobatik und wilde Streiche“.

Als Amor im kurzen Hemdchen zeigt Torsten Bauer Po und Engelsflügel.
Als Amor im kurzen Hemdchen zeigt Torsten Bauer Po und Engelsflügel. © Katrin Ribbe

„Hase Hase“ mag danach klingen, ist aber kein Kindertheater: Vielmehr hatte Coline Serreau, die französische Literatin und Filmemacherin, ihrer Familiengeschichte bereits in den 1980ern märchenhafte Züge gegeben. „Ihr kleiner Kosmos platzt aus allen Nähten“, so kündigt sich diese Fiedler-Inszenierung mit Premiere am 6. Dezember an. Ist die Erzählerin vielleicht sogar eine Außerirdische?

Das alles ist noch konventioneller Stoff gegen Wolfram Lotz’ „Einige Nachrichten aus dem All“, gesendet am 13. Dezember im Saal 2. Raban Witt, der neue Dramaturg, verspricht einen „wunderbar grotesken Humor zwischen Samuel Beckett und Helge Schneider“. Und Franziska Henschel will die bizarren Lotz’schen Regieanweisungen möglichst ernst nehmen.

Publikum bestimmt die vorletzte Premiere

Eine der farbigsten Fantasien der klassischen Dramenliteratur eröffnet das neue Jahr am 11. Januar ‘20: Martin G. Berger, ebenfalls als „Shooting-Star“ angekündigt, inszeniert Henrik Ibsens „Peer Gynt“ – und zwar als Musical. Der im Opernfach versierte Regisseur bürge für „hochintelligente Unterhaltung“, verspricht Florian Fiedler.

Erkannt? Anna Polke posiert wie einst Marlene  im „Blauen Engel“. 
Erkannt? Anna Polke posiert wie einst Marlene im „Blauen Engel“.  © Katrin Ribbe

In „Mojo Mickybo“ erzählt Owen McCafferty aus Belfast von einer Freundschaft während der nordirischen „Troubles“ der 1970er Jahre. Emel Aydogdu inszeniert die Premiere am 31. Januar im Saal 2 über zwei junge Western-Fans, denen die Feindschaft zwischen „Cats“ und „Prots“ egal ist – bis der Bürgerkrieg sie doch einholt.

Mit „Der Funke Leben“ schließt Lars-Ole Walburg, Intendant in Hannover, am 13. März im Großen Haus an seine Arbeit „Das siebte Kreuz“ an: Erich Maria Remarques in den 1950er Jahren totgeschwiegener Roman erzählt von den verzweifelten Befreiungsversuchen der Gefangenen und Gequälten in einem KZ-Außenlager während der letzten Weltkriegs-Wochen.

Für Babett Grube ist „Kleiner Mann – was nun?“ der perfekte Anschluss an ihren jüngsten Erfolg mit dem „Handlungsreisenden“. Von der Weltwirtschaftskrise 1929 waren Hans Fallada wie Arthur Miller geprägt. Die Premiere steigt am 27. März im Großen Haus.

Fünfmal Elfriede Jelinek

„Prinzessinnendramen“ meint fünf Mini-Dramen von Elfriede Jelinek. Ihre totenbleiche Macht- und Mentalitätsgeschichte der Geschlechter lässt die Nobelpreisträgerin von Dornröschen, Jackie O. und Silvia Plath erzählen. Paulina Neukampf inszeniert die Premiere am 24. April im Saal 2.

Mit „Fux gewinnt“ hatte sich das österreichische Trio bereits am Will-Quadflieg-Platz vorgestellt. Ihr „Was ihr wollt“ meint nicht etwa Shakespeares Komödie – sondern ganz wörtlich: das, was das Oberhausener Publikum will. Deshalb sind der Premiere am 15. Mai zwei „Stadtversammlungen“ zur Meinungsbildung vorgeschaltet.

Wie zwei Jahre zuvor gestaltet Bert Zander (dessen „Schuld und Sühne“ jetzt beim NRW-Theatertreffen in Münster zu sehen ist) die letzte Premiere der Spielzeit am 29. Mai „irgendwo“ außerhalb des Theaters. Seine „Rückkehr nach Oberhausen“ basiert auf einer Milieustudie des französischen Autors Didier Eribon – und dessen Rückkehr aus Paris in eine verarmte Arbeiterstadt.

>>> Das Kling’sche Känguru wird zur Mini-Serie

Einen Late-Night-Spaß vor dem Eisernen Vorhang des Großen Hauses kündigt Florian Fiedler „ab 2020“ an: In einer Mini-Serie pflügt er durch die vier Bände der „Känguru-Chroniken“ von Kleinkünstler Marc-Uwe Kling. Das anarchistische Beuteltier gestaltet Puppenkünstlerin Dorothee Metz, die schon den „Sandmann“-Helden erschaffen hatte.

„Der Ursprung der Liebe“ ist ebenfalls noch nicht terminiert: Das Projekt von Ronja Oppelt, Lise Wolle und Line Behrens basiert auf den patriarchatskritischen Comicbüchern der Schwedin Liv Strömquist.

Das Theaterfest steigt bereits am 7. September, zwei Wochen vor den ersten Premieren. Wieder führt eine Prozession zum Will-Quadflieg-Platz. Das Motto: „Held*innen der Liebe“.

Karten für die neue Spielzeit werden voraussichtlich ab Mitte Mai erhältlich sein, 0208 - 8578 184, per Mail an besucherbuero@theater-oberhausen.de.