Mülheim. Das A & O des Handwerks erlernen Tischler und Elektroniker in der überbetrieblichen Lehrwerkstatt an der Heerstraße in Mülheim in Speldorf. Das alte Backsteinhaus wird gerade renoviert. Wir statteten der Ausbildungsstätte einen Besuch ab.
In der Lehrwerkstatt der Elektriker-Innung wird fleißig gelötet, werden Dioden auf eine Platine gesetzt. „Das soll der Empfänger eines Netzwerk-Kabeltesters werden“, kommentiert Marvin Eschenbruch noch etwas skeptisch das, was er da gerade fabriziert. Er ist einer von etwa zehn Auszubildenden, die hier – im hübschen Backsteingebäude an der Heerstraße – an einem Lehrgang für angehende Elektroniker, Fachrichtung Energie- und Gebäudetechnik, teilnehmen.
Das denkmalgeschützte Haus, in dem neben den angehenden Elektronikern auch die Tischler geschult werden, wird gerade wieder richtig herausgeputzt – heißt: renoviert. Ganz früher war es mal eine Schule. „In den 70er-Jahren konnte die Kreishandwerkerschaft das Gebäude anmieten, 1991 dann kaufen. Seither ist es im Besitz der Elektro- und der Tischler-Innung, die hier die überbetriebliche Ausbildung betreiben“, berichtet Barbara Pezzei, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft.
Fast ausschließlich junge Männer in der Ausbildung
Rund 140 Elektrobetriebe gibt es im Bereich Mülheim/Oberhausen, die pro Jahr etwa 50 junge Leute ausbilden (momentan sind es nur Männer). In den etwa 80 Schreinereien/Tischlereien des Bezirks lernen rund 100 Azubis pro Jahr ihr Handwerk. 6 bis 7 % davon sind weiblich, meist Frauen mit höherem Schulabschluss, die das berufliche Ziel Innenarchitektur/Architektur anpeilen.
„Unsere Mitgliedsbetriebe haben sich fast alle spezialisiert, decken nicht das gesamte Spektrum des Handwerks ab. Die überbetriebliche Ausbildung hat das Ziel, diese Lücken zu füllen, so dass alle Azubis irgendwann alles drauf und gleiche Chancen haben“, erläutert Manfred Meyer, seit vielen Jahren Ausbilder bei den Tischlern. Sechs Lehrgänge absolviert jeder Azubi in seiner dreijährigen Lehrzeit bei ihm, lernt mit vielen Materialien (nicht nur Holz, sondern u.a. auch Plexiglas, Stahl oder Marmor) sowie mit Werkzeugen und Maschinen umzugehen. Das „Training“ an den großen Sägen, Fräsen, usw. wird von der Berufsgenossenschaft unterstützt. Jeder Berufsanfänger soll lernen, wie man sicher und unfallfrei arbeitet.
Grobmotorisches bis Filigranes
Eingeübt werden in den vier verschiedenen Schulungsräumen der Tischler verschiedenste Fertigkeiten – vom grobmotorischen bis zum filigranen Umgang mit dem Material. „Es gibt immer mal wieder ganz besonders begabte junge Leute, insgesamt hat die Leistungsfähigkeit der neuen Azubis aber abgenommen. Viele haben weder in der Schule noch in der Familie gelernt, wie man einen Hammer hält“, hat Manfred Meyer festgestellt. Aber: Motivierten Teilnehmern könne man viel beibringen. Am Ende der Ausbildungszeit fertigt jeder Azubi sein Gesellenstück an, ein kleines Möbelstück. „Man staunt, was für tolle Arbeiten da entstehen“, so der Ausbilder.
Mehrere überbetriebliche Lehrwerkstätten in Mülheim
In der ehemaligen Schule an der Heerstraße, die der frühere Kreishandwerksmeister und SPD-Politiker Willi Loos für die Kreishandwerkerschaft aufgetan hatte, waren laut Barbara Pezzei zunächst auch andere Gewerke untergebracht.
Es wurde aber bald zu eng. Einige andere Innungen wie zum Beispiel die der Friseure, Maler oder Kfz-Betriebe haben in Mülheim ebenfalls Lehrwerkstätten. Die überbetrieblichen Lehrwerkstätten werden mit Landes- und Bundesmitteln gefördert.
Umfangreiches Wissen und unterschiedlichste handwerkliche Fähigkeiten müssen sich auch die Elektroniker in den neun Wochen aneignen, die sie im Laufe ihrer dreieinhalbjährigen Lehrzeit in der überbetrieblichen Lehrwerkstätte verbringen. „Der Beruf ist eben hochtechnisch geworden und außerdem noch ständig im Wandel“, sagt Barbara Pezzei, Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft.
Lehrwerkstatt deckt das ab, was Betriebe nicht vermitteln
„Den Strippenzieher der alten Art gibt es nicht mehr“, bestätigt auch Ausbilder Lothar Klinger. Seine „Jungs“ (selten auch Mädchen) lernen nicht nur die Grundlagen der Netzwerktechnik kennen, sondern auch die Gesetze von Brandmeldetechnik, Alarmtechnik oder Energieversorgungssystemen, usw. „Wir decken ab, was im Betrieb nicht vermittelt wird“, berichtet der Elektromeister. Wichtig sei es, den jungen Leuten konzentriertes und genaues Arbeiten beizubringen. Im dritten Ausbildungsjahr nehme die Arbeit am PC viel Raum ein. „Der Bereich der Programmierung ist unglaublich wichtig geworden“, so Klinger.
Die Azubis im ersten Ausbildungsjahr, die gerade in der Werkstatt „basteln“, sind so weit noch nicht vorgedrungen. Auch Joel Schmidt, beschäftigt bei einem Gebäudetechnik-Betrieb in Oberhausen, tüftelt noch an seinem Netzwerktester. Was er in seiner Ausbildung schon gelernt hat? „Steckdosen anzubringen. Leitungen zu verlegen, Schaltkästen zu bauen. . .“ Langweilig sei es bisher nie gewesen.