Irgendwann um die Jahrtausendwende kam die Idee von ,Mülheim an die Ruhr’ auf. Die Innenstadt sollte an den Fluss heranrücken, so nah es geht. Strandgefühle, mediterranes Flair, was es am Rhein, an der Elbe, an der Isar längst gibt, die Mülheimer Stadtplaner wollten es auch. Ruhrbania wurde geboren, was letztlich viel mehr als nur die gigantische Umgestaltung der Ruhrpromenade wurde.

Es sollte ein neues Lebensgefühl in der Stadt entstehen, eine neue Freizeitqualität sich entwickeln. Ein Mix aus Stadt, Wasser, Idylle. Doch mit den Baggern kam der Widerstand. Ruhrbania zehn Jahre nach Baustart ist nach wie vor das umstrittenste Bauprojekt in Mülheim.

Der kleine Hafen ist fertig, das angrenzende ehemalige Stadtbad wurde schon vor Jahren in Eigentumswohnungen verwandelt. Daneben ist ein großer Stadtplatz entstanden. Das historische Rathaus dahinter wurde für 45 Mio. Euro saniert. Für nicht viel weniger hat Kondor Wessels direkt am Fluss Eigentumswohnungen im großen Stil gebaut, ein paar Meter weiter drehen sich bereits die nächsten Kräne: drei neue Baukomplexe mit über 100 Wohnungen, Cafés, Büros, Arztpraxen lässt der Mülheimer Wohnungsbau dort errichten und investiert auch an die 30 Mio. in den Standort.

Historische Stadthalle saniert

Ein großer Schiffsanleger wurde in den Fluss gesetzt, der historische Leinpfad restauriert. Auf der anderen Flussseite wurde die historische Stadthalle für Millionen zeitgemäß modernisiert. Ein Radweg soll Ruhrbania demnächst passieren, der Wochenmarkt einen Steinwurf weit an historischer Stelle wieder entstehen. Und für das Stück weiter Richtung Westen haben Studenten der Uni Dortmund bereits Pläne für Stadthäuser der etwas kleineren Art entworfen, immer am Fluss lang.

Das Projekt spaltet die Stadt, die bisher rund 15 Mio. Euro in die Umgestaltung der Promenade investiert hat. Eine kürzlich veröffentliche repräsentative Befragung ergab, dass mehr als die Hälfte mit Ruhrbania nichts Gutes verbinden. Im Rathaus gehen die Kritiker manchem inzwischen auf den Nerv.

Viele Bäume fielen

Viele Bäume wurden gefällt – zu viele, sagen die Kritiker. Straßen wurden verlegt, Kanäle neu gelegt, jahrelang war die Innenstadt Baustelle, und sie hat einige Einzelhändler an den Rand des Ruins gebracht. Mancher weint dem Alten nach. Doch was war das Alte? Viele erinnern sich an eine ungepflegte Grünzone, in der Hunde ihr Geschäft machten und sich kaum ein Mensch gern niederließ.

Lothar Reinhard, Fraktionschef der Mülheimer Bürgerinitiativen und einer der großen Kritiker, hält Ruhrbania für ein städtebauliches und finanzielles Desaster, das die Stadt weder an den Fluss, geschweige denn nach vorne bringe. Die SPD als eine der großen Befürworter glaubt nach wie vor an den Erfolg und erinnert gerne an die Müga vor 20 Jahren: Auch dort, so Fraktionschef Dieter Wiechering, wurde erst viel gemeckert, heute dominiert das Lob. Auch die FDP, die sich bei der architektonischen Ausführung von Ruhrbania schon mal an den Sozialbau der 1970er Jahre erinnert fühlt, warnt davor, alles schlecht zu reden und Investoren zu signalisieren: In Mülheim wird dir das Leben schwer gemacht. „Das wäre ein verheerendes Signal.“

Viele Wohnungen am Ufer sind längst bezogen, manche stehen aber auch nach wie vor leer. Dauerbaustellen schreckten ab, heißt es.

Einer, der von Ruhrbania überzeugt war, war auch Kino-Betreiber Meinolf Thies. Er schüttet auf der anderen Seite der Promenade Mengen an feinem Sand an, stellte Sonnenstühle auf, ließ leise Musik laufen, bot Cocktails an und scheiterte – am Wetter, an der Wasserbehörde, an der Stadt. Hochwasserzone – Ruhrbania-Beach ging baden noch bevor es richtig gestartet war. Es sind auch solche Geschichten, die dem Image zusetzen.

Kaufhof-Immobilie als Bürde

Die größte Bürde für Ruhrbania ist jedoch das ehemalige Kaufhof-Gebäude, das direkt hinter der neuen Promenade liegt, seit fünf Jahren leer steht und immer mehr verfällt, beschmiert und zerstört wird. Mancher spricht hier auch von einer Katastrophe für die ­gesamte Stadtplanung. Dabei sollte es mal das Ruhrbanium werden, ein schicker Einkaufskomplex mit viel Ästhetik und offener Passage zum Wasser. Seit Monaten versucht eine Arbeitsgruppe um den Bau- und Planungsdezernenten nach einer möglichen Lösung. Kritiker sehen den Eigentümer, den Unternehmer Jochen Hoffmeister, in der Pflicht. Ruhrbania spaltet – noch.