Punkt 13 Uhr legt die Friedrich Freye am Wasserbahnhof in Richtung Kettwig ab – 50 Minuten wird das Schiff für die knapp zehn Kilometer lange Fahrt nach Kettwig brauchen. Kapitän ist heute Adolf Dapper, seit seinem 14. Lebensjahr untrennbar mit der Binnenschifffahrt verbunden. Als Schiffsführer hat er auf Schubbooten, Küstenmotorschiffen und Fahrgastschiffen gearbeitet. Mit seinem Rheinpatent durfte er das eine oder andere Schiff über den großen Fluss lotsen.

„Da alte, erfahrene Schiffsführer ja immer gebraucht werden, wollte ich dafür was tun“, brummt der Seebär von einem Mann, stilecht mit Seemannskappe und Tätowierungen auf dem muskulösen Oberarm. Als 68-jähriger Rentner fährt er deshalb nun im dritten Jahr wieder für die Weiße Flotte. Die Ruhr ist jetzt sein Revier. „Was ich früher beruflich gemacht habe, mache ich nun als bezahltes Hobby“, sagt er und findet, er sei noch zu jung, um auf ‘ner Bank zu sitzen. Trotz schönstem Sommerwetter sind an diesem Mittag nur rund 25 Ausflügler an Bord. „Gestern hätten Sie da sein sollen“, lacht Martin Knaebel, seit 28 Jahren dienstältester Schiffsführer der Weißen Flotte, im Winter U-Bahn- und Straßenbahnfahrer. „Das Schiff war rappelvoll!“

„So ist das Ausflugsgeschäft eben – mal läuft eine Tour, mal nicht. Manchmal kann man nicht vorhersagen, woran es liegt“, sagt Joachim Exner, Leiter der Betriebe der Stadt und somit auch Herr über die Weiße Flotte. Eins sei auf alle Fälle klar, die Ausflugsschiffe Friedrich Freye, Heinrich Thöne und Mülheim an der Ruhr haben in der Saison von April bis Oktober gut zu tun, denn neben den Linienfahrten gibt es von Jahr zu Jahr mehr Sonderfahrten und natürlich Charterfahrten, „die wir maßgeschneidert nach Kundenwünschen zusammenstellen können“, betont Exner. Neben den Hochzeiten an Bord inklusive Sektempfang, Fahrt oder auch Feier, ganz wie das Brautpaar es wünscht, kann jede Tour des Sonderfahrten-Angebots auch individuell gebucht werden.

Fahrt nach Rees neu im Programm

60 Sonderfahrten pro Jahr bietet das Team mittlerweile an, acht Schiffsführer sind im Einsatz, zwischen zehn und 15 Menschen kümmern sich nach Bedarf um den Service. Da gebe es keinen Dienst nach Vorschrift, da sei von allen Beteiligten viel Herzblut und Engagement gefragt, so Exner. Ganz neu im Programm seien die „Ü-Touren“, die erste Ü-30 Party sei schon ausgebucht, freut sich Exner, die Ü-40 Party am 9. August noch nicht ganz.

Auch die kulinarische Abendtour „Alles Pasta“ (18. Juli) bis Werden und zurück mit Nudel-Buffet, werde in diesem Jahr erstmalig angeboten. „Wir überlegen uns ständig, was unseren Gästen Spaß machen könnte“, sagt Joachim Exner. Mülheim habe mit der einmalig schönen Ruhrlandschaft einfach eine besondere Lagegunst. Und von hier aus seien Xanten oder Kaiserswerth in Tagesausflügen gut zu erreichen. Neu im Programm sei die Fahrt nach Rees an den Niederrhein. Die zweitägige Schiffstour „Abenteuer Ruhrgebiet!“ sei gut angekommen, wie auch die kurzen Angebote, die Kuchenfahrten am Mittwoch oder die industriegeschichtliche Tour mit Gästeführer „Ins Tal der Schlotbarone“ immer am ersten Donnerstag im Monat.

Aber auch die selbstgebackenen Kuchen auf den Linienfahrten sind bei den Ausflüglern beliebt. Janine Jordan bedient ihre Gäste persönlich, es gibt frischen Kaffee. Die idyllische Ruhrlandschaft zieht vorbei, die Mannschaft des Wikingerschiffs „Müwi“ paddelt etwas erhitzt vorbei, gelbblühende Lilien säumen das Ufer, Reiher lassen sich von der Friedrich Freye beim Fischen nicht stören.

Erika Rath fährt mit ihrem vierjährigen Enkel Nepomuk nach Kettwig. „Ich mache die Fahrt regelmäßig mit all meinen Enkeln“, erzählt die Mülheimerin lächelnd. Gleich gehe es in Kettwig zum Essen, dann nähmen sie das Schiff zurück bis Dicken am Damm und träfen dort die Familie zum Kaffee. Nepomuk scheint keine Einwände gegen das Freizeitprogramm zu haben und erkundet neugierig das Schiff. Derweil sitzt Adolf Dapper in seinem Führerstand und dreht ruhig an seinem Steuerrad, das er Haspel nennt. „Heute haben die Schiffe ja schon Joysticks, hier ist alles noch beim Alten“, freut er sich und lässt sich den lauen Wind um die Nase wehen.

Nicht immer sind die Fahrten so idyllisch, es gebe auch schon mal Sturm-, Hoch oder Niedrigwasser. Aber nur ganz selten, wie im Sommer 2008, musste der Fahrbetrieb wegen Hochwasser unterbrochen werden.

Aufpassen müsse er immer gut, vor allem wenn orientierungslose Ruderer oder Schwimmer ins Fahrwasser geraten. „Ich fahre ja kein Auto und kann mal eben schnell bremsen“, sagt Dapper auf seine unnachahmliche Ruhrgebiets-Art.