Mülheim. . Noch kurz vor Kriegsende waren der Lohbecker Berg und der Witthausbusch in Mülheim Ziel eines Luftangriffs. Dort versteckte sich eine Wehrmachtseinheit unter den Bäumen, weiß Zeitzeuge Volker Sperlich (77) zu berichten.
Gegen Kriegsende, es muss im März 1945 gewesen sein – die Stadt lag längst in Schutt und Asche – gab es noch einen speziellen Fliegerangriff auf den Lohbecker Berg und den Witthausbusch. Grund war die Einquartierung einer eingekesselten deutschen Wehrmachtseinheit, die ihre Fahrzeuge mit den Treibstofftanks im Witthausbusch „versteckt“ hatten.
Die Soldaten waren in den umliegenden Häusern untergebracht. In der unteren Wohnung unseres Hauses, in der ich heute wohne (damals wohnten wir oben), „residierte“ der kommandierende Major. Ich erinnere mich noch gut an die Melder, die mit ihrem Motorrad über die Wiese nebenan bis ans Haus heranfuhren und nach dem Rapport schnell wieder weg waren. Für uns Kinder war das spannend.
Soldaten kamen nicht in die Bunker
Die Soldaten kamen aber nicht in den Bunker. Sie kannten wohl die Bombenangriffe noch nicht – bis zu dem besagten Angriff. Der kam, ohne Voralarm, kurz nach dem Vollalarm. Wir konnten gerade noch den Bunker erreichen, waren noch nicht ganz die stets feuchtigkeitstriefende, schwach beleuchtete hundertstufige Treppe hinunter, als es losging.
Volker Sperlich
Volker Sperlich ist gebürtiger Mülheimer. Er wohnt noch heute in seinem Elternhaus am Lohbecker Berg.
In Aachen studierte Sperlich Maschinenbau. Er arbeitete bei Babcock, später nahm er für AEG Kraftwerke Siedewasserreaktoren in Betrieb. 1969 wechselte er an die heutige Universität Duisburg-Essen. Bis der Professor 2002 emeritiert wurde, war er dort am Lehrstuhl für Energietechnik tätig.
In Mülheim machte sich Sperlich unter anderem mit seinem Engagement für die Bürgerinitiative „Aktionsgemeinschaft A113/A31“ einen Namen, die erfolgreich gegen eine durch Dümpten verlängerte A31 kämpfte.
Sperlich ist verheiratet, hat drei Kinder. Großes Hobby war stets die Musik. 40 Jahre lang war Sperlich Mitglied im Mülheimer Kammerorchester, spielte dort Bratsche.
Wie lange es dauerte, weiß ich nicht mehr. Wir dachten, da oben steht jetzt kein Stein mehr über dem anderen. So heftig waren die Stoßwellen der Bomben, dass der Fels bebte und sich einige Felsbrocken lösten und auf die Holzabdeckung fielen. Eine Nachbarin aus dem untersten Haus oberhalb des Bunkereingangs an der R1 (heute B1 – der Eingang befand sich in der hohen Bruchsteinmauer, an der man vorbeifährt, wenn man von der Ruhr die Serpentine hochfährt) kam leichenblass erst spät im Bunker an – ohne ihre alte Mutter, die sie sonst immer begleitete. Sie war mit der Mutter gerade die Treppe vom Wendekreis des Lohbecker Berg zur R1 hinabgestiegen, als oberhalb im Wendekreis eine Bombe einschlug. Ein aufgeworfener Lehmbrocken schlug der Mutter in den Rücken und tötete sie.
Bomben waren zwischen Häuser gefallen
Die Bomben waren – bis auf Tersteegensruh – alle zwischen die Häuser gefallen, 50 Zentimeter neben unserem eine Brandbombe, zehn Meter unterhalb im Nachbargarten ein Blindgänger, im Haus nebenan bis in den Keller ein Blindgänger, 30 Meter vorm Haus auf der Straße ein Bombentrichter, neben dem Einschlag im Wendekreis eine weitere Bombe am Haus davor. Sie riss einen Erker weg.
Wir hörten auch, dass im Haus Lohbeck, damals das erste Haus am oberen Ende der Straße, eine Brandbombe eingeschlagen war. Ein Soldat, der in der Badewanne saß, konnte mit dem Badewasser löschen. Bei späteren Alarmen kam der, so wie auch die anderen Soldaten, in den Bunker.
Vergessen das Feuer auszumachen
Auch in unserem Haus war etwas verbrannt. Die Soldaten hatten ein Schwein besorgt und in der Badewanne geschlachtet. Meine Mutter hatte das Fett zum Auslassen auf viele Töpfchen verteilt und auf die Herdplatte gestellt. In der Eile nach dem Vollalarm hatte sie vergessen, das Feuer auszumachen. Das Fett stank entsetzlich, es war restlos verschmort und verraucht.
Die Bombentrichter im Witthausbusch konnte man nicht zählen. Die meisten Fahrzeuge und Proviantbehälter waren getroffen. Vom Haus Tersteegensruh standen nur noch einige Mauern. Dort war in der Kriegszeit – sehr geheim – eine Parteizentrale der NSDAP und ein Proviantlager eingerichtet . Meine Eltern erfuhren erst nach und nach im Bunker durch die angestellten „braunen Mädchen“ davon, hauptsächlich aber erst nach dem Bombenangriff.
Ich sehe noch eine, wie sie meiner Mutter unter Tränen (wohl im Bewusstsein ihres schweren Vergehens) eine Flasche Salatöl aus diesem, im heil gebliebenen Keller lagernden Proviant als Dankeschön überreichte.
Sie haben vermutlich einen Ad-Blocker aktiviert. Aus diesem Grund können die Funktionen des Podcast-Players eingeschränkt sein. Bitte deaktivieren Sie den Ad-Blocker,
um den Podcast hören zu können.