Ich wurde 1942 eingezogen, da war ich noch keine 18 Jahre alt. Ich war Luftnachrichtenhelferin im Gefechtsstand namens „Drossel“, der in einem Bunker untergebracht war. Er lag im Uhlenhorster Wald nahe der Monning, gleich neben der Wolfsburg.

Wir Nachrichtenhelferinnen waren mindestens 80 Mädchen. Unser Dienst dauerte acht Stunden, im Wechsel morgens, mittags und nachts. Obwohl ich in Styrum wohnte, wurde ich einkaserniert und durfte nur mit Urlaubsschein ab und zu nach Hause. Ich wurde der Flugüberwachung zugeteilt.

Am 22./23. Juni 1943 hatte ich Nachtdienst und war an der Stempelkarte eingeteilt. Ich habe dort den Angriff auf das Thyssenwerk gestempelt, und zwar mit dem „großen“ Stempel. Ganze Bomberverbände kamen auf uns zu. Erst hieß es „Anflug auf das Ruhrgebiet“, dann „Angriff auf die Thyssenwerke“. Ich bekam Angst und dachte: „Das ist ja bei uns zu Hause in Styrum.“ Denn mein Elternhaus lag ganz nahe an den Thyssenwerken.

Wir im Bunker fühlten uns zwar ziemlich sicher, aber wir wussten durch Informationen aus erster Hand: Dieser Angriff war schwerer als die bisherigen. Und wir wussten, dass draußen die Hölle war. Oben auf dem Turm stand ein Offizier vom Dienst. Der beschrieb den Offizieren, was er gesehen hatte, und wir hörten es mit: Bomben, Feuer über Styrum, Thyssenwerke getroffen. In dieser Nacht wurde Mülheim zu 70 Prozent zerstört.

Als Entwarnung gegeben wurde, wurde ich abgelöst und bin zusammen mit der Köchin, die wohnte auch in der Schützenstraße, aus dem Gefechtsstand in Richtung Ruhr gelaufen. Bange Gedanken hatte ich: Ob die Familie noch lebte, ob unsere Häuser noch standen? Im Dunklen rannten wir den Berg hinunter, Richtung Raffelbergbrücke. Über der alten Ruhr, die nicht viel Wasser führte, lag nur ein Brett als Übergang, weil die Brücke kaputt geschossen war. Wir balancierten im Dunklen hinüber.

Rechts von uns brannte Mülheim, wir sahen den Feuerschein am Himmel. Das Styrumer Rathaus, an dem ich vorbei rannte, hatte einen Volltreffer abgekriegt, es brannte. Viele Leute standen aufgeregt auf der Straße, um zu sehen und zu hören, was alles passiert war. Ich bog um die Ecke in die Schützenstraße. Thyssen hatte viel abgekriegt. Auch auf das Russenlager gegenüber waren einige Brandbomben gefallen. Glücklicherweise war mein Elternhaus noch heil.

In derselben Nacht, es wurde schon hell, sind wir zurück gerannt, den weiten Weg von Styrum bis Speldorf, zum Dienst im Gefechtsstand. Ich hoffe, dass solche Zeiten nie wiederkommen.