Nach dem tödlichen Rottweiler-Angriff auf einen kleinen Mischling warnen Experten vor allzu viel Hysterie. Für die Haltung von als gefährlich eingestuften Hunden gibt es klare Vorgaben, die Halter in die Pflicht nehmen.

Nach der tödlichen Rottweiler-Attacke gegen eine kleine Mischlingshündin am Entenfang ist die Diskussion über den Leinen- und Maulkorbzwang bei Hunden bestimmter Rassen wieder hochgekocht. Experten warnen aber vor Hysterie. In erster Linie sei Aggressivität bei Hunden nicht abhängig von der Rasse, sondern von der Sozialisation und dem Erlebten der Vierbeiner. Gleichwohl bleibt die Sorge, einem aggressiven Hund zu begegnen. Der Veterinär-Abteilung im Ordnungsamt sind in diesem Jahr bereits 21 Attacken von Hunden angezeigt worden, im Vorjahr waren es 28.

Bisher 10 Strafanzeigen

Eine gute Ausbildung ist nicht nur für Rottweiler wichtig. Mit der Schulung von Hunden sollte so früh wie möglich begonnen werden. 
Foto: Tanja Pickartz
Eine gute Ausbildung ist nicht nur für Rottweiler wichtig. Mit der Schulung von Hunden sollte so früh wie möglich begonnen werden. Foto: Tanja Pickartz © Tanja Pickartz / far

Zu den von den Veterinären erfassten sogenannten Beißvorfällen zählen die, bei denen Mensch oder Tier gebissen und verletzt wurden; laut amtlicher Tierärztin Carolin Richter zählen auch die Fälle mit, in denen ein Hund einen Menschen „bedrohlich angegangen ist”. In diesem Jahr sei eine Frau so schwer im Gesicht verletzt worden, dass sie stationär plastisch-chirurgisch habe behandelt werden müssen. Laut Polizei handelte es sich dabei um einen angeleinten Schäferhund, der unvermittelt hochgesprungen sei und der Frau in die Lippe gebissen habe.

Zehn Strafanzeigen sind in diesem Jahr bei der Polizei erstattet worden. Sprecher Thomas Hemmelmann sagte der WAZ, dass der angreifende Hund jedoch in jedem Fall angeleint gewesen sei, zudem sei kein Tier darunter gewesen, das im Landeshundegesetz als gefährlich eingestuft ist.

Beim Ordnungsamt sind 85 als gefährlich eingestufte Pittbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier und deren Kreuzungen gemeldet. Von den weiteren Rassen, für deren Haltung das Land strenge Auflagen macht, sind 104 in Mülheim gemeldet. Darunter sind 86 Rottweiler. So sind es offiziell 189 Hunde in Mülheim, die generell mit einer umfassenden Leinen- und Maulkorbpflicht zu belegen sind. Nach erfolgter Verhaltensprüfung sind laut Richter jedoch 35 Vierbeiner von Leinen- und/oder Maulkorbzwang befreit worden. Leinenzwang gilt aber grundsätzlich in Einkaufsbereichen, in Wohnbereichen, auf Plätzen, in Grünanlagen oder auf Spielplätzen. Im Kernbereich der MüGa sind Hunde grundsätzlich nicht geduldet, auf dem Auberg hat die Stadt ihre einzige ausgewiesene Hundewiese.

Halter müssen an Jagdinstinkt denken

Hunde, gleich welcher Rasse, dürfen den Waldweg nicht verlassen. Sie haben im Unterholz nichts zu suchen. Und sie dürfen auf gar keinen Fall jagen. Die Empfehlung, die Bernd Schalk von der Kreisjägerschaft Mülheim privaten Hundehaltern gibt, ist deshalb eindeutig: Hunde sollten im Wald grundsätzlich an der Leine geführt werden. „Der Jagdinstinkt steckt nun einmal in jedem Hund. Sobald er erst einmal eine Spur gewittert, eine Fährte aufgenommen hat, gibt es kein Halten mehr.” Bernd Schalk, der in einem Waldgebiet in der Nähe des Duisburger Zoos wohnt, erlebt die Missachtung dieser Empfehlung tagtäglich vor seiner Haustür. Halter, die ihren vierbeinigen Lieblingen hinterherpfeifen, -rufen, -schreien – und Hunde, die ihren ratlosen Herrchen und Frauchen „was husten”. Weil sie, wie es in der Jägersprache heißt, keinen „Appell” haben, nicht speziell ausgebildet worden sind.

An den angeborenen, je nach Rasse unterschiedlich ausgeprägten Jagdinstinkt sollten Züchter wie künftige Halter schon beim Kauf denken, meint Oliver Fuchs, der mit seiner Frau, der Tierpsychologin Susanne Zwillich-Fuchs, eine Hundeschule betreibt. Er findet es zum Beispiel unverantwortlich, einen „absoluten Jäger” wie den Beagle an Privat abzugeben. Das schon in der Zucht angelegte Sozialverhalten muss dann so früh wie möglich strukturiert und gestärkt werden. „Erst jagt ein junger Hund eine Ameise, dann eine Fliege, und alle finden das toll. Irgendwann hetzt er einem Vögelchen oder einem niedlichen Häschen nach, und dann soll er das auf einmal nicht. Ein Hund jagt und beißt nicht ohne Grund.”