Mülheim. . Der jüngst erstellte Lärmaktionsplan in Mülheim zeigt: Mehrere Tausend Menschen in der Stadt leben an Orten, an denen etwa der Verkehrslärm über den zulässigen Grenzwerten liegt. Aber auch Straßenbahn und Bahn-Verkehr sind für mehrere Hundert Anwohner in der Stadt eine große Belastung.

Mit einiger Verzögerung hat das Mülheimer Umweltamt nun einen Lärmaktionsplan erarbeitet, der zum Ziel hat, Tausenden von lärmgeplagten Bürgern mehr Ruhe zu verschaffen. Die Politik ist nun aufgefordert, den Plan durchzuwinken. Damit würden für die nahe Zukunft allein rund 13,4 Mio. Euro für Investitionen in lärmmindernden Straßenbau gebunden.

Die qua EU-Richtlinie verbindlich vorgeschriebene Lärmaktionsplanung hat dem Umweltamt in den vergangenen Jahren einige Arbeit gemacht. Es galt (freilich nur rechnerisch) zu untersuchen, an welchen Stellen in der Stadt ein Lärmpegel von maximal 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht überschritten wird – das sind die in der Richtlinie festgesetzten Lärmwerte, bei deren Überschreitung Gegenmaßnahmen zu ergreifen sind. Zu untersuchen hatte die Stadt Lärm durch Straßen-, Schienen- und Flugverkehr, auch eine Anzahl bestimmter Unternehmen, sogenannter IVU-Anlagen, war ins Visier zu nehmen. Letztlich eine Rolle in der konkreten Aktionsplanung spielen nur der Straßen- und Schienenverkehr.

So hat die Stadt für den Kfz-Verkehr festgestellt, dass rund 2600 Mülheimer in Wohnungen leben, vor deren Fenstern tagsüber Fassadenpegel von mehr als 70 db(A) auftreten. Nachts müssen sich gar rund 4600 Mülheimer mit Lärmpegeln herumschlagen, die den Auslösewert der EU-Richtlinie überschreiten. Ausgemacht sind 25 Straßenabschnitte, bei denen zu handeln ist. Die Stadt will dabei auf den Einbau von sogenanntem Flüsterasphalt setzen, sobald für die jeweiligen Straßenabschnitte eine Sanierung ansteht. Eingebaut werden soll ein lärmoptimierter Asphalt (LOA). Er soll laut Untersuchung des Tüv Rheinland dazu taugen, die Lärmbelastung vor Ort um hörbare 6 db(A) zu mindern. Insgesamt geht die Stadt von Kosten hierfür in Höhe von 7,22 Mio. Euro aus.

MVG soll Konzept erarbeiten

Ein weiteres Feld ist der Straßenbahnlärm. Zwar stellt die Stadt fest, dass sich der ausschließlich hiervon ausgelöste Lärmpegel tagsüber nirgendwo über den Lärmwerten der EU-Richtlinie bewegt. Doch allein durch die Verbindung mit dem Kfz-Lärm und durch die Tatsache, dass nachts rund 2300 Bürger mit zu hoher Lärmbelastung konfrontiert sind, erkennt die Stadt auch hier Handlungsbedarf. So soll die Politik der MVG nun in Auftrag geben, bis spätestens Ende Juni 2014 ein Konzept vorzulegen, wie bis 2017 möglichst umfassend und bis 2022 möglichst vollständig bislang noch gepflasterte Gleisbereiche zu ersetzen sind.

Eine dritte Großbaustelle hat die Stadt selbst nicht in der Hand: den Lärmschutz an Schienenstrecken der Deutschen Bahn. 870 Einwohner haben gemäß EU-Richtlinie aktuell tagsüber zu viel Lärm zu ertragen, nachts sind es 1750 Mülheimer, für die laut Lärmaktionsplanung Schutzmaßnahmen zu treffen sind. Sämtliche von der Stadt und vom Eisenbahnbundesamt ausgemachte Streckenabschnitte sind bei der Bahn AG bereits für Lärmschutzaktivitäten vorgemerkt, ein jeweiliger Zeitpunkt für eine Realisierung ist aber noch nicht festgezurrt. Laut Lärmaktionsplan soll die Stadt in dieser Sache bei der Bahn AG auf zügige Umsetzung drängen, insbesondere im Bereich der Hauskampstraße in Styrum.

Plan nicht geeignet für Belastung durch Industrielärm

Die Vorgaben zur Lärmaktionsplanung taugen nicht, um der Belastung durch Industrie- und Gewerbelärm beizukommen. Das lässt sich aus dem Entwurf des Lärmaktionsplans für Mülheim herauslesen.

Problem Nummer 1: In der Lärmaktionsplanung haben Städte nur so genannte IVU-Anlagen ins Visier zu nehmen. Unter IVU-Anlagen sind laut mehrfach getätigten Angaben des Mülheimer Umweltamtes Gewerbe- und Industriebetriebe zu verstehen, die besonders energieintensiv arbeiten und/oder Abfälle behandeln. Darunter, so heißt es, fielen aber etwa keine Anlagen wie die von Schrottverarbeitungsbetrieben.

Probleme mit Lärmberechnung

Genau die aber sind im Fokus aufgebrachter Bürger; insbesondere der Betrieb der Paul Jost GmbH an der Weseler Straße, wo Bürger seit Jahrzehnten nicht nur gegen die Umweltbelastung durch schwermetallhaltige Stäube kämpfen, sondern auch gegen den Lärm der großen Schrottschere. Aber Jost spielt in der Lärmaktionsplanung keine Rolle, der Betrieb gilt nicht als eine der besagten IVU-Anlagen, für die eine Lärmberechnung vorzunehmen war. Problem 2: Selbst wenn der schrottverarbeitende Betrieb von den NRW-Regelungen zur EU-Richtlinie erfasst wäre, hätte sich hier auf keinen Fall ein Lärmbrennpunkt errechnen lassen. Denn, so hat das Umweltamt der Politik schon wiederholt berichtet: Die Lärmbelastung wird berechnet auf Basis der Anlagegenehmigung. Da in dieser die zulässigen Lärmwerte ohnehin unter denen liegen, die laut EU-Richtlinie zwingend eine Lärmaktionsplanung auszulösen haben, würde rein gar nichts festzustellen sein.

Die Regelungen zur Lärmaktionsplanung seien auf dem Feld des Industrie- und Gewerbelärms, so sagen unverhohlen Mülheimer Fachleute, „nicht sonderlich zielführend“. Da sei der Lärm zu errechnen, der als IVU-Anlage von einem Klärschlammentsorgungsbetrieb ausgeht (nahezu null), andererseits blieben andere potenziell lärmintensiven Anlagen bei der Untersuchung außen vor. So heißt es: Etwaige Lärmprobleme durch die Schrottverarbeitung Jost kann der Lärmaktionsplan nicht lösen, da bleibt die Bezirksregierung als Überwachungsbehörde einzige Ansprechpartnerin der klagenden Bürger.