Mülheim. .

Seit mehr als zwei Jahren tobt ein Bürgerkrieg in Syrien, einem strategisch wichtigen Land, das eingekesselt zwischen Türkei, Irak, Jordanien, Israel und Libanon liegt. Mehr als 100.000 Menschenleben hat der Konflikt bereits gefordert, der sich nach einer Protestveranstaltung der Opposition im April 2011, dem sogenannten Karfreitags-Massaker, entwickelt hat.

Die zunächst friedliche Demonstration wurde blutig vom Assad-Regime niedergeschlagen, 72 Demonstranten kamen dabei ums Leben. Dr. Amin Deeb drückt die Situation in seinem Heimatland auf die Seele. Der Gynäkologe syrischer Herkunft lebt seit mehr als 30 Jahren in der Stadt am Fluss, ist mit einer Mülheimerin verheiratet und Vater zweier Töchter. Er macht sich große Sorgen um seine in Syrien lebenden Freunde und Angehörigen und versucht, mit ihnen den Kontakt zu halten, was in letzter Zeit nicht immer leicht sei.

Friedliebende Menschen

„Bis zum Ausbruch des Krieges habe ich jedes Jahr meinen Urlaub in der Heimat verbracht, nun ist mein letzter Besuch schon drei Jahre her“, bedauert Deeb. Seit dem Krieg sei ein Besuch zu gefährlich, und eine Auslandsreise seiner Schwestern unmöglich geworden, da die Botschaften in Damaskus geschlossen sind und die nächstgelegene Botschaft in Beirut ist.

„Ich bin voller Trauer und auch Wut, wenn ich an Syrien denke. Das schöne Land, reich an Kultur und Bildung, wird zerstört! Ich muss erleben, wie das Land und viele seiner Bewohner sterben.“ Syrer seien immer tolerante und friedliebende Menschen gewesen, Religionszugehörigkeit habe keine Rolle gespielt, so der Syrer christlichen Glaubens. Das Zentrum der Hauptstadt ­sei bislang von Angriffen weitestgehend verschont geblieben, die fänden hauptsächlich in umliegenden Ortschaften und in einem weiten Kreis um Damaskus statt. Das Leben gehe im Zentrum, oberflächlich gesehen, annähernd seinen gewohnten Gang. Trotzdem könne niemand sagen, ob er vom Brotkauf gesund nach Hause käme.

Ein komplexer Konflikt

So hofft Dr. Amin Deeb, dass es keine unbesonnenen Handlungen westlicher Staaten gebe. Ein Flächenbrand und ein lang anhaltender Konflikt seien dann nicht mehr auszuschließen. Politisch interessierten Deutschen könne er nur raten, sich umfassend zu informieren und nicht nur auf Informationen von Schlagzeilen zu vertrauen.

Der Krieg sei sehr komplex und seiner Meinung nach nur auf politischen Wege zu lösen. Die Opposition sei nicht homogen, bestehe aus unterschiedlichsten Gruppen und Kämpfern. Auch Al-Kaida Kämpfer seien darunter wie auch zahlreiche Söldner, die zum Teil von Saudi-Arabien ausgebildet und finanziert würden, weiß Dr. Amin Deeb zu berichten.

Gegen Einmischung des Westens

Dr. Amin Deeb äußert sich ganz klar gegen einen amerikanischen bzw. westlichen Militärschlag. Die amerikanische Politik verfolge seiner Meinung nach zwei Ziele im Nahen Osten: Erstens habe die israelische Sicherheit für die USA höchste Priorität. Daher sorge sie dafür, dass Israel die stärkste militärische Macht im Nahen Osten bleibe. Zweitens sei Syrien von großer strategischer Bedeutung für die Sicherung der westlichen Interessen. Demokratie und Freiheit bleiben dabei auf der Strecke – sie seien nicht von vorrangigem Interesse für die USA, glaubt Deeb.

Die USA drohe mit militärischen Interventionen, bevor die UN-Kontrolleure den Beweis für einen Giftgasanschlag erbracht hätten. Bereits der Irak-Krieg sei aufgrund falscher Informationen und Aussagen geführt worden, das drohe sich in diesem Fall zu wiederholen. Er sehe die Ursache für die Interventionspläne eher darin, dass das Kräfteverhältnis innerhalb der Auseinandersetzung sich momentan zugunsten des Regimes verschoben habe. Dieses behaupte sich mehr und mehr und ein Sieg der oppositionellen Kämpfer sei nicht in Sicht. So meine der Westen, das syrische Regime schwächen zu müssen, denn es stelle eine Bedrohung für Israel dar.

In Mülheim leben aktuell 164 Menschen syrischer Herkunft, davon sind 35 Menschen als politisch Verfolgte anerkannt, bei 13 Syrern läuft das Anerkennungsverfahren noch.