Mülheim. .
Leitbild? Ach ja, schon länger her. Da gab es all die Diskussionen der Bürger in den Stadtteilen, wo sie Stärken und Schwächen gesammelt hatten und am Ende Anregungen und Wünsche für ihre Umgebung formuliert hatten. Wünsche zum Sport, zum Nahverkehr, zu kulturellen und schulischen Angeboten, Anregungen für die Freizeit, die Stadtentwicklung im Viertel. Auf 147 Seiten wurde das Werk der Bürger zusammengefasst und soll in den nächsten Jahren eine Art roter Faden für die Politik sein. Ein Leitbild. Seit fast einem halben Jahr liegt der Papierberg vor der Politik, die müsste ihren Segen dazu geben. Es ist die CDU, die sich damit schwer tut.
In politischen Kreisen und auch innerhalb der Wirtschaft, die dieses Projekt stark gefördert hat, gerät die Union massiv in die Kritik. Auf einer internen Sitzung sollen, wie die WAZ erfuhr, deutliche Worte Richtung Union gefallen sein, die sich nun dem Vorwurf ausgesetzt sieht, Verhinderer einer Bürger-Politik zu sein. „Die CDU hat den Leitbild-Prozess bis heute nicht verstanden“, beklagt der Projektleiter Frank Mendack aus der Stadtkanzlei. „Es geht hier ausschließlich um den Bürgerwillen und nicht um das, was Politiker wollen.“ Und der Sprecher der Mülheimer Wirtschaft, Hanns-Peter Windfeder, appelliert an die Union: „Das ist kein Bauplan, der exakt eingehalten werden muss, sondern eine Orientierungshilfe.“ Weitere Verzögerungen möchte er nicht hinnehmen, um den gesamten Prozess nicht zu gefährden.
Für parlamentarische Mehrheit reicht es
Alle anderen Fraktionen haben längst signalisiert, dass sie dem Bürger-Papier zustimmen, für eine parlamentarische Mehrheit reicht es allemal. Doch Prof. Ursula Funke, die den Leitbild-Prozess moderiert hatte, hatte auch stets gefordert, dass am Ende in den Städten das Leitbild der Bürger von einer ganz breiten politischen Mehrheit getragen werden müsse. Ist diese anderswo, aber nicht in Mülheim machbar?
„Wir werden“, erklärt der CDU-Fraktionschef Wolfgang Michels, „im Rat letztlich zustimmen.“ Allerdings mit Bauchschmerzen. Die CDU hat schlicht Fragen zu dem Leitbild, will mögliche Widersprüche aufklären. Sie hatte kritische Fragen gestellt, und sei, so Michels, damit sehr unerwünscht gewesen. „Ich glaube, wir sind die einzige Fraktion, die sich ernsthaft über den Prozess Gedanken gemacht hat“, sagt Michels und betont zugleich: „Wir haben nichts gegen die Ideen und Anregungen der Bürger.“
Zum Leitbild gehört übergeordnetes Ziel
Warum dann der Streit? Zu einem Leitbild gehört für die Union ein übergeordnetes Ziel wie etwa: Familienfreundlichkeit. Wohin will die Stadt? Was soll sie sein? Davon müssten Teilziele sich ableiten, davon wiederum Projekte. Nichts von dem gebe es. „Da fragen wir uns, über was sollen wir eigentlich abstimmen?“