Mülheim. .
Es war eine überraschte, spontane Aussage, aber diese Begegnung fasst für Beate Reese viele Gegenargumente gut zusammen. Von zwei Damen berichtet die Leiterin des Mülheimer Kunstmuseums und wie die staunten: „Wir wussten gar nicht, dass die Bilder von Dali so klein sind.“
Bisher hatten sie die Arbeiten nur im Internet gesehen, wo die Bildgröße vom Gutdünken des Webmasters abhängt, wo teils nur Ausschnitte abgebildet sind, wo aus einem Gemälde ein Bild wird, dessen Farben je nach Monitor variabel sind. Dass Beate Reese da auf das Original schwört, ist nicht verwunderlich. Und dennoch beeinflusst das Internet die Rezeption von Kunst erheblich.
"Gute Kunst nicht nur dekorativ"
Im Internet ist Tempo drin. Nachrichten sind im digitalen Zeitalter teils schon nach Stunden von gestern, elektronische Post erreicht den Empfänger in Sekunden, schnelle Fragen bedürfen schneller Antworten. Diese Mentalität sieht Ricarda Fox auch immer häufiger bei Besuchern ihrer Galerie an der Liverpoolstraße: „Das Bildungsbürgertum bricht weg und damit auch das Verständnis, dass gute Kunst nicht nur dekorativ ist.“
Die Lust auf Kunst, die sich nicht auf den ersten Blick erschließt, die vielleicht nicht schön anzusehen ist, schwindet ihrem Empfinden nach. Alles, was man sich erarbeiten muss, ist zu aufwendig, zu langwierig. Auch im Kunstmarkt selbst, so Ricarda Fox, sei mehr Geschwindigkeit: „Die Funktion der Galerie ist, den Künstler zu betreuen und zu vertreten. Das wird schwieriger, weil alles sehr schnell gehen und übers Internet machbar sein muss.“
Das Original behält seine Anziehungskraft
Allerdings eröffnet das auch Märkte. Käufer informieren sich online und bestellen Kunst im Internet. Auch Künstler selbst spüren das. Uwe Dieter Bleil entdeckt in dem Medium aber auch Widersprüche: So sei zwar „jeder versucht, sich eine Internetseite aufzubauen, die ansprechend ist“, damit man auch bei Google wer ist. Andererseits „haben große Künstler gar keine eigene Seite“. Und obwohl alles schnell, schnell gehen muss, „nehmen sich die Leute noch die Zeit ins Museum zu gehen“. Das Original, ist er sicher, behält seine Anziehungskraft.
Darauf hofft auch Beate Reese, sieht in der Masse des Massenmediums aber ein Problem. Denn wer beispielsweise den bereits erwähnten Salvador Dali sucht, erhält in 0,31 Sekunden Suchzeit nicht nur über 27 Mio. Webseiten-Ergebnisse, sondern auch 15 Seiten mit Bildern. „Kunst“, sagt Beate Reese, „wird inflationär. Und das Original wird entwertet.“
Internet gute Einstiegsmöglichkeit
Sie sieht im Internet eine gute Möglichkeit zum Einstieg, zum Erstkontakt. „Es gibt vielleicht ein Gerüst, aber es ersetzt nicht die Beschäftigung mit einem Werk, mit einem Thema.“ Denn viele Menschen verwechseln ihrer Ansicht nach „Information mit Wissen“. Aber was weiß man tatsächlich nach der Lektüre einer Wikipedia-Seite? „Das sind Daten, um in die Auseinandersetzung einzusteigen und sich tatsächliches Wissen anzueignen.“
Das Mülheimer Kunstmuseum reagiert auf die Entwicklung unter anderem mit mehr niedrigschwelligen Angeboten (siehe Zweittext). Das Team will den Besuchern dabei helfen, sich Kunst zu erschließen und sie im Kontext zu sehen. Schließlich, sagt Beate Reese, „steht kein Bild allein im Raum“. Wer richtig hinschaut, kann Überraschungen erleben: „Wir sind alle an den flachen Bildschirm gewöhnt, wo alles in diesen Rahmen gesperrt ist und eine geglättete Oberfläche hat.“ Doch gute Kunst darf eben auch mal aus dem Rahmen fallen.