Mülheim.

Unterwegs sein. Mit Freunden ausgehen, Spaß haben. Das ist für junge Frauen wie die 21-jährige Naya Spanke eigentlich ganz normal. Die angehende Kauffrau für Bürokommunikation geht gerne aus, auch wenn sie im Rollstuhl sitzt. Oft leichter gesagt, als getan.

Denn die Probleme fangen schon an der Straßenbahnhaltestelle an. „Ich habe hier schon mal eine Stunde gewartet, bis eine Bahn kam, in die ich auch einsteigen konnte“, erinnert sich Naya. Sie wohnt am Uhlenhorstweg. Die Haltestelle der Linie 102 liegt praktisch vor ihrer Haustür. Doch wenn die Mülheimer Verkehrsgesellschaft (MVG) keine Niederflurbahn in den Uhlenhorst schickt, muss Naya warten oder ihren Freund bemühen, der sie in die Bahn hievt, oder ein Taxi nehmen oder ihre Eltern bitten, sie in die Stadt zu fahren.

„Manchmal helfen mir auch die Straßenbahnfahrer, aber nicht immer“, berichtet Naya. MVG-Sprecher Nils Hoffmann kennt das Problem. „Wir bemühen uns, dass auf der Linie 102 jeder Hochflurbahn eine Niederflurbahn folgt, aber wir können das derzeit nicht garantieren“, sagt Hoffmann. Getriebeschäden sorgten dafür, dass Anfang des Jahres fünf von zehn Niederflurbahnen der MVG reparaturbedingt ausfielen. Momentan sind noch zwei in der Werkstatt. Hinzu kommt, dass acht der zehn Niederflurbahnen auf der haltestellentechnisch entsprechend ausgebauten Linie zwischen Mülheim, Styrum und Oberhausen eingesetzt werden.

Fünf Niederflurbahnen geordert

Das hilft Naya nicht wirklich, wenn sie auf der Strecke zwischen Uhlenhorst, Stadtmitte und Oberdümpten vorankommen möchte. „Und Taxifahren geht auf die Dauer ja auch ganz schön ins Geld“, betont die Ausbildende. Sie verweist darauf, dass auch viele alte Menschen mit Rollator oder Eltern mit Kinderwagen auf barrierefreie Niederflurbahnen angewiesen seien. Der MVG-Sprecher gibt ihr Recht und sagt: „Wir sind dabei, unser Straßenbahnnetz barrierefrei auszubauen und Niederflurbahnen einzukaufen.“ Gerade erst, so Hoffmann, habe die MVG fünf neue Niederflurbahnen für jeweils 2,5 Millionen Euro geordert. Die sollen aber erst 2014 einsatzbereit sein und die Linie 102 zu 100 Prozent barrierefrei machen.

Naya muss also noch länger warten und noch mehr Geld für Taxifahrten ausgeben, zumal sie im Uhlenhorst auch kein Bus-Alternative nutzen kann.

Glück im Unglück: Naya ist noch so beweglich, dass sie kein Rollstuhltaxi braucht, sondern in ein normales Taxi einsteigen kann. Denn Rollstuhltaxis sind in Mülheim, wie Hans Rainer Glahn von der Taxizentrale Call Cars bestätigt, eine Rarität und nur nach Terminvereinbarung zu bekommen.

Barrierefreie Toiletten sind die Ausnahme 

Doch wenn Naya dann im Restaurant oder Café ihrer Wahl angekommen ist, erlebt sie immer wieder eine böse Überraschung, sobald sie zur Toilette muss. „Die WCs sind oft im Keller oder im Obergeschoss“, ärgert sich Naya. Zwar weiß die Rollstuhlfahrerin, dass es zum Beispiel im Medienhaus, im Rathaus und im Forum öffentliche und barrierefreie Toiletten gibt. Doch die sind in der Regel nach 20 Uhr geschlossen und helfen ihr auch nicht, wenn sie abends im Lokal sitzt und mal muss.

Der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft der Behindertenverbände (AGB), Alfred Beyer stimmt Naya zu, wenn er sagt: „Das Angebot an barrierefreien und rollstuhlgerechten öffentlichen Toiletten ist in Mülheim total bescheiden, obwohl es mal eine Toilettenkonferenz gab, die aber nur einmal stattfand und dann nie wieder.“

Ein Lichtblick ist für Naya zum Beispiel das Franky’s im Wasserbahnhof. Das hat zwar keinen Aufzug, dafür aber seit 20 Jahren im Erdgeschoss eine rollstuhlgerechte Toilette. Franky’s-Mitinhaber Richard Reichenbach ermutigt denn auch den Gesetzgeber „zu strengeren Auflagen“ – im Sinne der Menschen mit Behinderung.

Umbau scheitert oft aus finanziellen Gründen

„Das Problem wird von den Gastronomen sehr wohl gesehen, aber ein barrierefreier Umbau scheitert oft an der alten Bausubstanz oder auch aus finanziellen Gründen“, weiß der Sprecher des örtlichen Hotel- und Gaststättenverbandes, Jörg Thon. Er selbst hatte das Glück, beim Umbau seiner Gaststätte im Ratskeller mit dem neuen Rathauseigentümer SWB einen finanzstarken Vermieter zu haben.

Der ermöglichte es ihm, seine Toilettenanlage barrierefrei und rollstuhlgerecht umzubauen und die alte Lieferantenrampe im Innenhof so zu erneuern, dass vor allem die steigende Zahl der Gäste, die mit einem Rollator oder einem Rollstuhl ins Restaurant kommen wollen, dies jetzt auch tun können. Sie können die alten Stufen, die in den historischen Ratskeller führen, getrost umgehen oder umfahren und je nach Bedarf links oder rechts liegen lassen.