Holthausen. .

Es war schwere, zeitweise zermürbende Arbeit, doch das Ergebnis kann sich sehen lassen. Mit rund zwei Jahren Verspätung feierte das neue Haus Kuhlendahl am Freitag offiziell Eröffnung.

Vor dem Festakt gab es ein Sommerfest im frisch angelegten, jung begrünten Garten, und Gelegenheit, sich das Innenleben des Heimes anzusehen, das zu den drei städtischen Einrichtungen der Mülheimer Seniorendienste gehört. Gleich im Parterre: ein ganz der Wellness gewidmetes Badezimmer mit Sauna. „Es wird gut angenommen“, sagt Anja Weber, die das Haus erst seit Anfang August führt.

Auf drei Etagen leben hier 83 alte Menschen. Ein einziger Platz ist frei, wird aber in Kürze besetzt. Es gebe eine Warteliste, heißt es. Praktisch, aber geschmackvoll gestaltet sind die Räume, fast ausschließlich Einzelzimmer sind nun zu haben. Zwei Doppelzimmer und zwei Appartements stehen Paaren zur Verfügung. Insgesamt sechs Wohngruppen mit gemeinsamer Küche sollen für Gemeinschaftsgefühl sorgen.

Sie sind nach prägnanten Punkten in Mülheim bekannt, heißen „Altstadt“, „Uhlenhorst“ oder „Wasserbahnhof“. Die breiten Flure sind passend mit großformatigen Fotos bebildert: „Sie sollen zum Verweilen einladen und zur Erinnerung“, erklärt Heinz Rinas, Geschäftsführer der Mülheimer Seniorendienste. Dass im Durchschnitt ein Drittel der Bewohner von Seniorenheimen an Demenz leidet, musste beim Neubau und der Neukonzeption natürlich berücksichtigt werden. Wer genau hinschaut, sieht es schon draußen vor dem Eingang.

„Haltestelle Kuhlendahl“

Hier steht, auf einem gelb umrahmten Schild am gleichfarbigen Mast: „Haltestelle Kuhlendahl“. Unter dem Dach eines Wartehäuschens kann man Platz nehmen. Bloß: Kein Bus wird hier stoppen, auf der Terrasse. Die Haltestelle sei ein Geschenk aus alten Beständen, erklärt MVG-Sprecher Olaf Frei. Ähnlich, wie beispielsweise im Essener Alfried-Krupp-Heim, soll sie Demenzpatienten als Orientierungspunkt dienen. Als könnten sie von hier, wie früher, per Bus in die Stadt fahren. Von einem „hohen Beruhigungs- und Erinnerungswert“ spricht Rinas. „Wir wollen die alten Leute hier ja nicht einsperren oder mit Medikamenten ruhig stellen.“

Bauarbeiten waren ein Desaster

So, wie es jetzt ist, sollte Haus Kuhlendahl eigentlich schon im Herbst 2010 aussehen. Doch die Bauarbeiten, an denen etliche Fachfirmen und ein mit der Leitung beauftragtes Ingenieurbüro mitwirkten, waren zeitweise ein Desaster. Es gab Mängel und Pannen. So warf ein folgenschwerer Wasserschaden am Dach das Vorhaben weit zurück und trieb die Kosten, ursprünglich mit rund neun Millionen Euro kalkuliert, in die Höhe. Bis heute scheint die Lage undurchsichtig, was auch am Verhalten des ehemaligen Geschäftsführers der Mülheimer Sozialholding liegt: Stefan Mühlenbeck, früher für das Bauprojekt verantwortlich, Mitte 2011 vom Chefposten entbunden, soll wichtige Daten von der Festplatte seines Dienst-Laptops gelöscht haben.

Die Sozialholding stellte im Dezember 2011 Strafantrag gegen ihn, wegen Datenunterdrückung: „Die Staatsanwaltschaft ermittelt immer noch“, erklärte nun der Chef der städtischen Beteiligungsholding, Hendrik Dönnebrink. Man sei „unzufrieden“, bemühe sich weiterhin um Aufklärung des Sachverhaltes. Sagen kann Dönnebrink jetzt schon: „Da kamen Pech und Unvermögen zusammen.“

Lieber schaut man nach vorne. Und muss es auch. Heinz Rinas, der für die defizitären städtischen Seniorenheime ein umfangreiches Sanierungskonzept entwickelt hat, will zunächst am Standort in Holthausen ein „Quartiersmanagement“ realisieren, für das er jedoch Partner braucht. So könnten im Altbau am Kuhlendahl durch die MWB Seniorenwohnungen eingerichtet werden, auf dem Gelände zugleich ein Kindergarten entstehen. Am kommenden Mittwoch soll der Aufsichtsrat der Mülheimer Seniorendienste darüber beraten, das Stadtparlament im Herbst.

Fachkräfte muss man finden - und pflegen 

Mangel an Pflegekräften: für die Mülheimer Seniorendienste ein Problem, das man offensiv angeht.

Vor rund einem Jahr machte das Projekt „Examina“ Furore, ein neuartiges Qualifizierungsmodell für Fachkräfte aus Rumänien. Gewerkschaften kritisierten anfangs, dass in ihrer Heimat ausgebildete Krankenpfleger/-innen hierzulande als Praktikanten begannen und bezahlt wurden. Mittlerweile haben sich die Wogen geglättet: 12 Frauen und Männer aus dem Programm arbeiten seit Mai fest in den Mülheimer Einrichtungen, mit einem anerkannten Abschluss zu tariflichen Bedingungen. Die nächsten 20 sind bereits in der Qualifizierung.

Zugleich erhöhen die Seniorendienste die Zahl ihrer Ausbildungsplätze stetig. Im Vorjahr waren es insgesamt 22 Azubis, derzeit sind es schon 26, „und Mitte 2013 werden wir etwa 35 haben“, kündigt Geschäftsführer Heinz Rinas an.

„Bedarf an Fachpersonal besteht immer“

Ein Dauerbrenner, jederzeit aktuell, sind Stellenausschreibungen. Im Internet (www.mh-seniorendienste.de) findet man sie ständig, vor allem für den Pflegebereich, vom 400-Euro- bis zum Vollzeitjob. „Bedarf an Fachpersonal besteht immer“, sagt Rinas, und verweist auf den enorm hohen Altersschnitt seiner Leute: 56 Jahre.

Um die Mitarbeiter bei Laune und vor allem bei Kräften zu halten, haben die Mülheimer Seniorendienste ein kostenloses Trainingsprogramm aufgelegt. Schwerpunkt: Rückenschule und Kraft. Es darf während der Arbeitszeit betrieben werden. Aus Rinas‘ Sicht hat diese Gesundheitsförderung dazu beigetragen, den Krankenstand deutlich zu drücken: „Wir hatten zeitweise 23,7 Prozent, jetzt sind wir bei 13,2.“