Mülheim. .
Bei den Diskussionen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden die besonderen Bedürfnisse von Ein-Eltern-Familien selten gesondert berücksichtigt. Um Alleinerziehende künftig besser unterstützen, ihre Lebensbedingungen verbessern sowie Netzwerke schaffen zu können, war es erst einmal nötig, die Situation allein erziehender Männer und Frauen zu analysieren. Die Ergebnisse für die Stadt Mülheim liegen jetzt vor.
Eine Zahl, die nachdenklich macht: In Mülheim leben über die Hälfte der Alleinerziehenden (56,5%) von Leistungen nach SGB II (Hartz IV) – das ist weitaus mehr als der bundesdeutsche Trend, der bei 42% liegt. Insgesamt sind in der MEO-Region die Alleinerziehenden stark von relativer Armut betroffen: Jede/r Dritte muss von unter 1100 € netto leben, finanziell geht es Alleinerziehenden häufiger schlechter als Paaren mit Kindern.
Die richtigen Schlüsse ziehen
Die Analyse, wofür statistische Daten (aus 2010) und (nicht repräsentative) Interviews verwendet wurden, ist ein Projekt innerhalb des Bundesprogramms „Netzwerke wirksamer Hilfen für Alleinerziehende“. Die NRW Regionalagentur MEO e.V. hat die Daten für die Städte der MEO-Region – Mülheim, Essen, Oberhausen – ausgewertet. Dahinter steckt eine Zusammenarbeit der Gleichstellungsstellen, der Arbeitsagenturen, Jobcenter, Sozialagentur, Bildungsträger, Verband alleinerziehender Mütter und Väter und vieler anderer. Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld war es wichtig, die Analyse persönlich entgegenzunehmen. „Es kommt darauf an, daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen“, betonte Dagmar Mühlenfeld.
Alleinerziehende sind überwiegend weiblich – in Mülheim 91,2% – und stemmen das Problem der Versorgung, Betreuung, Erziehung ihrer Kinder ohne Partner. Doch ansonsten, betonte Beatrix Holzer, Autorin der Analyse, seien Alleinerziehende eine „sehr heterogene Gruppe“. Es gebe unterschiedliche Bildungs- und Berufsabschlüsse, und ob sie nun erwerbstätig sind oder nicht, das variiere. Doch eins ist bei allen gleich: „Der Dreh- und Angelpunkt sind die Kinderbetreuungseinrichtungen.“
3200 Alleinerziehende leben in Mülheim
Diese Analyse liegt vor den Aktionen, mit denen später ausgewählte Maßnahmen gestartet werden sollen, um die Lebenssituation von Ein-Eltern-Familien zu verbessern, mehr Möglichkeiten zu schaffen, Alleinerziehende in den Job zu bekommen, dort zu halten oder den Wiedereinstieg zu erleichtern. Vorgesehen ist vorerst eine Imagekampagne, eine Plakataktion im Juli/August in der MEO-Region, bei der einige Alleinerziehende – darunter zwei aus Mülheim – vorgestellt werden. „Als potenzielle Fachkräfte, nicht als Problemgruppe“, betont Beatrix Holzer.
Der Sozialwissenschaftlerin ist das wichtig, denn allein in Mülheim leben 3200 Alleinerziehende mit insgesamt 5000 Kindern. Jeder fünfte Mülheimer Haushalt (mit Kindern) gehöre dazu: „Es ist eine feste Familienform, gehört zur Stadtgesellschaft.“ Das sieht die Oberbürgermeisterin ebenso: „Es ist eine Lebensform, die man nicht von vornherein mit einem negativen Etikett belegen darf.“
Flyer soll Unternehmen informieren
In einem weiteren Schritt soll ein Flyer entstehen, um Unternehmen, Arbeitgeber in der MEO-Region über mehr Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu informieren. Fachkräfte werden rar werden, einerseits, und die Familienform Ein-Eltern-Familie hat eine steigende Tendenz, andererseits. So könnte etwa eine Ausbildung in Teilzeit für junge, alleinerziehende Mütter oder Väter eine berufliche Perspektive schaffen. Auch gibt es bisher keine zentrale Anlaufstelle für Alleinerziehende.
Während in Oberhausen ein runder Tisch zum Schwerpunkt Alleinerziehende gegründet wurde, soll das Thema in Mülheim nach den Ferien in die politische Beratung einfließen, kündigte Gleichstellungsbeauftragte Antje Buck an. Angehende Erzieherinnen am Berufskolleg Mitte sollen jährlich eine Unterrichtseinheit zum Thema Ein-Eltern-Familien erhalten; die erste hat schon stattgefunden.