Mülheim..

Vom dritten Geburtstag bis zum Schulstart steht jedem Kind per Gesetz ein Kita-Platz zu. Doch dieses Jahr wird es in den Mülheimer Einrichtungen besonders eng. Ohne Überbelegungen geht es wohl nicht.

4051 kleine Mädchen und Jungen müssen nach den Sommerferien neu untergebracht werden, „doch zurzeit können wir nur 3879 Plätze anbieten“, sagt Bernd Rose, Jugendhilfeplaner der Stadt. Dabei hat er schon alle Einrichtungen im Blick, von denen etwa die eine Hälfte städtisch, die andere Hälfte in freier, meist kirchlicher Trägerschaft ist.

Es fehlen rund 180 Plätze – ein Kraftakt. „Bisher haben wir es immer hinbekommen“, sagt Rose, „aber diesmal sieht die Prognose nicht so toll aus.“

Viele Kinder bleiben länger in der Kita

Woran es liegt, erläutert Lydia Schallwig, stellvertretende Leiterin des Amtes für Kinder, Jugend und Schule. Zwei Dinge treffen ungünstig zusammen: Das Schulrecht wurde erneut geändert, der Stichtag für die Einschulung nach vorne geschoben, so dass viele Kinder länger in der Kita bleiben. „Zeitgleich muss die U3-Betreuung ausgebaut werden“, so Schallwig, „es ist daher eng, und wir werden in einigen Einrichtungen überbelegen müssen.“ Um einige Prozent, was laut Kibiz in Ausnahmesituationen möglich sei. Nur so glaubt Schallwig den Rechtsanspruch in allen Fällen erfüllen zu können. „Bis Mai, lautet unser Ziel.“

Das Verfahren ist in vollem Gange. Die meisten Eltern melden ihre Sprösslinge in mehreren Kitas an, was die Stadt auch empfiehlt, die Angelegenheit aber kompliziert macht. Denn jede Einrichtung entscheidet für sich in jedem einzelnen Fall. „Zusagen und Absagen wurden verschickt“, erklärt Lydia Schallwig. Wer bislang leer ausging, wendet sich hilfesuchend an ihr Amt.

Verteilkämpfe, Frust bleiben da nicht immer aus. Ein Beispiel: Eine erboste Oma, Frau M., stürmt in die WAZ-Redaktion und beschwert sich bitter über die „Bärenhöhle“, eine städtische Kita in Broich. Hier sei ihr knapp dreijähriger Enkel, obwohl er in der selben Straße wohne, abgelehnt worden. „Sie sagten, er passt nicht in die Gruppe, weil er persischer Herkunft ist.“ Der nunmehr zugeteilte Platz in Styrum sei unzumutbar: „Meine Schwiegertochter hat kein Auto.“ Die Großmutter kann sich kaum beruhigen, will aber erneut vorsprechen.

Zu wenig freie Plätze

In der „Bärenhöhle“ reagiert man angesichts dieser Darstellung fassungslos. Die stellvertretende Leiterin verweist auf den hohen Ausländeranteil: „Wir sind offen und profitieren auch von verschiedenen Kulturen.“ Die Absage habe ganz andere Gründe: „Wir müssen eine bestimmte Altersstruktur einhalten.“ Und in der Gruppe, um die es konkret geht, hätten derzeit „Kleinstkinder“ den Vorrang.

Die Vergabekriterien, das gilt nicht nur in Broich, werden für die einzelne Einrichtungen unter Mitwirkung u.a. der Eltern jährlich festgelegt: Es gibt ein Punktesystem, mit Vorteilen u.a. für Geschwisterkinder, Alleinerziehende, Familien aus dem nahen Einzugsgebiet. „Wir hatten diesmal um die 20 Anmeldungen“, heißt es in der „Bärenhöhle“, „aber nur zehn freie Plätze zu vergeben.“

Bei den konfessionellen Einrichtungen tritt noch ein weiteres Kriterium hinzu: „Natürlich haben katholische Kinder Vorrang“, erklärt Kristina Kähler, Sprecherin des Kita-Zweckverbands im Bistum Essen. Sie belegten im Schnitt 50 Prozent der Plätze, „aber wir haben keine feste Quote“. Weil auch jeder Kindergarten für sich entscheide.

"Wir können keine Plätze zaubern"

Martina Kiworra leitet das katholische Familienzentrum St. Mariae Rosenkranz in Styrum – einem Stadtteil, in dem es insgesamt neun Kitas verschiedener Träger gibt. Sie berichtet von einem Abstimmungsgespräch mit den Leitungen aller Einrichtungen bereits im Januar: „Wir wollten jeder Familie im Stadtteil einen Platz anbieten, aber das ist uns nicht ganz gelungen, denn Styrum ist sehr kinderreich.“ Also werden allerorten Wartelisten geführt.

„Die Abstimmung im Stadtteil klappt gut. Aber wir können keine Plätze zaubern.“

Nach dem neuen Kinderbildungsgesetz (Kibiz) für NRW bestimmt der „Rat der Kindertageseinrichtung“ über die Aufnahme-Kriterien jeder einzelnen Kita. Ihm gehören – neben Vertreter(innen) des Kindergartenträgers und des Personals – auch Mitglieder des Elternbeirates an. Die Kriterien können durch Beschluss dieses Gremiums auch geändert werden.