Mülheim. . Auch in Zukunft wird Mülheim nicht vom NRW-Stärkungspakt profitieren können. Im Gegenteil: Die Stadt wird auf Millionen verzichten müssen, damit andere Städte gesunden können. Ein herber Rückschlag für die Stadtverwaltung. Diese lässt nun rechtliche Schritte gegen die Landesregierung prüfen.

Die Überraschung gestern Mittag war zwar nicht groß, gleichwohl die Enttäuschung: Die Stadt wird weiter ohne Millionenhilfen des Landes das schier unbeherrschbare Unterfangen angehen müssen, Einnahmen und Ausgaben im Haushalt in die Waage zu bekommen. Erwartungsgemäß wird Mülheim auch in der zweiten Stufe des NRW-Stärkungspaktes Stadtfinanzen nicht profitieren. Schlimmer noch: Die Stadt wird auf Millionen verzichten müssen, damit andere Städte und Gemeinden gesunden können.

„Mülheim wird zurückgelassen und für uns droht die Perspektivlosigkeit“, reagierte gestern Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld auf den ablehnenden Bescheid aus Düsseldorf. Die Stadt werde nun gar prüfen, ob sie rechtlich gegen die Entscheidung des Innenministeriums vorgehen wird.

Abermillionen Euro an Landeshilfen

Mülheim gehen durch die Nichtaufnahme in die zweite Stufe des Stärkungspaktes Abermillionen Euro an Landeshilfen zur Entschuldung durch die Lappen. Für dieses Jahr hatte die Kämmerei mit 8,5 Mio. Euro gerechnet, 2013 mit 15,1 Mio. Euro und für die Jahre 2014 bis 2018 mit weiteren 46 Mio. Euro – jährlich. Summa summarum hätte dies alleine eine Stütze für den hoch defizitären Haushalt von 253,6 Mio. Euro ergeben.

Damit nicht genug: Weil ein Teil des Stärkungspaktes auch aus Mitteln des Gemeindefinanzierungsgesetzes gedeckt wird, wird Mülheim zudem noch Einbußen bei den Schlüsselzuweisungen des Landes hinnehmen müssen. Kalkuliert ist bis zum Jahr 2018 ein Minus in der Stadtkasse in Höhe von 28,1 Mio. Euro. Alles in allem kostet es Mülheim folglich mindestens rund 272 Mio. Euro, nicht am Stärkungspakt teilnehmen zu können.

Nicht einverstanden

Mülheims Stadtspitze ist ganz und gar nicht einverstanden mit den Zugangskriterien für den Stärkungspakt, den die Landesregierung pikanterweise unter der Führung einer SPD-Ministerpräsidentin aus Mülheim festgelegt hat. So profitieren in der zweiten Stufe nur Städte, die auf Basis ihrer 2010er-Haushaltsdaten bis 2016 eine bilanzielle Überschuldung errechnen können, heißt: wo die Schulden das Vermögen übersteigen.

Hier sieht sich Mülheim benachteiligt, weil sie ihr Vermögen in der Eröffnungsbilanz 2007 mitunter deutlich höher ausweisen musste als Städte, die erst später eine Eröffnungsbilanz für das Neue Kommunale Finanzmanagement aufgestellt haben. Besonders stark macht sich der Effekt bei der Bewertung des üppigen RWE-Aktienpaketes bemerkbar.

Aufstockung der Hilfsmittel gefordert

In diesem Zusammenhang verweist die Stadt darauf, dass seinerzeit auch Gutachter dem Land empfohlen hatten, das jährliche Finanzierungsdefizit als Zugangskriterium zu wählen, weil dieses am besten abbilde, wo der Schuh aufgrund einer strukturellen Unterfinanzierung besonders drücke. So sieht es laut diesem Kriterium in Mülheim düster aus. Nach Daten des Statistischen Landesamtes „IT.NRW“ gab es zuletzt landesweit nur vier Städte, die pro Bürger gerechnet mehr Kredite zur Liquiditätssicherung aufgenommen haben als Mülheim. Und nirgends im Land ist das Volumen dieser Kassenkredite von 2010 auf 2011 stärker angewachsen als in Mülheim.

So kommt Kämmerer Uwe Bonan zum Schluss, dass die aktuelle Verteilung der Landeshilfen nicht der tatsächlichen finanziellen Lage einer notleidenden Kommune folgt. „Auf diesen Schiefstand haben unter anderem der Städtetag und das Aktionsbündnis immer wieder hingewiesen.“ Das Land lasse auf diese Weise neben Mülheim „mehr als 50 % der notleidenden Kommunen auf der Intensivstation liegen“, so Mühlenfeld. „Für diese Kommunen wird nun die Vergeblichkeitsfalle zementiert.“ Die OB fordert wie der Städtetag, in dessen Präsidium sie sitzt, eine Aufstockung der Hilfsmittel.