Mülheim.
Mülheims Kämmerer Uwe Bonan plagt nun auch noch ein Problem der perversen Art: Ihm muss es gelingen, die rechnerische Pleite der Stadt im Jahr 2016 darzustellen. Gelingt es ihm nicht, ist für Mülheim eine dreistellige Millionensumme verloren. Die Teilnahmebedingungen für den Stärkungspakt Stadtfinanzen, mit dem das Land besonders klammen Kommunen helfen will, sind Bonan ein Graus.
Wie berichtet, hat das Land in einer ersten Stufe des Stärkungspaktes erstmals Ende vergangenen Jahres 350 Mio Euro an 34 NRW-Kommunen überwiesen, die gemäß Bilanzkriterium akut von einer Überschuldung betroffen sind, heißt: deren Schulden den städtischen Vermögensbestand übersteigen. In einer zweiten Stufe sollen Kommunen profitieren, die auf Basis der Haushaltsdaten 2010 mit einer Überschuldung bis 2016 rechnen müssen.
Überschuldung droht "erst" 2018
Für teilnehmende Kommunen sind in der zweiten Stufe des Stärkungspaktes Mittel in Höhe von 65 Mio Euro in 2012, 115 Mio Euro in 2013 und jährlich 310 Mio Euro ab 2014 vorgesehen. Insgesamt 2,35 Mrd Euro hierfür werden aus dem Topf der Schlüsselzuweisungen genommen, stehen für andere Kommunen nicht mehr zur Verfügung.
Mülheims Problem: Eine bilanzielle Überschuldung, so hat es Bonan im April 2011 gesagt, droht der Stadt „erst“ im Jahr 2018. Damit wäre die Stadt raus aus dem Millionenspiel, das Hilfe in der Not verspricht – und das, obwohl in Mülheim mit der landesweit fünfthöchsten Pro-Kopf-Verschuldung (nach Liquiditätskrediten) höchste Not herrscht. Im Finanzausschuss stellte der Kämmerer nun dar, welche finanziellen Folgen es für die Stadt hätte, wenn sie an der zweiten Stufe des Stärkungspaktes nicht teilnehmen könnte.
Allein würde Mülheim laut Berechnung Bonans bis zum Auslaufen des Stärkungspaktes im Jahr 2021 31,8 Mio Euro einbüßen, weil weniger Schlüsselzuweisungen aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz zu erwarten sind. Darüber hinaus gingen dem Kämmerer mögliche Hilfen zur Haushaltssanierung in Höhe von sage und schreibe 391,6 Mio Euro bis zum Jahr 2018 durch die Lappen. Macht summa summarum: ein Minus von 423,4 Mio Euro.
Konstruktionsfehler des Programms
„Das ist ein Unding und es macht deutlich, wie katastrophal die Stufe 2 des Stärkungspaktes ausgestaltet ist“, beklagt Bonan. Dass zweifelsfrei notleidende Städte wie Mülheim möglicherweise nicht nur auf Hilfen verzichten müssen, sondern nach dem Motto „Arm finanziert Ärmer“ auch noch ein Minus bei den Schlüsselzuweisungen hinnehmen sollen, zeige die Konstruktionsfehler des Programms der rot-grünen Landesregierung.
Bonans Kritik an den Zugangsvoraussetzungen zum Stärkungspakt sind nicht neu: Das Kriterium der bilanziellen Überschuldung sei ungerecht, weil es nicht allen Kommunen mit Nothaushalt helfe. Mülheim werde durch die Wahl der Überschuldung als Zugangskriterium auch dafür bestraft, dass es bereits zum 1. Januar 2007 auf das Neue Kommunale Finanzmanagement (NKF) umgestellt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe man seine üppigen Finanzanlagen in RWE-Aktien zu einem deutlich höheren Vermögenswert verbuchen müssen als Kommunen, die später mit niedrigeren Aktienkursen in die Eröffnungsbilanz hätten gehen können. Der hohe Vermögenswert von einst ist nun ein Nachteil für die Stadt, weil er die bilanzielle Überschuldung um einen Puffer von 225,6 Mio Euro verzögert.
Stadt könnte eine Überschuldung im Jahr 2016 darstellen
Ein Ausschluss aus dem Stärkungspakt will der Kämmerer nicht hinnehmen. Bis zum Ablauf der Frist am 31. März werde auch Mülheim sich um die Teilnahme an der zweiten Stufe bewerben. Bonan will zur Begründung die besagten 225,6 Mio Euro aus den Finanzanlagen anführen, auch will er vom Land die Verbesserungen aus der Haushaltskonsolidierung rausgerechnet sehen. Folge das Land dieser Logik, so Bonan, könne die Stadt eine Überschuldung im Jahr 2016 darstellen.
Das Ziel, so pervers es ist, wäre erreicht. Es geht um 423,4 Mio Euro für Mülheim. Um Haben oder Nicht-Haben.