Mülheim. .

Haben OB Dagmar Mühlenfeld und Kämmerer Uwe Bonan als Kopf des Bündnisses „Raus aus den Schulden – Für die Würde unserer Städte“ seit fast drei Jahren für Hilfen zur Haushaltssanierung notleidender Kommunen gekämpft, so herrscht nun Ernüchterung. Kämmerer Uwe Bonan ist vom „Stärkungspakt Stadtfinanzen“ der Landesregierung enttäuscht. Mülheim profitiert (vorerst) nicht.

Wie berichtet, sieht der Stärkungspakt bis 2020 finanzielle Hilfen für überschuldete bzw. auf kurze Sicht in die Überschuldung rutschende Städte und Gemeinden in Höhe von 5,85 Mrd. Euro vor. Davon stellt das Land jährlich 350 Mio Euro zur Verfügung. Peu à peu werden ab 2012 auch Mittel aus dem Gemeindefinanzierungsgesetz für die Hilfe abgezweigt – bis zum Jahr 2020 2,35 Mrd. Euro, die nicht mehr als Schlüsselzuweisungen für nicht überschuldete Kommunen zur Verfügung stehen. Durch diesen Vorwegabzug, so Bonan, gehen der Stadt gar noch 0,5 bis 1 Mio Euro jährlich verloren.

Wohl erst fürs Jahr 2016 kann auch Mülheim, immerhin mit mehr als 1 Mrd. Euro in der Kreide, auf Hilfe hoffen. 6,5 Mio Euro hat Bonan im Haushaltssicherungskonzept veranschlagt. Im Finanzausschuss machte er aus seiner Enttäuschung über das Programm keinen Hehl. Das Paket sei zwar „ein gutes Signal in die kommunale Familie und ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung“, doch: „Die Zugangskriterien sind im Moment unglücklich.“ Das Ziel der Gespräche mit der Landesregierung müsse bleiben, „die Modalitäten zu ändern“.

Jeder vierte Euro

Bonan wurmt, dass das hoch verschuldete Mülheim, das am Jahresende neben den Investitionskrediten (449,4 Mio Euro) allein Liquiditäts-/Kassenkredite von knapp 590 Mio Euro vor sich herschieben wird, nicht direkt Teil hat an der Landeshilfe.

590 Mio Euro – das ist Geld, was Mülheim fehlte, um die laufenden Aufgaben zu bestreiten. Um Gehälter zu zahlen, sozialen Verpflichtungen nachzukommen, kleinere Straßenschäden zu beheben, auch: um Zinsen für geliehenes Geld zu zahlen – allein fast jeder vierte Euro, den sich die Stadt im Jahr 2012 auf Pump besorgen muss, geht für Zinszahlungen drauf.

Stark belastete Kommune

Trotzdem gibt es vorerst keine Entschuldungshilfe über den „Stärkungspakt Stadtfinanzen“. Weil die strukturelle Unterfinanzierung und das Ausmaß der Finanzierung über Kassenkredite nicht Maßstäbe sind für die Hilfen, sondern das Kriterium der Überschuldung. Die tritt dann ein, wenn eine Kommune laut ihrer Bilanz mehr Schulden hat als Eigentumswerte.

Die Missachtung der strukturellen Unterfinanzierung ärgert Bonan, zumal die von der Landesregierung als Gutachter bestellten Professoren Dr. Martin Junkernheinrich und Dr. Thomas Lenk eben dies empfohlen hatten. Nimmt man die Kassenkredite, lag Mülheim im NRW-Städtevergleich der höchsten Pro-Kopf-Verschuldung Ende 2010 an achter Stelle der am höchsten belasteten Kommunen. Allein, um am 31. Dezember des Vorjahres ohne Liquiditätskredite auskommen zu können, hätte ausnahmslos jeder Bürger, ob Säugling oder Greis, 2976,72 Euro an die Stadtkasse abtreten müssen.

In der ersten Stufe des Stärkungspaktes profitieren 34 Städte, vier der zehn am stärksten mit Kassenkrediten pro Einwohner belasteten Städte sind aber nicht darunter – neben Essen, M’gladbach und Solingen trifft es auch Mülheim. Dagegen profitieren vom Stärkungspakt allein neun Städte und Gemeinden, deren Pro-Kopf-Belastung unter 1000 Euro liegt. Etwa Welver (Kreis Soest) mit Kassenkrediten von gerade mal 80,53 Euro pro Kopf.

Welver, auch andere Städte und Gemeinden profitieren davon, dass ihre Finanzrechnung spätestens für 2013 eine Überschuldung ausweist. Die jedoch ist immens abhängig von dem Zeitpunkt, als die Städte ihre Eröffnungsbilanz nach neuer Haushaltsführung aufgestellt haben, heißt, als sie auch alle kommunalen Werte (Gebäude, Infrastruktur, Beteiligungen etc.) bestimmt haben. 1. Wer die Werte niedrig angesetzt hat, hat sie potenziell auch schneller aufgebraucht. 2. Die Kommunen haben nicht alle im selben Jahr nach neuem Finanzmanagement bilanziert; bedeutet: Wer ein Jahr früher angefangen hat, hatte auch ein Jahr länger einen Werteverzehr. 3. Beispiel RWE-Aktien: Ihre Bewertung in der Eröffnungsbilanz hatte sich nach dem aktuellen Börsenwert zu richten. Mülheim etwa ging mit seinen zig Millionen Aktien zu einem Zeitpunkt in die Eröffnungsbilanz, als die Aktie hoch dotiert war. Andere gingen mit niedrigerem Kurswert in die Eröffnungsbilanz – und sind bei den Landeshilfen nun im Vorteil.

Der Stärkungspakt sei „keine nachhaltige Hilfe für alle Problemkommunen“, schlussfolgert Kämmerer Bonan.