Mülheim. .
„Ich hab’ ja noch richtig Metzger gelernt“, erklärt Erhard Thürling. Da schwingt etwas Berufsstolz mit, aber es liegt auch schon viereinhalb Jahrzehnte zurück. Was er in der Wurstküche herrichtete, haben unzählige Mülheimer, die in der Innenstadt einkaufen, verfrühstückt. Gestern ging Thürling, der bald 62 wird, das letzte Mal zur Arbeit.
Die längste Zeit, fast 39 Jahre lang, war er in der Fleischerei Werner Pieper tätig, deren Ursprünge als Familienbetrieb ca. bis 1860 zurückreichen. Genau kann Achim Pieper, der die Geschäfte mittlerweile führt, das gar nicht datieren. Der Laden liegt an der Leineweberstraße, und existiert an hier schon in vierter Generation. „Richtig“ Metzger lernen, wie der Geselle Erhard Thürling es nennt, bedeutet: inklusive Schlachten. So war es bei ihm, als er nach der Volksschule in Broich bei einem Betrieb in die Lehre ging, den es nicht mehr gibt: van der Sand.
Die tägliche Arbeit hat sich verändert
Als Thürlings Lehrherr wenig später starb, war er einige Jahre auf dem Mülheimer Schlachthof tätig, der seinerzeit an der Ulmenallee lag. Dort kamen alle Metzger der Stadt regelmäßig vorbei, Thürling schätzt, dass es 40 Betriebe gab, „jetzt sind es nur noch . . .“ – er zählt leise nach, kommt auf gerade mal sechs oder sieben. Am Schlachthof heuerte ihn auch Werner Pieper an, sein langjähriger Chef.
Die tägliche Arbeit in der Wurstküche habe sich sehr verändert, sagt Thürling. Zum einen, weil sie früher viel mehr Leute waren, „sieben oder acht, der eine hat nur gesalzen, der andere nur geräuchert, das ist nicht mehr“. Längst packt jeder überall an, oft arbeiten sie nur zu zweit oder dritt. Keiner fährt mehr zum Schlachthof, um schwere Schweinehälften oder Rinderviertel zu holen. Fleisch wird statt dessen nach Bedarf geliefert, Schinken, Schultern, Bäuche, die nun noch ladenfertig geschnitten oder zu Wurst verarbeitet werden. „Die Arbeit ist leichter geworden“, das merkt Erhard Thürling auch.
"Fleischer will keiner mehr werden"
Doch glaubt er: „Fleischer will keiner mehr werden. Früh anfangen, früh aufstehen.“ Die Arbeitstage beginnen um fünf Uhr, dafür ist mittags Feierabend. Nun vermutlich für immer: „Ein komisches Gefühl“ – doch Thürling, ein drahtig wirkender Typ, der zwei erwachsene Kinder hat, sorgt sich nicht, dass Langeweile aufkommt.
Zwei Häuser besitzt er, auch für die Altersvorsorge, eines vermietet. Beide hat er in Eigenarbeit umgebaut, Renovieren ist zum Hobby geworden, im Garten gibt es immer etwas zu tun: „Meine Mutter sagt, ich habe goldene Hände. Was ich anfange, ist mir immer gelungen.“ Das kann nicht jeder von sich sagen. Erhard Thürling tut es.
Waschechte Fleischer