Mülheim. .
Laura Röhm (23) ist die einzige und wohl auch erste Fleischermeisterin in Mülheim. Nach Feierabend pflegt sie ihr Pferd, anstatt Schweine zu verwursten. Sie liebt ihren Job - und gibt unumwunden zu: Tiere töten könnte sie nicht.
Laura Röhm, die am Gymnasium Broich ihr Abitur ablegte, wollte Kunst studieren. „Aber das ist brotlos“, war ihre große Sorge. Also wurde die 23-Jährige – nein, Bäckerin dann doch nicht: Fleischermeisterin.
Laura ist die einzige in der ganzen Stadt, „wahrscheinlich sogar die erste“, sagt Josef Grüneböhmer, Geschäftsführer der Fleischer-Innung Essen/Mülheim/Oberhausen. „Wir sind mächtig stolz auf unser kleines Mädchen!“ schrieben die Eltern, Klaus und Sabine Röhm, in einer Glückwunsch-Anzeige für die mit „gut“ bestandene Prüfung.
Mittwoch Vormittag: Gerade wird Frischfleisch ausgeladen in der Metzgerei Röhm, einem Speldorfer Familienunternehmen, das Lauras Urgroßvater vor rund 70 Jahren gründete. Die Schweinehälften, direkt vom Essener Schlachthof, schleppt ein Kollege. Doch fachgerecht Knochen auslösen und Stücke ladenfertig zerlegen kann Laura mindestens ebenso gut.
Schichtbeginn um 5 Uhr
Morgens um fünf beginnt ihre Schicht, wenn der Laden mit eigenem Imbiss zum Frühstück öffnet. Werktags gegen vier Uhr aus dem Bett bedeutet das, wenngleich Laura, die kürzlich ihre eigene Wohnung im selben Haus einweihte, den Weg zur Arbeit schon auf ein Minimum reduziert hat. Das frühe Aufstehen ist aber auch das einzige, was sie an ihrem Job stört. Allenfalls noch die Kälte, die im Winter durch die ungeheizte Wurstküche zieht.
Ansonsten scheint sie zu lieben, was sie täglich tut: „Den Kontakt zu den Menschen finde ich toll, und dass man kreativ sein kann.“ Ideenreichtum bewies sie auch im Praxisteil der Meisterprüfung, für den sie – nachdem ein ganzes Rind nach den Regeln des Handwerks zerkleinert war – einen Tisch unter dem Motto „Schottland“ bestückte. Mit Highlander-Spieß und Nessie-Dekoration, gestaltet aus Speck. Kreativität sei bei Fleischprodukten immer stärker gefragt, freut sie sich. Ebenfalls im Trend: „Partyservice und Convenience, also fertige Gerichte, die man nur noch in die Pfanne tun muss“.
Wenig Zukunftssorgen
Acht Mitgliedsbetriebe listet die Fleischerinnung in Mülheim auf (Röhm ist allerdings nicht darunter). Laura erinnert sich, dass ihre Oma noch von 130 Metzgern in der Stadt sprach. Doch um die Zukunft des Familiengeschäftes, das etwa 20 Angestellten Arbeit gibt, macht sie sich wenig Sorgen. „Es gibt immer Leute, die zum Metzger gehen, auch durch die ganzen Kochsendungen. Man bezahlt zwar etwas mehr, schmeckt dafür aber auch den Unterschied.“
Nun gibt es viele Menschen, die sich – sei es aus Ethik- oder Geschmacksgründen – grundsätzlich fleischlos ernähren. Hat Laura Röhm für diese Haltung Verständnis? Ja, hat sie, und sogar Vegetarierinnen im Freundeskreis. Außerdem: Auch für die Metzgermeisterin gibt es Grenzen. So ist sie ganz froh, dass man das „Zuschlachten“ in einer freiwilligen Fortbildung lernen kann, aber für den Meisterbrief kein einziges Tier töten muss. „Das könnte ich nicht.“
In ihrer Freizeit pflegt sie sogar vierbeinige Geschöpfe, anstatt sie zu verwursten und zu verkaufen: Laura besitzt nämlich ein eigenes Pferd und verbringt jeden Nachmittag auf einem Reiterhof in Saarn. Bis sie den Familienbetrieb übernimmt, dürfte es noch dauern, denn ihr Vater ist erst 45 Jahre alt. Vorläufig kann Laura arbeiten, wo sie es am liebsten tut: nicht in der Produktion, sondern im Verkauf.
Ihre bestandene Meisterprüfung hat sie am Wochenende mit etwa 30 Gäste gefeiert. Es wurde gegrillt.