Roswitha Trabant, verwitwete Krebber, erzählt in der letzten Folge der Serie von der Metzgerei an der Eppinghofer Straße 192. Wann genau die Metzgerei Kaiser auf der Eppinghofer Straße 192 eröffnete, ist unbekannt.

„Früher gab es hier in Eppinghofen viel mehr Geschäfte. Alles für den täglichen Bedarf war vorhanden. Und wir hatten als Metzgerei auch viel Konkurrenz.“ Roswitha Trabant, verwitwete Krebber, Jahrgang 1952, kann viel erzählen: über den alten Stadtteil Eppinghofen und besonders über ihre Zeit hinter der Theke.

„Als meine Schwiegereltern den Laden hatten, also in den 50er und 60er Jahren, waren hier in Eppinghofen sechs oder sieben kleine Metzger. Schluppkothen und Terjung auf der Heißener Straße, auf der Bruchstraße waren Tölle und Thiemann. Als ich Kind war hatte Schluppkothen oben am Goetheplatz eine kleine Filiale. Auf der Aktienstraße gab es die Metzgerei Jäger, bevor die neue Kreuzung gebaut wurde. Und ein Stückchen weiter runter war Fischer, gegenüber der Feuerwache. Wir waren eins der letzten Geschäfte, die zugemacht haben. Die ehemaligen Ladenlokale der kleinen Geschäfte kann man ja heute noch erkennen, es sind teils die Schaufenster zugemauert. Man sieht das noch, oder man weiß es noch. Manchmal sind das heute kleine Versicherungsbüros oder Ähnliches. Ja, und dann war Schluss. Das war 1992.“

Wann genau die Metzgerei Kaiser auf der Eppinghofer Straße 192 eröffnete, lässt sich wohl kaum mehr feststellen. Wahrscheinlich ist es das Jahr 1913 oder 14, und es begann als Lebensmittelgeschäft. Roswitha Trabant, verwitwete Krebber, schaut sich das alte Bild an und beginnt, die etwas komplizierte Familienkonstellation zu erklären. „Caroline und Wilhelm Kaiser sind wahrscheinlich die Gründer des ersten Geschäfts. Sie hatten zwei Töchter, Helga und Lotte. Helga heiratet Hermann Krebber und deren Sohn Klaus war mein erster Mann. Dass der Opa meines Mannes Wilhelm hieß, las ich erst nach der Vergrößerung des Fotos auf der Scheibe. Ganz schön spannend…“

Roswitha Trabant, Jahrgang 1952, hat die Fotos vom Speicher herausgesucht und taucht ein in die Vergangenheit. Ein Geschäft in Eppinghofen. Eins von vielen, die es nicht mehr gibt.

Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick. Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192. Foto wahrscheinlich von 1925.
Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick. Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192. Foto wahrscheinlich von 1925. © WAZ

„Dieses Foto muss nach dem Ersten Weltkrieg entstanden sein, etwa 1925. Anscheinend war es damals noch ein Lebensmittelgeschäft, rechts ist aber schon viel Wurst im Schaufenster zu sehen. Ab wann Kaiser eine reine Fleischerei wurde, lässt sich wohl nicht mehr klären. Das Foto scheint um die Weihnachtszeit entstanden zu sein, dem Tannenbaum im Fenster nach zu urteilen. Das kleine Mädchen ist auf jeden Fall Lotte. Vermutlich ist der Mann Wilhelm, und seine Frau Caroline steht rechts neben ihm. Aber wer sind die anderen?“ Man weiß es nicht. Alle tot. Niemand mehr da, der Licht ins Dunkel bringen kann? Es wird eine Detektivarbeit werden. Aber das macht Roswitha Trabant Spaß. „Meine Schwiegermutter Helga Krebber, geborene Kaiser, hat immer erzählt, dass sie früher mit Pferd und Wagen in Eppinghofen herumgefahren sind. Sie mussten das Fleisch ja erst vom Schlachthof ranholen und später großenteils ausliefern.“

Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Vor der Metzgerei Kaiser, zirka 1914. Mit Schürze: Wilhelm Kaiser.
Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Vor der Metzgerei Kaiser, zirka 1914. Mit Schürze: Wilhelm Kaiser. © WAZ

Wie gut, wenn man wenigstens die alten Fotos noch hat, auch wenn sie zumeist nicht beschriftet oder datiert sind. Roswitha Trabant: „Was dies hier für ein Anlass gewesen ist, lässt sich ebenfalls nicht mehr klären, vielleicht eine Hochzeit, denn der Wagen ist geschmückt.

Oder ein Fest, das mit der Metzgerei zu tun hat, vielleicht gar die Gründung des Geschäfts? Im Fenster links steht etwas auf einer Art Torte, aber leider ist der Kopf des jungen Metzgers Wilhelm Kaiser im Weg. Von dem weiß man fast gar nichts mehr. Nur, dass er im Ersten Weltkrieg seinen Arm verloren hat. Also muss dieses Foto vor 1914 entstanden sein.“

Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Caroline Kaiser, zirka 1950er Jahre
Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Caroline Kaiser, zirka 1950er Jahre © WAZ

Wilhelms Frau Caroline Kaiser wurde 1895 geboren. Sie hat ihr Leben lang in der Metzgerei Kaiser-Krebber hinter der Ladentheke gestanden. Vielleicht erinnern sich ältere Eppinghofer Kunden noch an ihre strenge Knotenfrisur. 1972 ist sie gestorben, da war sie 77 Jahre alt.

Die nächste Generation im selben Geschäft in den 1950er Jahren

Roswitha Trabant erzählt weiter: „Im Krieg wurde das Haus ausgebombt. Die Kaisers gingen nach Österreich. Nach dem Krieg kamen sie zurück, 1948 heiratete Helga Kaiser den Metzgermeister Hermann Krebber.

Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Hermann und Helga Krebber mit Mutter Caroline Kaiser, Foto zirka 1950
Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Hermann und Helga Krebber mit Mutter Caroline Kaiser, Foto zirka 1950 © WAZ

Hermann Krebber hatte Metzger gelernt, 1940 mit 18 Jahren hat er die Gesellenprüfung gemacht und 1948 die Meisterprüfung. Das Geschäft stand wohl noch ganz oder teilweise. Sie haben das ausgebombte Haus instand gesetzt, so gut es ging.

Es blieb aber viele Jahre lang eingeschossig. Im gleichen Jahr erfolgte die Geschäftsübernahme, ab dann hieß es Kaiser-Krebber. Caroline Kaiser half ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn im Geschäft.1949 wurde Klaus geboren, mein späterer Mann.“

Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192. Klaus Krebber als kleiner Wurstjunge von zirka acht Jahren, Mitte der 1950er Jahre in Eppinghofen. Klaus Krebber als kleiner Wurstjunge von vielleicht 8 Jahren. Mit diesem Foto war er sogar in der Metzgerzeitung. Sicher hat er aber auch Zeit zum Spielen gehabt. Vielleicht waren die drei Kinder auf dem Foto unten seine Freunde.
Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192. Klaus Krebber als kleiner Wurstjunge von zirka acht Jahren, Mitte der 1950er Jahre in Eppinghofen. Klaus Krebber als kleiner Wurstjunge von vielleicht 8 Jahren. Mit diesem Foto war er sogar in der Metzgerzeitung. Sicher hat er aber auch Zeit zum Spielen gehabt. Vielleicht waren die drei Kinder auf dem Foto unten seine Freunde. © WAZ

Helga hatte bereits mit 17 Jahren den Führerschein gemacht hat. Nach dem Krieg schafften sie sich ihr erstes Auto an, ein Dreiradfahrzeug: Was ihre Eltern noch mit Pferd und Wagen getan hatten, nämlich in Eppinghofen Fleisch zu Kunden zu bringen, das erledigten Helga und Hermann Krebber nun stolz mit dem Nachkriegsauto.

Ungekühlt natürlich. Das Wort Kühlkette war noch nicht erfunden. „Die Leute waren froh, dass sie das Fleisch gebracht kriegten, viele hatten ja kein Auto. Wenn die außerhalb wohnten, war es mit dem Einkaufen schwierig. Das Ausliefern haben wir aber auch später, in den 1970 Jahren, immer noch gemacht. Mein Sohn sogar in den 1990ern mit dem Fahrrad auch noch,“ so Roswitha Trabant.

Roswitha Trabant: „Auf diesem Foto kann man sehen, dass das Haus einmal ausgebombt war. Daneben die Häuser blieben stehen oder konnten nach dem Krieg wieder aufgebaut werden. Jahrelang lief der Verkauf in dem eingeschossigen Geschäft. „Hintenrum“ war die Wurstküche. Die Eppinghofer Straße sah damals ganz anders aus. Ich erinnere mich, dass mir erzählt wurde, wie dicht die Straßenbahnen an unserem Laden vorbeifuhren. Der Bürgersteig war so schmal, dass man sich auf die Stufen zum Laden stellen musste. Später wurden die Schienen verlegt. Wenn wir geahnt hätten, wie der Kreuzungsbereich ein paar Jahre später aussehen würde…“

WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Foto Ende der 1950er Jahre.
WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Foto Ende der 1950er Jahre. © WAZ

Mitte der 1960er Jahre begannen die Krebbers, an derselben Stelle ein neues Geschäft zu bauen. Während des Baus zogen sie vorübergehend mit der Metzgerei in ein Ladenlokal, etwas weiter hoch, wohl neben Bäckerei Rasche, da stand ein Laden leer.

Die Kühlung hatten sie aber noch hinter dem alten Gebäude, sie mussten immer die Wurst über die Eppinghofer Straße hin- und hertragen. Das Geschäft hieß Kaiser-Krebber, so lange die Oma lebte. Dann heirateten Roswitha und Klaus, ab dann hieß es Metzgerei Krebber & Sohn.

Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Die Straße 2008, rechts neben dem rot-weißen Altbau das Ladenlokal Metzgerei Kaiser-Krebber, jetzt verwaist.
Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Die Straße 2008, rechts neben dem rot-weißen Altbau das Ladenlokal Metzgerei Kaiser-Krebber, jetzt verwaist. © WAZ

„Als die Aktienstraße umgebaut wurde mit dieser Riesenmauer, ging es bergab mit diesem Teil von Eppinghofen. Diese Straßenführung – die haben damit den ganzen Stadtteil zerschnitten. Die Leute von der anderen Straßenseite mussten ja lange Umwege in Kauf nehmen.

Das hat allen Einzelhändlern geschadet. Oben an der Kreuzung gab es noch die Gaststätte Frieg. Da haben sich die Geschäftsleute aus Eppinghofen auf ein Bier getroffen. Das war die Stammkneipe. Die ist natürlich, wie alles da im Kreuzungsbereich, abgerissen worden.“

Die dritte Generation

WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? von Inge Merz. Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Foto 1990: Roswitha, Stefan und Klaus Krebber
WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? von Inge Merz. Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Foto 1990: Roswitha, Stefan und Klaus Krebber © WAZ

„Als ich in die Metzgerei kam, das war 1973, waren Klaus und ich verlobt, ich arbeitete in einem Versicherungsbüro. Samstags war ich immer mit im Laden. Meine Schwiegermutter hatte gesagt, ich solle mir das erstmal ansehen, ob ich das machen will.

Als wir dann 1974 geheiratet haben, gab ich meine Stelle im Büro auf und lernte von der Pike auf Fleischerfachverkäuferin, erst in einer anderen Metzgerei und dann bei uns im Geschäft. Meine Schwiegermutter Helga Krebber ist jung gestorben, sie starb 1983 mit 58 Jahren. Sie hatte Lungenkrebs, ohne je geraucht zu haben. Ihr Mann Hermann (1922 - 1995) starb mit 73 Jahren.“

Wenn man von früheren Zeiten spricht, heißt es oft: Es war so schön und gesellig, einkaufen zu gehen. War es wirklich so wunderbar? Man hörte doch auch mal die Mutter stöhnen: Es ist so voll gewesen, ich habe so lange angestanden. Frau Trabant erzählt von ihrer Zeit in der Metzgerei Krebber: „Manchmal war es eine Stunde leer, dann kamen alle auf einmal. Waren erst zwei drin, da kamen oft die anderen automatisch dazu. Das war so eine Art Kommunikationszentrale. Wenn Frau Meier von der Straße aus Frau Müller im Geschäft gesehen hat, kam die herein und dann unterhielten sie sich. Ich glaube nicht, dass sie sich gelangweilt haben. Das war ein anderes Einkaufen damals. Wenn man heute an der Kasse die fünfte ist, dann scharren die Leute schon mit den Hufen. Man hat ja heute keine Zeit mehr. Damals war alles noch persönlicher, man kannte sich mit Namen, hielt ein Schwätzchen.

WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? von Inge Merz. Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Foto zirka 1966. Die Schwiegereltern von Roswith Traband: Hermann und Helga Krebber, dazwischen die Seniorchefin Caroline Kaiser, inzwischen 71 Jahre alt. Klaus Krebber ganz rechts, als Lehrlin im elterlichen Laden, zirka 17 Jahre alt.
WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? von Inge Merz. Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Foto zirka 1966. Die Schwiegereltern von Roswith Traband: Hermann und Helga Krebber, dazwischen die Seniorchefin Caroline Kaiser, inzwischen 71 Jahre alt. Klaus Krebber ganz rechts, als Lehrlin im elterlichen Laden, zirka 17 Jahre alt. © WAZ

In den 70er Jahren fing das mit den Discountern an. Die Kunden sind dann alle zum Allkauf einkaufen gefahren. Die Leute hatten ja inzwischen alle ein Auto. Im Allkauf wurde so billig Fleisch angeboten, da konnten wir nicht mithalten. So ist das gekommen mit dem Niedergang der kleinen Geschäfte. Na, und die Eppinghofer Straße war ja total verbaut worden durch die U-Bahn-Station. Der Kreuzungsbereich und die Mauer vor unserer Haustür – das war sehr schlecht für unser ganzes Viertel. Uns ging es nicht alleine so. Viele Geschäfte um uns herum gingen ein. Es war das Ende einer Ära. Kleine Fachgeschäfte für den täglichen Bedarf gab es nicht mehr.

Mein Mann starb 1991 mit 42 Jahren plötzlich an einem Herzinfarkt. Alleine wollte und konnte ich nicht weitermachen, ich hätte einen Meister einstellen müssen. Damit kam das Aus für die Metzgerei Krebber & Sohn. Im Mai 1992 löste ich das Geschäft auf und ging anschließend in meinen ursprünglichen Beruf als kaufmännische Angestellte zurück. Heute steht unser ehemaliges Geschäft leer, zwischendurch war da mal ein türkischer Großhändler drin. Aber immerhin um die 80 Jahre gab es in Eppinghofen die Metzgerei Kaiser, später Kaiser-Krebber. Ich werde das Gründungsjahr mal bei der Metzgerinnung erfragen.“

Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192. Der Neubau war 1966 fertig. Nebenan ist das Blumengeschäft Schütz zu sehen.
Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192. Der Neubau war 1966 fertig. Nebenan ist das Blumengeschäft Schütz zu sehen. © WAZ

Eine Metzgerei gibt es in ganz Eppinghofen seit der Schließung von Krebber nicht mehr. Zurück bleibt der traurige Anblick eines Ladenlokals, das mit Papier zugeklebt ist, wie so viele andere kleine Geschäfte auch. Nicht nur in Eppinghofen.

Interview mit Roswitha Trabant

Wie sehr hat sich im Vergleich zu früher die Anzahl der kleinen Einzelhandelsgeschäfte in Eppinghofen verändert?

Wertvolle Geschichten bewahren

Die Veränderung des Eppinghofens ihrer Kindheit hat die Autorin der WAZ-Serie „Wat war da noch mal?” sehr bewegt. Als Tittgen, Latte und Karpenstein damals schlossen, da hatte Inge Merz die Kamera griffbereit und fotografierte die Läden.

Die Bilder fielen der 54-Jährigen 2006 wieder in die Hände und Fragen brannten ihr unter den Fingernägeln: Was ist aus diesen Läden, was ist aus den Menschen geworden? Und so begann sie zu recherchieren. Voller Elan und ohne großen Aufwand zu scheuen. Sie reiste 2007 sogar zu Elisabeth und Arno Tittgen in die Eifel: „Jedes Leben ist es wert, aufgeschrieben zu werden”, sagt die verheiratete Mutter eines Sohnes. Sie ist immer dort, wo Geschichten erzählt und gesammelt werden, ist auch Mitglied im Styrumer Geschichtsverein.

Und weil Inge Merz so viele positive Reaktionen alter Eppinghofer auf diese WAZ-Serie bekommen hat, ist die Geschichte heute mit der letzten Folge der Serie nicht zu Ende: Sie will an einem Sonntag im März ein Treffen für ehemalige Eppinghofer Ladenbesitzer und ihre Kunden von damals organisieren. Wer Interesse hat, kann sich bei Inge Merz unter 754232 melden.

Roswitha Trabant: Früher gab es hier viel mehr Geschäfte. Alles für den täglichen Bedarf war vorhanden. Und wir hatten auch viel Konkurrenz. Als meine Schwiegereltern den Laden hatten, also in den 50er und 60er Jahren, waren hier in Eppinghofen 6 oder 7 kleine Metzger. Schluppkothen und Terjung auf der Heißener Straße, auf der Bruchstraße waren Tölle und Thiemann. Als ich Kind war hatte Schluppkothen oben am Goetheplatz eine kleine Filiale. Auf der Aktienstraße gab es Metzgerei Jäger, bevor die neue Kreuzung gebaut wurde. Und ein Stückchen weiter runter war Fischer, gegenüber der Feuerwache. Und mindestens noch eine weitere Metzgerei, der Name fällt mir nicht ein. Wir waren eins der letzten Geschäfte, die zugemacht haben. Die ehemaligen Ladenlokale der kleinen Geschäfte kann man ja heute noch erkennen, es sind teils die Schaufenster zugemauert. Man sieht das noch, oder man weiß es noch. Manchmal sind das heute kleine Versicherungsbüros oder Ähnliches. Ja, und dann war Schluss. Das war 1992.

Wie sah der Alltag in der Metzgerei Krebber in den 1970er Jahren aus?

Roswitha Trabant: Die Sachen, die auf diesem Foto zu sehen sind, haben wir alle selber gemacht, außer Dauerwurst, das ist ein anderes Verfahren, das braucht auch länger. Die Frischwurstsorten, auch Blutwurst und Schinkensorten haben wir selber gemacht, auch den geräucherten durchwachsenen Speck. In den 1970er Jahre haben die Leute ja auch noch mehr gekocht. Da gab es Pfötchen und Schwänzchen oder dergleichen. Das wurde aber nachher immer weniger. Erst hatten wir eben ältere Kunden, die wussten noch, was man daraus kochen kann, die damals jungen schon nicht mehr. Die haben oft schon in Kantinen gegessen und kochten nicht mehr so viel.

Was genau ist eigentlich Panhas, oder wie wir Mülheimer sagen „Pannas“?

Roswitha Trabant: Man meint ja immer, das sei typisch Mülheim, aber das gibt es im ganzen Ruhrgebiet und auch im Rheinland. Panhas ist Wurstbrühe, die mit Buchweizenmehl angedickt wird, dann kommen gekochte Speckwürfel und verschiedene Gewürze hinein. Ich weiß nicht mehr genau, welche mein Schwiegervater genommen hat. Jeder Metzger machte das etwas anders. Es gab in Mülheim auch Fleischer, die verkauften weißen bzw. hellen Panhas. Für den dunklen Panhas verwendet man ein bisschen Blut. Wie bei der Blutwurst auch. Es gab mehrere Metzger in Mülheim, die kein Blut verarbeiteten. Panhas schmeckt lecker mit Endiviensalat „durcheinander“. Es gibt Leute, die haben Panhas mit Rübenkraut gegessen. Das waren sicher dieselben Leute, die gern Kartoffelpuffer mit Zucker oder Marmelade essen.“

Ich erinnere mich noch an die alten Waagen, die ich hier auf dem Foto sehe. Und daran, wie die Verkäuferinnen die Wurst drauflegten und dann - oftmals lange – die Waage angeguckt haben, die Hände noch rechts und links in der Luft. Als Kind habe ich mich gefragt, was die da machten.

Roswitha Trabant: Die rechneten. Im Geschäft gab es noch die alten Neigungs-Waagen von Tacho oder Berkel. Die funktionierten ja alle mechanisch, da musste man gut kopfrechnen können. Auf der Rückseite hat der Kunde nur die Grammzahl gesehen. Auf unserer Seite standen die Kilopreise und 100-Gramm-Preise.

Dann musste man das im Kopf ausrechnen, wenn es ein paar Gramm mehr waren. Aber wenn man immer die gleichen Teile verkauft, dann weiß man das im Kopf. Als junge Frau hatte meine Schwiegermutter diese weißen dicken Bleistifte noch hinters Ohr geklemmt, bis das vom Gesundheits- oder Ordnungsamt aus hygienischen Gründen verboten wurde. Damals gab es noch Pergamentpapier, darauf wurden die Preise geschrieben. Das ging mit einem Kuli nicht, das war ja alles fettig. Wir hatten später auch noch die gleichen dicken Bleistifte, die kriegten wir von den Gewürzfirmen umsonst, genau wie die Blöckchen. Darauf schrieben wir die Preise untereinander.

Eine der Waagen stand hinten neben der Wurstschneidemaschine. Man weiß ja nach einer Zeit, wie viele Scheiben des Schinkens etwa 100 Gramm sind. Da haben wir schon mal kleine Päckchen Schinken fertiggemacht, dann konnte man das schneller auswiegen. Aber solche Lagen in Mengen wie heute haben wir damals nicht vorgeschnitten. Das war unter Metzgern total verpönt.

Diese Waage habe ich heute noch in der Küche stehen, zur Erinnerung an die Rechnerei.“

Haben Sie Ihre Schwiegermutter mal gefragt, wie es in der alten Metzgerei 20 oder 30 Jahre früher zuging?

Roswitha Trabant: „Wir haben jahrelang zusammen gearbeitet, jeder hatte ja seine Aufgaben. Wir waren immer zu Viert, mein Mann und sein Vater waren in der Wurstküche. Mutter und ich im Laden. Und dazu mehrere Angestellte. Caroline Kaiser war da schon tot, sie starb als ich geheiratet habe.

Meine Schwiegermutter kannte das alte Handwerk, sie hatte das ja zu Hause gelernt. Ihr Leben lang stand Helga Krebber im Laden, wie ihre Mutter. Sie ist da richtig drin aufgegangen.

Arbeitsmäßig war das damals natürlich anstrengender, als schon zu unserer Zeit, 70er/80er. Man hatte damals die Maschinen noch gar nicht. Was wir als Hilfsmittel in der Wurstküche hatten, gab es am Anfang noch nicht. Mein Mann hat ja das letzte Jahr alleine zurecht kommen müssen, da sein Vater schwer erkrankt war. Früher waren die Mitarbeiter immer zu Zweit oder zu Dritt. Maschinen zum Füllen der Wurst gab es sicher schon. Denn es gab ja Zungenwurst, Mettwurst, Bratwurst. Aber das waren Geräte zum Drehen oder zum Pumpen, wir haben das nachher alles elektrisch gehabt. Die alten Maschinen habe ich nicht mehr kennen gelernt. Das hatte der Opa Hermann ja schon erneuert.

Heute lesen wir alle paar Monate von neuen Fleischskandalen. Könnten Sie so etwas in der damaligen Zeit vorstellen? Oder gab es damals so was wie einen Ehrenkodex?

Roswitha Trabant: Ja. Wir haben immer bei demselben Viehhändler gekauft, der hatte ja auch seine Bezugsquellen, das war Vertrauenssache. Wir haben auch nicht das Billigste gekauft, um irgendwelche Sonderangebote rauszuschmeißen. Wenn man die Wurst selber macht, muss das Fleisch ja eine gewisse Qualität haben, wenn das so hochgeputscht ist mit viel Wasser, davon können Sie keine Wurst machen, da läuft ihnen das Wasser aus der Wurst raus. Die Qualität muss so sein, dass das Fleischbrät auch bindet.

Wasser in der Pfanne – nein, das gab es nicht in dem Maße wie heute. Auch die Leiden der Tiere, was die zu fressen bekommen haben und die ganzen Skandale waren damals so nicht bekannt. Ich kann mich nicht erinnern, dass meine Schwiegereltern so etwas jemals erzählt hätten. Zu meiner Zeit, also in den 1970er Jahren, fing das dann an, dass auch mal Kunden fragten, wo ist das Fleisch denn her? Das fing an, als die Grünen mehr nachgehakt haben, was essen wir denn da überhaupt.

Zu meiner Zeit in den Siebziger Jahren gab es in Speldorf einen Schlachthof bei Wissoll in der Nähe, später wurde er abgerissen, dann mussten wir nach Essen. Von dort haben die Schwiegereltern das Fleisch gekauft.“ Der Viehhändler hatte sein Geschäft im Schlachthof. Er fuhr über Land und suchte sich bei seinen Bauern die Schweine aus. Die wurden dann am Schlachthof geschlachtet, wo wir sie dann immer bei demselben Händler kauften.

Es gibt auch Leute, die behaupten, früher schmeckte alles besser.

Roswitha Trabant: Ich glaube, die Geschmacksnerven haben sich verändert. Wir sind auch übersättigt. Man kriegte damals etwas Gutes nur sehr selten und dann schmeckte es eben besser. Es war anders, aber ob es besser gewesen ist, weiß man nicht.

Wie ist das mit dem Fett?

Roswitha Trabant: Früher haben die Leute mehr körperlich gearbeitet, da musste die Wurst so fett sein. Heute essen die Leute so viel Wurst und Fleisch, als ob sie im Bergbau beschäftigt wären. Dabei sitzen die meisten doch mehr als sie laufen.“

Oft hört man, dass es ein langer Arbeitstag war in den kleinen Läden?

Roswitha Trabant: Es war ein langer Tag in der Metzgerei. Im neuen Haus haben wir in der ersten Etage gewohnt. Genau wie früher in dem alten Anbau schon, über der Wurstküche. Die Männer mussten um 5 Uhr raus, ich um 6. Die Treppe runter und los ging es. Einer fuhr zum Schlachthof, alles abholen, zurechtschneiden, das war dann nachher ein bisschen viel. Als wir geheiratet haben, fingen wir an, Salate zu machen, kalte Büffets. Meine Schwiegermutter sagte, wir müssen auch noch was Anderes anbieten. Denn wir müssen ja mit zwei Familien davon leben. Sie ist schon vorher von Kunden darauf angesprochen worden, aber das ging erst, als ich dann dabei war.“

Anekdoten:

Krebbers waren sehr gesellig. Sie hatten einen Partykeller, da war es oft lustig. Viele Mellinghofer sind zum Schwiegervater oder zu Klaus in die Wurstküche gekommen, da gab es öfter mal was zum Probieren, ein Stück Wurst oder so was. Kinder kriegten natürlich auch früher schon ein Stück Fleischwurst an der Theke. Dann hieß es: Willze ne Scheibe Wurst?

Es waren aber die Erwachsenen, die um die Wurstküche herumschlichen. Die wussten genau, was es an welchem Tag gab, das war ja genau eingeteilt. Montags wurde geschlachtet, dienstags die Vorbereitungen, da wurden die Schweine auseinander geschnitten, dann wurde vorbereitet für die Wurst, mittwochs wurde dann Brühwurst gemacht, und die Vorbereitung für donnerstags. Donnerstags wurde Kochwurst gemacht, so wie Leberwurst, dafür musste aber erst der Speck abgekocht werden, und dann konnte man das an dem Donnerstag verarbeiten. Freitags und samstags wurde hauptsächlich Rindfleisch geschnitten, denn der Hauptumsatz von Rindfleisch war am Wochenende, wenn es Rinderbraten oder Rouladen und Rindfleischsuppe geben sollte. Die Nachbarn, Sportskameraden oder Freunde wussten immer genau die Uhrzeiten, wann was im Kessel oder gerade gar ist, und dann wurde geschmaust. Aus der Wurstbrühe heraus schmeckte die Wurst natürlich viel besser, als wenn das schon einen Tag im Kühlhaus war und man muss das zuhause wieder warm machen. Warme Fleischwurst aus dem Kessel ist wirklich sehr lecker.

Wann starben Ihre Schwiegereltern?

Roswitha Trabant: Helga Krebber ist jung gestorben, sie starb 1983 mit 58 Jahren. Sie hatte Lungenkrebs, ohne je geraucht zu haben. Ihr Mann Hermann (1922 - 1995) starb mit 73 Jahren.

Wann und warum wurde das Traditionsgeschäft Metzgerei Kaiser-Krebber zugemacht?

Roswitha Trabant: In den 70er Jahren fing das mit den Discountern an. Die Kunden sind dann alle zum Allkauf einkaufen gegangen. Die haben so billig Fleisch angeboten, die Leute hatten ja alle ein Auto und sind da hingefahren. So ist das alles gekommen mit dem Niedergang der kleinen Geschäfte. Das ist zwar für die Geschäftsleute bitter gewesen, aber so war eben die Entwicklung, man kann es verstehen, auch wir selbst fuhren ja dann mit dem Auto einkaufen.

Na, und die Eppinghofer Straße war ja total verbaut worden durch die U-Bahn-Station. Der Kreuzungsbereich und die Mauer vor unserer Haustür – das war sehr schlecht für unser ganzes Viertel. Uns ging es nicht alleine so. Viele Geschäfte um uns herum gingen ein. Es war das Ende einer Ära – gut gehende kleinere Geschäfte auf der Eppinghofer Straße sind selten geworden.

Unser Geschäft lief noch gut. Mein Mann starb 1991 plötzlich an einem Herzinfarkt. Alleine wollte ich nicht weitermachen, ich hätte einen Meister einstellen müssen. Damit ist das Geschäft Krebber & Sohn im Mai 1992 aufgelöst worden, das musste ich dann machen. Ich ging anschließend in meinen ursprünglichen Beruf als kaufmännische Angestellte zurück.

Also wie lange gab es den Laden?

Roswitha Trabant: Wie gesagt, das genaue Datum weiß ich nicht, das kann ich nur schätzen. Wenn Caroline Kaiser und ihr Mann Wilhelm ihn vor dem ersten Weltkrieg gegründet haben, wäre sie ja erst 19 Jahre alt gewesen (Geburtsjahr 1895 bis 1914 Ausbruch des Ersten Weltkrieges). Vielleicht war es auch eher. Ob man das im Stadtarchiv erforschen kann? Nach Weihnachten will ich in der Metzgerinnung einmal nachfragen.

Was für ein Laden ist heute in der ehemaligen Metzgerei?

WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? von Inge Merz. Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick+ Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Roswitha Trabant, geborene Krebber, in ihrer Küche mit der alten Berkel-Waage aus der Metzgerei.
WAZ-Wochenserie: Wat war da früher nochmal? von Inge Merz. Auf der Suche nach den alten Geschäften von Eppinghofen - ein Rückblick+ Metzgerei Kaiser-Krebber, Eppinghofer Straße 192 Roswitha Trabant, geborene Krebber, in ihrer Küche mit der alten Berkel-Waage aus der Metzgerei. © WAZ

Roswitha Trabant: Zur Zeit steht das Ladenlokal leer. Da war mal ein Großhändler für türkische Imbissbuden, aber der ist wohl schon raus. Und so steht unser ehemaliges Geschäft wohl leer. Ein trauriger Anblick.

Hier geht's zur

1. Folge: Wat war da früher noch mal?

2. Folge: Das Lebensmittelgeschäft Tittgen

3. Folge: Obst und Gemüse Latte

4. Folge: Schreibwaren Karpenstein

Folge 5: Futtermittel Stinshoff