Mülheim.
Das 100-Häuser-Programm der Stadt, mit dem bezahlbares Eigentum für Familien geschaffen werden soll, ist ins Stocken geraten.
Die Stadt verweigert einem bereits im Jahr 2010 ausgewählten Bauträger, der am A 40-nahen Von-Carnall-Weg in Dümpten 44 Einfamilienhäuser zum maximalen Verkaufspreis von 245.000 Euro bauen wollte, den Zugriff auf das Grundstück. Der Investor zeigt sich überrascht und kritisiert, die Stadt habe ihm zu wenig Spielraum gelassen, das Bauprojekt wirtschaftlich zu gestalten. Doch die Stadt will nicht an den „Grundfesten“ des 100-Häuser-Programms rütteln lassen.
Im Dezember 2010 hatte der Rat zugestimmt, dass die Stadt der NCC Deutschland GmbH das 1,1 Hektar große Areal nahe der Sellerbeckstraße verkauft, um dort entsprechend eines Kriterienkatalogs erschwingliche Eigenheime für Familien zu bauen. Es hatte nur zwei Interessenten für das Bauprojekt gegeben, ein großes Mülheimer Unternehmen war dabei mit seinem Kaufangebot für das Grundstück weit unter den Erwartungen der Stadt geblieben. Das Angebot der NCC entsprach zumindest zu 85 % den Erlös-Vorstellungen der Stadt.
Kaufvertrag lag vor
Ein Kaufvertrag kam dennoch nicht zustande. Zu groß waren die Differenzen der Verhandlungspartner, dem städtischen Immobilienservice auf der einen und der NCC auf der anderen Seite. Der Immobilienservice ist aktuell an die Ratspolitik herangetreten mit dem Wunsch, per Ausschreibung erneut auf die Suche nach einem geeigneten Bauträger gehen zu dürfen, da die Gespräche mit NCC zäh und ohne akzeptables Ergebnis geblieben seien. Einen vorliegenden, auch verhandelten Vertrag habe NCC nicht unterzeichnen wollen. Der Immobilienservice, so dessen stellvertretender Leiter Frank Berges, habe versucht, noch eine Einigung mit NCC hinzubekommen, doch sei man letztlich an die politisch gesetzten Kriterien für das 100-Häuser-Programm gebunden.
NCC ist nicht bereit, die „zu rigiden“ Vorgaben der Stadt zu baulichen Standards, der Bauverpflichtung innerhalb eines festen Zeitraums und den Höchstpreisen für die Eigenheime vertraglich zu fixieren. Entsprechende Differenzen bestätigte der NCC-Niederlassungsleiter für die Region Rhein-Ruhr, Thomas Haucke, gestern auf WAZ-Anfrage. Dass die Stadt sich nun anderweitig nach Investoren umsehe, komme „nicht unerwartet, aber menschlich überraschend. Wir haben seit Herbst nichts von der Stadt gehört“, gab sich Haucke zerknirscht, dass er erst von der WAZ erfahre, dass das Mülheimer Projekt offenbar gestorben sei.
Preistreibende Vorschriften
Haucke sieht die Stadt sich in dem Bauvorhaben selbst behindern. Mit derart starren Regelungen, wie sie der Stadt für den Kaufvertrag vorschwebten, habe sich NCC bei allen anderen 15 Grundstücken, die man 2011 in der Region für den Häuserbau erworben habe, nicht konfrontiert gesehen. „Die Stadt ist nicht bereit, auf uns als Investor zuzugehen.“
NCC will mehr Wahlfreiheit hinsichtlich der Baustandards für die Käufer. Zudem wolle man sich nicht vertraglich verpflichten lassen, bis wann die 44 Häuser zu stehen hätten. Üblich sei, Häuser je nach Kundennachfrage zu errichten. Auch über den maximalen Verkaufspreis sei nachzuverhandeln. Schließlich sei eine Preissteigerung seit Abgabe des Angebots zu berücksichtigen, ebenso die preistreibenden Vorschriften aus der Energieeinsparverordnung 2012.
Junge Familien an die Stadt binden
Was alles noch mal verhandelt werden sollte, bleibt unklar. Frank Berges vom Immobilienservice sieht die Möglichkeiten ausgereizt. An grundlegende Kriterien aus dem 100-Häuser-Programm sei sein Haus gebunden. Der Politik schlägt der Immobilienservice nun vor, zumindest den Ausstattungsstandard der Häuser flexibler zu halten und das Projekt neu auszuschreiben. In der Hoffnung, dass dieses Mal mehr als nur zwei Bieter ein Angebot abgeben. Berges: „Der Markt ist mittlerweile stärker auf entsprechende Käuferschichten eingestellt.“ Laufe es nach Wunsch, könne es nach der Sommerpause einen Vergabebeschluss geben und ein Investor Ende 2012, Anfang 2013 mit dem Bau beginnen. NCC gibt sich weiter interessiert. . .
Das 100-Häuser-Programm verfolgt das Ziel, junge Familien an die Stadt zu binden. Dafür soll(t)en auf städtischen Grundstücken preiswerte Eigenheime gebaut werden. Das Vorhaben an der Von-Carnall-Straße ist das dritte und letzte Projekt des Programms.
Bereits Ende 2006 waren 28 Eigenheime an der Hagenauer Straße in Saarn bezugsfertig. Familien mit 70 Kindern zogen ein. Mindestens ein Kind der Familie, so die Vorgabe, musste seinerzeit jünger als zwölf Jahre sein. Dies galt auch für den Verkauf von 26 neuen Eigenheimen an der Straße „Auf dem Bruch“ in Dümpten. Bis Ende 2011 zogen hier 26 Familien mit 49 Kindern ein. Sieben davon kamen dafür neu nach Mülheim.
Insgesamt haben 45 der 54 Eigenheim-Käufer Wohnraumfördergelder des Landes bekommen.