Wann ist ein Hochhaus ein Hochhaus? Der Mülheimer an sich nennt jedes Gebäude, das höher als die anderen ist, erst mal Hochhaus. Ein New Yorker würde vermutlich darüber schmunzeln. Doch, doch – Eppinghofen hat ein Hochhaus, sogar eins mit sieben Stockwerken. Und es steht seit 50 Jahren.

Eppinghofen im Jahre 1961. Nach zweijähriger Bauzeit bezieht Elsa Stolpa als stolze Besitzerin eines der ersten Mülheimer Hochhäuser ihre Wohnung; es ist eine von 25. Ihr kleines Häuschen aus dem 19. Jahrhundert, das zuletzt an derselben Stelle auf dem Trümmergrundstück Engelbertus-/Ecke Eppinghofer Straße stand, ist nun Vergangenheit. Einige der älteren Mülheimer werden sich noch erinnern, wie Eppinghofen damals aussah: ein wenig ländlich noch, viele Bäume, kleine Häuser mit Vorgarten, gemütlich. Das kleine Häuschen der Familie Stolpa war der Vorgänger des Eppinghofer Hochhauses an der Engelbertusstraße/Ecke Eppinghofer Straße.

Eppinghofen im Jahre 2011. Annemarie Dehm wohnt noch immer in dem Haus, das sie 1961 als junge Frau mit ihrer Mutter Elsa bezog und in dem sie im selben Jahr Hochzeit feierte. Am Sonntag lädt sie mit ihrer großen Familie die Mieter zum Hausjubiläum ein – in den „Festsaal Trockenboden“ unterm Dach. So steht es auch auf einem Plakat im Aufzug. „Jede Partei bringt was Selbstgemachtes für den Brunch mit. Ich bin mit einer Liste von Tür zu Tür gegangen“, erzählt die 72-Jährige. „Alle Mieter freuen sich schon. Ach ja, einen Stuhl muss man sich schon mitbringen. So viele haben wir dann doch nicht.“ 40 bis 50 Leute aus den 22 „Parteien“ werden erwartet. Eine ganze Menge davon gehört zur großen Familie.

Annemarie Dehm ist im Viertel Eppinghofen bekannt wie der berühmte bunte Hund. „Wir hatten doch das Lädchen unten im Haus“, sagt sie fast entschuldigend. „Unser Reinigungsgeschäft war ja so was wie ein Nachbarschaftstreff, denn bei uns gab es ein buntes Sortiment, vom Brötchen bis zur Trauerkarte, Zeitungen, Schulhefte, Eis und Teilchen. Es gab eine kleine Sitzecke zum Klönen oder einfach zum Ausruhen. Wir kannten alle Kunden mit Namen und Krankheiten. Im März 2010 habe ich das Geschäft aufgegeben. Seitdem fragen mich die Leute aus Eppinghofen immer wieder, ob ich nicht doch weitermachen will. Ich würde so gerne, aber ich habe ja auch das Alter, wo man sich zur Ruhe setzt.“ Heute befindet sich eine Detektei im Lädchen.

Noch bis 2010 war das „Eppinghofer Hochhaus“ mit der Nummer 169 ein Vier-Generationen-Haus. Hier wohnen die meisten Mieter schon viele Jahre. „Ein älterer Herr sogar schon die gesamten 50 Jahre, einige Familien seit 49, 44 und 40 Jahren. Wir selbst sind auch sofort 1961 eingezogen, samt Eltern, Großeltern, Schwager und Schwägerin. „Wir haben uns ziemlich vermehrt“, lacht die Mutter der „Sippe“. Heute noch leben drei ihrer vier Kinder mit ihren Familien hier. Und neun von zwölf Enkeln. „Die tanzen übrigens noch im selben Partykeller, in dem unsere Kinder auch schon gefeiert haben. Mein Mann hat den Keller damals ausgebaut.“ Über 20 Kinder sind hier als Neugeborene über die Schwelle getragen worden und als echte Eppinghofer aufgewachsen. Mit Fernsicht.

Annemarie Dehm und ihr Mann Hans-Georg kümmern sich um alle Sorgen der Mieter persönlich, vom tropfenden Wasserhahn bis zur Wäsche, die man auch schon mal für die neu Eingezogenen versorgt hat. „Das ist eben Nachbarschaftshilfe, das tut man doch gerne. Bei uns im Haus geht es ganz familiär zu. Eine Mie­terin verteilt frühmorgens die Zeitungen. Liegt mal eine nach 9 Uhr immer noch vor der Wohnungstür, macht man sich Gedanken und klingelt mal an. Einige haben schon gesagt, das ist hier fast so wie betreutes Wohnen. Alle möchten gerne hier wohnen bleiben.“ Eine Wohnung ist noch frei im „ehrenwerten“ Jubiläums-Hochhaus in Eppinghofen. Glückwunsch, altes Haus!