Mülheim. Sandor Krauses CD-Edition alter Kirchenbücher ist für Familienforscher eine Fundgrube.

Hätte ich mal die Oma gefragt. Aber die ist ja vor drei Jahren gestorben.“ Diesen Satz bekommt Claudia Steinberger, die das Archiv des Kirchenkreises an der Ruhr im Altenhof betreut, öfter zu hören. „Familienforschung wird immer beliebter. Wir sind hier schon für die nächsten sechs bis acht Wochen ausgebucht“, schildert sie den Andrang auf die evangelischen Kirchenbücher, in denen Geburten, Taufen, Trauungen und Sterbefälle verzeichnet sind.

Der Leiter des Stadtarchivs, Kai Rawe, bestätigt, dass jährlich Hunderte auf der Suche nach ihren Vorfahren in die katholischen Kirchenbücher und in die Standesamtsregister schauen wollen, die seit 2009 im Stadtarchiv an der Aktienstraße 85 lagern.

In der Nazizeit angelegte Ahnenpässe

„Familienforschung ist vor allem bei Menschen im Rentenalter ein weit verbreitetes Hobby“, weiß der Stadtarchivar zu berichten. Warum? „Es geht wohl um die Suche nach den eigenen Wurzeln, um eine gewisse Neugierde, auf welche Vorfahren man denn wohl stößt, und darum, das eigene Leben in einer historischen Kontinuität zu verorten“, mutmaßt Rawe über die Ursachen des neuen Trends zur Familienforschung.

Hintergrund: Von der Kirche zum Standesamt

Bis zur Einführung der Zivilehe im Jahre 1874, die die Gründung der Standesämter mit sich brachte, wurden alle Personenstandsdaten in Kirchenbüchern erfasst. Neben den Kirchenbüchern der reformierten, katholischen und lutherischen Gemeinde (letztere vereinigte sich 1887 mit der reformierten Gemeinde) gab es in Mülheim zwischen 1812 und 1819 auch ein kommunales Personenstandsverzeichnis, das sogenannte Munzipalitätsregister, in dem 1812 genau 12 036 Seelen verzeichnet waren. Aus Gründen des Datenschutzes können im Stadtarchiv derzeit nur die Geburtsregister von 1874 bis 1901, die Trauregister von 1874 bis 1931 und die Sterberegister von 1874 bis 1981 von allen Interessierten frei eingesehen werden.
Das Stadtarchiv an der Aktienstraße 85 ist montags und donnerstags (9-16 Uhr) sowie dienstags (9-18 Uhr) geöffnet. Das Archiv des Evangelischen Kirchenkreises im Altenhof an der Althofstraße ist dienstags von 10 Uhr bis 12 Uhr sowie von 14 bis 17 Uhr und donnerstags von 10 bis 12 Uhr sowie von 14 bis 16 Uhr geöffnet. Das Stadtarchiv ist unter 455 42 60 und der Kirchenkreis unter 3003 0 erreichbar.

Diesen Trend führt Bärbel Essers, die im Stadtarchiv regelmäßig praktische Tipps für die Familienforschung gibt, auch darauf zurück, „dass jetzt viele Menschen beim Auf- und Ausräumen der Wohnungen ihrer verstorbenen Eltern und Großeltern auf die in der Nazizeit angelegten Ahnenpässe stoßen.“ Um damals bestimmte Ämter, etwa in der Verwaltung, antreten zu können, musste man einen sogenannten Ariernachweis führen, der belegte, dass man keine jüdischen Vorfahren hatte.

Müllers und Schmidts müssen höllisch aufpassen

Essers, die am 21. April von 11 bis 13 Uhr wieder eine familienkundliche Beratung im Stadtarchiv anbietet, weiß, wie schnell man bei der Ahnenforschung auf eine falsche Fährte geraten kann, weil die Zahl der Vornamen früher erheblich begrenzter war als heute und die Familiennamen auch schon mal gewechselt wurden, wenn ein Mann oder eine Frau in einen neuen Hof einheiratete und damit dessen Namen als neuen Familiennamen annahm. Wer also einen Heinrich Müller oder einen Wilhelm Schmidt unter seinen Vorfahren hat, muss höllisch aufpassen, dass er nicht plötzlich die falschen Familienbande knüpft.

Wer in alte Kirchenbücher und Standesamtsregister schaut und versucht, die Handschriften zu entziffern, weiß bei der Suche nach seinen Mülheimer Ahnen die Mammutaufgabe zu schätzen, die der Essener Geschichtslehrer Sandor Krause, inspiriert durch die Suche nach seiner Mülheimer Urgroßmutter, geleistet hat.

Alphabetische und chronologische Suchläufe

Er hat seit 2008 zunächst die Kirchenbücher der reformierten und katholischen Gemeinde und dann auch die Bücher der lutherischen Gemeinde ausgewertet und die entsprechenden Einträge über Geburten, Taufen, Konfirmanden, Kommunikanten, Sterbefälle und Begräbnisse per Computer erfasst und in einer CD-Rom-Edition mit einer entsprechenden historischen Einordnung publiziert. Die CDs mit Personenstanddaten aus dem 17., 18. und frühen 19. Jahrhundert bietet für Familienforscher auch die Möglichkeit der alphabetischen oder chronologischen Suchläufe.

Für jeweils 29,90 Euro plus Porto und Verpackung sind die CDs bei Sandor Krause unter 0201/58 20 31 oder per E-Mail an sandor.krause@gmx.de zu beziehen.

Die CDs mit den reformierten Personenstandsdaten von 1610 bis 1806, der lutherischen Gemeinde (1718-1806) und der katholischen Mission und Gemeinde St. Mariae Geburt (1751-1806) liegen bereits vor. Die CD mit denen Personenstandsdaten der Saarner Klostergemeinde St. Mariae Himmelfahrt von 1687 bis 1806 wird im Herbst 2012 erscheinen.