Mülheim. .
Eine Kerze für jeden Verstorbenen. Pater Leo Prinz und Pfarrerin Heike Rödder entzünden die kleinen Lichter neben dem Altar der Kirche St. Mariae Geburt. Sie lesen die Namen der Toten laut vor. Seit 2009 laden evangelische und katholische Kirche drei Mal jährlich zum Gedenkgottesdienst für die Verstorbenen, die im Auftrag der Stadt beerdigt wurden. Anonym. Ohne eine würdige Trauerfeier. Ohne die Chance für Hinterbliebene, Abschied zu nehmen.
36 Menschen wurden im Jahr 2011 im Auftrag der Stadt beigesetzt. 2010 waren es 31 Personen. Die Zahlen sind seit Jahren relativ konstant. Die Gründe dafür, dass ein Mensch auf diese Weise bestattet wird, sind unterschiedlich. Die Verstorbenen haben etwa keine Angehörigen, die für die Beerdigung aufkommen.
Nur Eheleute, Kinder über 18 Jahren, Eltern, Großeltern, Enkel und Geschwister könnten in die Pflicht genommen werden, erklärt Eva Roder, zuständige Sachbearbeiterin im Ordnungsamt. Aber Roder hatte schon Fälle, bei denen die Familie zerstritten war, keine sofortige Lösung für die Beerdigung fand, der Stadt den Auftrag zur Beisetzung erteilte und die Rechnung zahlte.
Beerdigung kostet 3000 Euro
3000 Euro kostet die Kommune eine Beerdigung, davon sind 1552 Euro für die anonyme Urnenbeisetzung auf dem Altstadtfriedhof. Kosten für Sarg, Einäscherung, Bestatter, Arzt, der den Totenschein ausstellt ... Erst mal geht die Stadt in Vorkasse. Dann ermittelt Roder oder ein Nachlassverwalter, ob es noch Angehörige oder Versicherungen gibt, die die Kosten übernehmen.
Roder forscht nach. Oft ist die Recherche aufwendig. Aber: „Ich finde unheimlich viel Verwandtschaft“, sagt sie. So musste sie 2011 von den 101 ihr gemeldeten Fällen nur 36 Menschen im Auftrag der Stadt beerdigen lassen. Über das Internet sucht sie, fragt bei Standes- und Einwohnermeldeämtern an oder schaltet das Auswärtige Amt ein, wenn es Familienmitglieder im Ausland gibt. Wenn sie die Angehörigen gefunden hat, verfasst sie einen Brief. Der wird, wenn möglich, von den Mitarbeitern der Kommune vor Ort den Angehörigen übergeben.
Manchmal findet Roder Hinweise darauf, wie ein Mensch beerdigt werden möchte. Etwa im Fall des Herrn, der seine Frau im Doppelgrab beerdigen ließ, und dann verstarb. Da war für die Sachbearbeiterin klar, dass dieser Mann an der Seite seiner Frau sein wollte.
Keine Angehörigen zu finden
„Das hat nichts mit Sozialbeerdigungen zu tun“, stellt Roder klar. Immer wieder hat sie Fälle auf dem Schreibtisch, in denen der Verstorbene viel Geld hatte, aber entweder nicht selbst seine Beerdigung schriftlich festgelegt hat oder keine Angehörigen hat, die entscheiden, wie er beerdigt werden soll.
Allen diesen Menschen wird seit 2009 in den Gottesdiensten gedacht. Und darüber hinaus: Um ein Zeichen gegen Anonymität und das Vergessen zu setzen, hat die Stadt ein Gedenkbuch gestiftet. Es liegt nach dem Gottesdienst aus. Wer zu Lebzeiten verfügt hat, anonym bleiben zu wollen, wird nicht aufgeführt.
Die Geistlichen können auch nur die Namen derer verlesen, die einer der beiden Konfessionen angehörten. Pfarrerin Rödder hält dies für richtig, denn „Judentum und Islam haben einen eigenen Umgang mit Bestattungen.“ Nur wer auf seiner Steuerkarte den Verweis der Religionszugehörigkeit hatte, also Kirchensteuer zahlte, kann von der Stadt an die Gemeinden gemeldet werden. Für die, die ungenannt bleiben, steht eine große Kerze zwischen den vielen kleinen neben dem Altar. Ein Licht für alle anonym Bestatteten, die unbekannt bleiben.