Mülheim. . Die Katastrophe in Japan bewegt die Mülheimer: Am Wochenende gab es zahlreiche Gedenkgottesdienste für die Erdbebenopfer. Gleichzeitig machen die Umweltschützer mobil für den Kampf gegen Atomenergie. Heute findet die erste lokale Demonstration statt.

Mitleid, Sprachlosigkeit, Angst – die gigantische Katastrophe in Japan ist an vielen Orten der Stadt zu spüren. In den Gottesdiensten am Wochenende gedachten zahlreiche Gemeinden der Menschen, die mit den Folgen des Erdbebens zu kämpfen haben, die ihr Leben verloren haben oder um ihres fürchten. „Über welch’ Kleinigkeiten regen wir uns hier manchmal auf“, meinte ein Feuerwehrmann angesichts des Leids. Und die Mülheimer Greenpeace-Gruppe fuhr zur Anti-Atomkraft-Demo nach Stuttgart, wo der schon lange zuvor geplante Protest eine traurige Aktualität erfuhr.

„Ich bin sicher, dass der Widerstand gegen Atomkraft in den nächsten Wochen und Monaten eine neue Belebung erfahren wird“, so Stefan Bluemer, Sprecher von Greenpeace in Mülheim. Und die Diskussion werde diesmal alle gesellschaftlichen Schichten erfassen. Greenpeace fordert die Abschaltung der deutschen Atomkraftwerke. „Diese Technik ist nicht zu verantworten. Sie belastet zudem Tausende von Generationen nach uns“, sagt Bluemer.

"Es darf so nicht weitergehen"

Ein erster lokaler Protest wird bereits am heutigen Montag auf dem Kurt-Schumacher-Platz erfolgen. Die beiden Moderatoren der „Montags-Demo“, Gernot Schaper und Gerhard Schweizerhof, verlangen den sofortiger Stopp aller Atomanlagen. „Schluss mit der Risiko-Technologie.“ Es sei auch angesichts der ungelösten Endlagerung des Atommülls unverantwortlich, an dieser Technologie festzuhalten. Ähnlich äußert sich der Sprecher der Mülheimer Bürgerinitiativen, Lothar Reinhard. Auch wenn angesichts der unglaublichen Not dies nicht die Tage des Protestes und der Forderungen seien, sagt er: „Die gefährliche Technologie muss und wird die Menschen überall aufrütteln. Es darf so nicht weitergehen.“

Die Menschen sind besorgt

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    Von einem „Wendepunkt“ in der Atompolitik spricht Dr. Wilhelm Knabe, Mülheimer Naturwissenschaftler und einst Mitbegründer der Partei Die Grünen. Er hat sich bereits in den 70er und 80er Jahren ausführlich mit Messungen von Radioaktivität und deren Folgen auf die Pflanzenwelt befasst, hat mehrfach japanische Institute aufgesucht. „Ich empfinde zunächst großes Mitleid mit den Menschen und sehe in der Katastrophe einen erneuten Beweis dafür, dass diese Energie von uns Menschen nicht beherrschbar ist.“ Das gelte eben auch für ein Land, das auf einem sehr hohen technischen Niveau sowie mit hohen Sicherheitsstandards arbeite und forsche wie Japan, so Wilhelm Knabe im Gespräch mit der WAZ.

    Mangelhafte Informationspolitik kritisiert

    Auch Knabe, ehemaliger Mülheimer Bundestagsabgeordneter der Grünen und Mitglied der Enquete-Kommission „Vorsorge zum Schutz der Erdatmosphäre“, rechnet damit, dass sich breite Bevölkerungsschichten gegen eine Beibehaltung der Kernkraft wenden werden und kritisiert von jeher eine mangelhafte Informationspolitik, wenn es um Strahlenbelastungen gehe: „Jede Regierung hat eine teuflische Angst, über die Gefahren zu reden.“ Und Gefahren wie Risiken gebe es auch in Deutschland und Frankreich. Für Knabe steht fest: „Wir müssen mit weniger Energie in Zukunft auskommen.“

    Stefan Bluemer sieht die Risiken vor der eigenen Haustür verdrängt: „Knapp 25 Jahre nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl leben auch wir in Deutschland weiter mit der ständigen Gefahr eines GAUs, weil viele alte Atommeiler gravierende Sicherheitsmängel aufweisen und teilweise schon dem Aufprall eines Sportflugzeugs nicht standhalten können.“