Mülheim. . Das Rechtsamt sagt, bezüglich der Bruchstraße und der Folgen seien Bürger von den Initiatoren falsch informiert worden.
Fast 13.000 Mülheimer aus allen Stadtteilen und Schichten haben seit Sommer für das Bürgerbegehren Bruchstraße und den Erhalt eines weiterführenden Schulstandorts in Eppinghofen unterschrieben. Geht es nach Stadtdirektor und Rechtsdezernent Frank Steinfort (CDU): umsonst. Nur Tage vor der Ratssitzung um einen Bürgerentscheid empfahl der Wahlbeamte gestern dem Rat, das Begehren für unzulässig zu erklären.
Aufwand und Aufregung wären vergebens gewesen. Begründung: Das Bündnis für Bildung habe die Bürger in die Irre geführt und verschwiegen, dass der Erhalt der Bruchstraße den Verzicht anderer Schulen bedeute. Bündnissprecher Richard Grohsmann reagierte am Abend fassungslos: „Dass das so rein muss, hat uns niemand gesagt.“
Hat man Bündnis und Bürger ins offene Messer laufen lassen?
Die Rechtsexperten der Stadt sehen das anders. In einem 17-seitigen Gutachten heben sie nüchtern auf die Pflicht eines Bürgerbegehrens ab, zu erklären, woher das Geld für das Anliegen kommen soll. Im Fall Bruchstraße wären das 5,8 Millionen Euro, die der Erhalt kostet. Heranziehen wollte das Bündnis dafür jene 8,5 Millionen Euro, die seit der Aufgabe der Zukunftsschule an selber Stelle frei geworden sind.
Das juristische Problem daran: Bereits im Oktober 2010 hatte das Viererbündnis aus CDU, MBI, Grünen und FDP das Geld auf Haushaltsjahre verteilt - nicht aber auf konkrete Schulen. Das geschah erst später, im Rahmen des Bildungsentwicklungsplan (28. Oktober 2011) und zu einem Zeitpunkt, als das Begehren schon eingeleitet war (4. Oktober 2011). Mehr noch: Rechtswirksam sind Plan und Verteilung erst mit dem Beschluss über den Haushalt 2012, darauf wies die SPD gestern flugs hin. Und der fällt - in der Ratssitzung in einer Woche.
„Wir hätten doch gar nicht benennen können, welche Schule konkret verzichten muss“, sagt daher Grohsmann. Doch, sagt das Rechtsamt. Schon die Formulierung 'Dieses Begehren hat Auswirkungen auf andere Schulen' hätte da Rechtssicherheit bedeutet“, bestätigte Rechtsamtsleiterin Bettina Döbbe auf Anfrage der NRZ. So aber sei die Öffentlichkeit gleichsam falsch informiert worden - also: Unzulässigkeit.
Ja oder Nein?
Der entscheidende Punkt daran: Ist das Bündnis für Bildung auf dieses angeblich so offensichtliche K.o.--Kriterium im Wortlaut des Begehrens hingewiesen worden, ja oder nein? Immerhin ist die Stadtverwaltung verpflichtet, Bürger hinsichtlich der Rechtmäßigkeit und der Verfahrensabläufe für ein Begehren zu beraten. Grohsmann sagt nein, dieser Automatismus sei nie benannt worden und verweist wie andere Unterstützer des Begehrens darauf, dass es „Wahnsinn“ wäre, Bürger, Kirchen, Gewerkschaften und Parteien mit einem aussichtslosen Anliegen zu behelligen. Zugleich fragt sich das Bündnis, warum das Rechtsamt sich erst jetzt rührt, wenn der Fehler doch so offenkundig sei.
Mit gleicher Verve nimmt die Stadtverwaltung für sich in Anspruch, keine Spielchen mit dem Bürgerwillen zu spielen. Das Risiko und die Folgen seien dem Bündnis klar und deutlich aufgezeigt worden.
Nur einer kann recht haben.
Eine weitere Flanke öffnet sich bereits am morgigen Donnerstag. Laut seiner Tagesordnung will der Landtag dann eine Gesetzesänderung „zur Stärkung der Bürgerbeteiligung“ beschließen. Damit würden nicht nur die Quoten halbiert, die Bürger bräuchten, um politische Entscheidungen zu kassieren. Auch der Kostendeckungsvorschlag in der strikten Form, wie ihn jetzt das Rechtsdezernat der Stadt auslegt, wäre hinfällig.
Eine Mehrheit in Düsseldorf gilt als sicher. Denkbar wäre zudem, dass das Gesetz noch vor der Ratssitzung am 15. Dezember Rechtsgültigkeit erlangt. In diesem Fall, räumte Döbbe ein, „müssen wir uns nochmal Gedanken machen.“
Die haben sich auch schon andere gemacht. Denn über die Zulässigkeit entscheidet letztlich nicht die Verwaltung, sondern der Rat. Die Position von SPD und Linken zu dieser Frage ist bekannt. Die der MBI bestätigte ihr Sprecher Lothar Reinhard gestern auf Anfrage erneut. „Wir sind dafür, die Bürger entscheiden zu lassen. Einer bürokratischen Argumentation haben wir uns schon bei Ruhrbania verweigert und werden es jetzt wieder tun.“ Damit gäbe es eine Mehrheit für Zulässigkeit - unabhängig von der Gesetzesänderung in Düsseldorf.