Mülheim. Veraltete Technik, großer Investitionsstau, schlechter im Vergleich als viele andere Städte, Klagen über Unpünktlichkeit, über Unsauberkeit, jetzt auch noch eine demotivierte Belegschaft. Die MVG bekommt viel Negatives zu hören. Die WAZ sprach mit Aufsichtsratschef Wolfgang Michels.
Die Mülheimer Verkehrsgesellschaft MVG kämpft mit Problemen. Pendler beschweren sich über unpünktliche Busse und Bahnen. Auch in der Belegschaft gibt es Reibungen. Aufsichsratschef Wolfgang Michels bezieht Stellung:
Veraltete Technik, großer Investitionsstau, schlechter im Vergleich als viele andere Städte, Klagen über Unpünktlichkeit, über Unsauberkeit, jetzt auch noch eine demotivierte Belegschaft – sind Sie als Vorsitzender des MVG-Aufsichtsrates erschüttert über so viel Negatives?
Wolfgang Michels: Wir fahren jedes Jahr 27 Millionen Fahrgäste durch Mülheim. Da gibt es natürlich welche, die unzufrieden sind und sich beschweren, aber eben auch sehr viele zufriedene Kunden, die sich nicht äußern. Die Stimmung in der Belegschaft mag momentan nicht die beste sein, da müssen wir etwas tun. Wir haben inzwischen einen Krankenstand von 22 Prozent, die meisten Betroffenen arbeiten im Fahrdienst. Das bedeutet, viele Beschäftigte müssen derzeit viel mehr leisten.
Bleiben wir bei den Mängeln in Technik und Ausstattung, Insider sprechen von Misswirtschaft und kaputtsparen Wer hat versagt?
Wolfgang Michels: Die MVG ist nur Dienstleister, Aufgabenträger ist die Stadt. Die hat gefordert, und das schon zu Zeiten von Baganz: sparen. Wir haben Millionen gespart, eine Belegschaft von 600 Leuten um etwa 180 reduziert. Das sind enorme Leistungen in kurzer Zeit, die in der Kernverwaltung der Stadt scheinbar nicht möglich sind. Daran könnte sich die Kernverwaltung mal messen. Wir haben Fahrzeuge umgebaut, wir wollten neue kaufen, doch der Geldhahn wurde der MVG zugedreht.
Aber da hätte doch die Politik, auch Sie als Ratsherr, eingreifen können.
Wolfgang Michels: Gut, auch die Politiker müssen sich an die eigene Nase fassen, man hat die MVG ins Augenmerk genommen und bis an die Grenzen abgebaut.
Sehen Sie darin heute einen Fehler?
Wolfgang Michels: Was bleibt einer Gesellschaft, die mit ihrer geringen Eigenkapitalquote am Abgrund steht, anderes übrig als zu sparen. Es wurde ja aber nicht nur gespart. Wir haben neue Busse gekauft, bei den alten Straßenbahnen gibt es immerhin eine Reserve, auch die erweiterte Zusammenarbeit mit den Nachbarn klappt bei Engpässen gut. Es sind auch nicht die alten Bahnen, die uns Kummer bereiten, es sind die neueren, wo es Probleme bei der Ersatzteilbeschaffung gibt.
Also nicht kaputtgespart. Wie erklären Sie dann die Misere?
Wolfgang Michels: Ich sehe das Hauptproblem darin, dass wir immer noch kein Nahverkehrskonzept haben, aus dem hervorgeht, welchen Bedarf müssen wir in Mülheim erfüllen und welche Aufgaben erwachsen daraus für die MVG. Wir brauchen ein Konzept, das auch Komfort beinhaltet: Wie kommt der Fahrgast möglichst schnell von A nach B, und das in einem sauberen Fahrzeug, darum geht es.
Gerade die fehlende Sauberkeit wird aber beklagt und viele Zerstörungen an den Fahrzeugen.
Wolfgang Michels: Das ärgert es mich, dass Leute nichts in den Bahnen sagen, wenn die Scheiben zerkratzt werden, sich aber hinterher beklagen.
Die Bezirksregierung hält Ihnen andere Kommunen vor, wo der ÖPNV einen deutlichen besseren Standard hat als in Mülheim. Warum können es andere besser?
Wolfgang Michels: Der Standard ist in Mülheim nicht schlechter als in Duisburg oder Essen. Das Ärgerliche ist, dass die Stadt auf die Schreiben der Bezirksregierung nicht angemessen reagiert hat.
Fürchten Sie, Fördergelder zurückzahlen zu müssen?
Wolfgang Michels: Die Drohung ist ernst zu nehmen. Aber einer Stadt im Nothaushalt damit zu drohen, halte ich für eine Unverschämtheit. Wir wollen weiter unter schwierigen Bedingungen sparen und verbessern und dort droht man im Gegenzug, Fördergelder abzuziehen. Die Bezirksregierung hätte eher mal genauer hinschauen sollen, als sie großzügig Verkehrsführungen in der Innenstadt gefördert hat, die in ihren Dimensionen übertrieben sind.
Mehr Qualität forderten Bürger jetzt bei den öffentlichen Debatten. Politik denkt weiter ans Sparen. Sehen Sie überhaupt noch irgendwo Luft?
Wolfgang Michels: Es gibt noch Möglichkeiten, ohne gravierende Verschlechterungen für die Kunden. Da schafft man vielleicht die ein oder andere Bequemlichkeit ab. Den Nacht-Express etwa eine Stunde vorzuverlegen, würde 150.000 Euro sparen.
Dagegen gab es schon Proteste.
Wolfgng Michels: Ja, man hält gerne an Althergebrachtem fest, und Politik kippt schnell um.
In Mülheim hat man den Eindruck, dass der Öffentliche Nahverkehr zu wenige Freunde und Förderer hat, dafür aber zu viele Unzufriedene...
Wolfgang Michels: Die Zufriedenheit war vor einem Jahr noch gut, sie ist gekippt, vielleicht auch deshalb, weil erste Verbesserungsvorschläge, erste Ideen zum Umbau des Netzes sofort lautstark attackiert wurden.