Mülheim. .
Die Mülheimer Piratenpartei entert mit einem umfassenden Konzept die schleppende Debatte um die Zukunft des öffentlichen Nahverkehrs in der Stadt. Damit ist die junge Partei weiter als jede der im Stadtrat etablierten politischen Konkurrenz. Und die politischen Emporkömmlinge versprechen: Bessere Anbindungen zu gleichen Kosten.
Die Mannschaft (Crew) der Piraten wünscht nach einjähriger Konzeptarbeit, an der eine Kerngruppe von fünf Personen beteiligt war, eine umfassende Neustrukturierung des Mülheimer ÖPNV. Man habe zu Beginn der eigenen Arbeiten quasi das komplette MVG-Liniennetz vom Stadtplan radiert, um „ganz von vorne anzufangen“, so Pirat Marco Welter gestern zur WAZ. Auch weil die Analyse des bestehenden Busliniennetzes „viele Defizite“ offenbart habe. So bemängeln die Piraten teils sehr unübersichtliche Fahrpläne, mangelhafte Anbindungen ans Straßenbahn- und Stadtbahnnetz sowie den Umstand, dass es in 20 bis 25 % aller Fälle nötig sei, mindestens dreimal, in Einzelfällen gar viermal umzusteigen, um von einer Stelle in Mülheim zur anderen zu kommen.
Zwei Ringbus-Linien geplant
15 Einsatzlinien im Schülerverkehr wollen die Piraten nicht antasten, sehr wohl aber haben sie 15 andere Linien der MVG grundlegend in Frage gestellt. Ergebnis: Es soll statt dessen künftig nur mehr neun Linien geben, allerdings mit längerem Fahrtweg, quasi im Durchmesser des Stadtgebietes, so dass praktisch alle bestehenden Haltepunkte weiter angedient werden könnten.
Im Konzept ist vorgesehen, sämtliche Buslinien sternförmig auf die Stadtmitte zulaufen zu lassen. Fixpunkte sind dabei immer die Haltestellen „Stadtmitte“ und Hauptbahnhof. Zwei Ringbuslinien – innerer Ring über Konrad-Adenauer- und Schloßbrücke; äußerer Ring über Mendener und Raffelbergbrücke – gibt es obendrauf. Mit ihnen wäre gewährleistet, dass alle Ziele innerhalb der Stadt mit maximal einem Umstieg erreichbar wären. Das komme älteren, nicht mehr so mobilen Menschen wie auch Eltern mit Kinderwagen entgegen, so Welter.
Nur noch drei Takte vorgesehen
Wer schneller von A nach B kommen wolle, könne auf die Ringbusse verzichten, müsse dafür aber vielleicht einen Umstieg mehr in Kauf nehmen. Mehr Übersichtlichkeit soll dadurch gegeben werden, dass nur noch in drei Takten (20, 30, 60 Minuten) verkehrt wird. Durch intelligente Fahrpläne der teils auf gleichen Strecken verkehrenden Busse soll im Ergebnis dennoch eine dichtere Taktung gegeben sein.
Mit ihrem Konzept wollen die Piraten auch der Stadtentwicklung Rechnung tragen. Es würden völlig neue Gebiete erschlossen, auch Verbindungen wie die von Breitscheid über Mintard nach Kettwig in Nachbarstädte geschaffen. Neubausiedlungen wie die am William-Shakespeare-Ring in Holthausen würden „deutlich besser angeschlossen“.
Die Piraten behaupten, dass für ihr System weder ein zusätzlicher Bus noch mehr Personal nötig wären. Lediglich seien kleinere Investitionen für die Umlegung weniger Haltestellen nötig, so Welter. Größer wären wohl die Investitionen in den barrierefreien Umbau mit erhöhtem Bordstein an den Stellen, wo dies nicht der Fall ist.
"Saarn entwickelt sich rasant"
Endlich zur Straßenbahn. Sie soll Zukunft haben. Zwar sehen auch die Piraten eine Notwendigkeit, die schwach frequentierte Linie 110 zwischen Friesenstraße in Styrum und Hauptfriedhof einzustellen, doch wollen sie wie die Grünen gar eine neue Linie ins Netz bringen: Endlich soll eine Straßenbahn zwischen Heuweg in Broich und Saarner Kuppe rollen – über die Saarner Straße zum Knotenpunkt Alte Straße, von dort aus über die Langenfeldstraße und Brüsseler Allee zur Kuppe. „Der Ausbau ist mehr als überfällig“, sagt Pirat Rainer Nelbach. „Saarn entwickelt sich rasant.“ Im Gegenzug soll die Linie 102 am Heuweg gekappt werden. Die Haltestellen Waldschlösschen und Uhlenhorst könnten künftig von Bussen angedient werden.
Die Stadtverwaltung wird ihr Konzept zur künftigen Ausgestaltung des Nahverkehrs nach den Herbstferien in die politischen Gremien einbringen. Ab dem 7. November beschäftigen sich zunächst die Bezirksvertretungen mit dem Konzept, danach der Mobilitätsausschuss und am 15. Dezember der Rat.