Mülheim.
Stadtkämmerer Uwe Bonan will erst in der nächsten Sitzung des Finanzausschusses am 5. Dezember öffentlich über noch laufende, mit Risiken behaftete Derivatgeschäfte der Stadt berichten.
Für ein Gespräch mit der WAZ steht Bonan seit einer ersten Anfrage am Dienstag letzter Woche vorerst nicht zur Verfügung. Im anstehenden Finanzausschuss will der Kämmerer der Politik einen aktuellen Sachstandsbericht darüber liefern, welche Geschäfte mit der West LB im Zins- und Schuldenmanagement derzeit noch laufen.
1,4 Millionen Miese
Die Geschäfte sind Teil eines von Bonan mit der Landesbank verhandelten Ausstiegs aus lange laufenden Zinswetten, die unter seinem Vorgänger Gerd Bultmann und der Leitung des städtischen Finanzmanagements ab dem Jahr 2003 eingegangen worden waren. Zu Bonans Amtsantritt bargen die Wetten ein Verlustrisiko von 16 Mio Euro in sich.
Das mit der West LB ausgehandelte Ausstiegsszenario sollte, allerdings wiederum mit Wetten, die Verluste möglichst gering halten. In der vergangenen Woche hatte Bonan dann bekannt gegeben, dass eine Währungswette auf den Wert des Schweizer Franken aus dem Ruder gelaufen ist und bis dato knapp 1,4 Mio Miese eingebracht hat.
Neben der Währungswette läuft aktuell noch ein zweites Geschäft, zu dem Bonan bis jetzt keine Informationen öffentlich gemacht hat. Des Weiteren verfügt die West LB im Jahr 2016 einseitig über die Option, eine neuerliche, über zehn Jahre laufende Wette auf die Entwicklung des Drei-Monats-Euribor, eines Interbankenzinses, in Gang zu setzen.
Mangelhafte Beratung seitens der Landesbank
Nirgends wird der Interessenkonflikt zwischen West LB und Stadt, beide finanziell angeschlagen, deutlicher als bei diesem Wettgeschäft: Die West LB wird die Option nur ziehen, wenn die Wette Erfolg verspricht, die Stadt also weiter Verluste macht.
Derweil bestätigte die Düsseldorfer Kanzlei Baum, Reiter & Collegen die Ankündigung der Stadt Mülheim, den Auftrag zur rechtlichen Prüfung der Wettgeschäfte mit der West LB erweitern zu wollen. So soll die auf Kapitalmarktrecht spezialisierte Kanzlei auch für die aktuell verlustreiche Wette auf den Schweizer Franken die Frage klären, ob die Stadt wegen mangelhafter Beratung seitens der Landesbank per Klage Schadenersatzansprüche geltend machen kann.
Olaf Methner, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht bei der Düsseldorfer Kanzlei, kündigte gegenüber der WAZ an, „wahrscheinlich im Dezember“ mit der Prüfung der Mülheimer Akten zu den Wettgeschäften der Jahre 2003 bis 2006 fertig zu werden.
„Teilweise müssen sich noch Finanzmathematiker dransetzen“, sagte er zu den Zinswetten, die der Stadt bis zu besagtem Ausstieg 2006/07 einen Verlust von 6,083 Mio Euro eingebracht haben.
Vorsichtige Bewertung
Methner gab eine erste vorsichtige Bewertung zum Mülheimer Fall ab: „Es gibt Argumente dafür, warum die Stadt keinen Schadenersatz gegenüber der Bank geltend gemacht hat.“ In den Akten hätten sich Produktinformationen gefunden, die im Fall anderer Städte, die seine Kanzlei rechtlich vertrete, nicht zu finden gewesen seien. Dies könne möglicherweise gegen eine Klage wegen Falschberatung sprechen.
Was die Kapitalmarkt-Juristen von Baum, Reiter & Collegen im zweiten Schritt noch vor sich haben, ist die Prüfung, ob gegen Mülheims ehemaligen Kämmerer Gerd Bultmann und/oder leitendes Personal im Finanzmanagement wegen grob fahrlässigen Handelns Haftungsansprüche geltend zu machen wären.
Mülheims Rechtsamt hatte, wie berichtet, eine Klage sowohl gegen die West LB als auch beamtenrechtliche Schritte gegen das eigene Personal in einem eigenen Papier als aussichtslos bewertet.