Mülheim. . Erst im Oktober feierte Maria Jantke ihre 109. Geburtstag. Damit ist die Mülheimerin die älteste Frau der Stadt. Mittlerweile lebt Maria Jantke im Engelbertus-Stift. Bis vor einigen Jahren wohnte sie noch selbstständig in ihrer eigenen Wohnung.
Der Kaiser ist ein lieber Mann, er wohnet in Berlin. Und wär das nicht so weit von hier, so ging ich heut noch hin.
Ein Gassenhauer war diese Volksweise kaum, doch tagtägliches Pflichtstück in der Schule. Maria Jantke erinnert sich daran genau – allein dies lässt darauf schließen: Maria Jantke ist eine besondere Frau. Mit ihren 109 Jahren ist sie nicht nur ältester Mensch dieser Stadt, sie soll gar die älteste Frau Nordrhein-Westfalens, die zweitälteste Deutsche sein.
Der Kaiser, ein lieber Mann? „Teils, teils“, sagt die Seniorin, die ihren 109. Geburtstag erst im Oktober gefeiert hat. Kaiser Wilhelm II. sei „sehr streng“ gewesen. Maria Jantke erinnert sich an die Kontrollen der Gendarmen mit Pickelhaube, die damals auf dem Land in Westpreußen hart bestraften, wenn jemand an Sonntagen arbeitete.
Das Leben, kein Zuckerschlecken
Sie ist dort aufgewachsen, in Westpreußen. In Stadtfelde, Kreis Marienburg. Maria Jantke, eines von acht Kindern. Der Vater, als Hofmeister auf einem großen Gut beschäftigt, hatte etwas Land gepachtet, so verpflegte sich die Familie mit Selbstangebautem und Viehhaltung. Der Vater starb im Ersten Weltkrieg, die Mutter hatte es schwer, die Familie durchzukriegen, schaffte es aber mit Job in der Werksküche der Reichsbahn. Tochter Maria fand Arbeit als Floristin, das Vergissmeinnicht ist ihr bis heute liebste Blume geblieben.
Das Leben, kein Zuckerschlecken. Mit ihrem Mann und zunächst zwei von heute drei Kindern 1933 nach Mülheim gekommen, brachte der Zweite Weltkrieg alsbald wieder Ungemach. Evakuierung nach Görlitz, als die Bomber über dem Revier flogen. Dann Flucht vor den Russen. Liebe Verwandte – verstreut in alle Himmelsrichtungen. Immerhin kam der Mann schnell aus Gefangenschaft frei. Das Leben an der Kreuzstraße in Eppinghofen konnte neu beginnen. Doch noch in den Wirtschaftswunderjahren, 1956, starb der Ehemann. Seither lebte Maria Jantke an der Kreuzstraße in Eppinghofen alleine, zwei ihrer Kinder aber in der Nähe. Noch vor wenigen Jahren lebte die Seniorin dort selbstständig. Erst nach einem Sturz und Hüft-OP (mit 105!) zog sie ins Engelbertus-Stift an der Seilerstraße.
Kaum beim Arzt
Dort lebt Maria Jantke heute. Fast blind ist sie, höchst schwerhörig. Wenn sich aber jemand nah an ihr linkes Ohr begibt und ihr eine Unterhaltung anbietet, ist die älteste Bürgerin Mülheims redselig, erzählt von ihrer Arbeit im alten Möbelhaus Von der Heidt an der Eppinghofer Straße. Davon, dass ihre schönsten Erlebnisse die Momente waren, „wenn wir alle zu Weihnachten und an Geburtstagen zusammen waren“. Und Mülheim? „Eine wunderschöne Stadt.“ Nur schade, dass es Geschäfte wie den Kaufhof oder Woolworth nicht mehr gebe.
Gottgläubig sei sie, wie ihre Mutter. „Ich bete zum Herrgott, danke ihm für meine Gesundheit“, sagt die 109-Jährige. Ihr Leben lang war Maria Jantke kaum mal beim Arzt. Bei Husten Fenchel und Anis mit Zwiebeln aufgekocht, dann brauner Zucker dazu. Das half. Tabletten nimmt die älteste Mülheimerin selbst heute nicht, „nur ein paar Tröpfchen“. Für den Magen.
Mit Abstand die Älteste
Maria Jantke ist zufrieden mit ihrem Leben jetzt. Eines stört sie doch: „Weil ich so schlecht höre, habe ich wenig Kontakt zu Leuten. Die wollen nicht so laut sprechen, das kann ich verstehen.“
Maria Jantke sieht ihrem 110. Geburtstag mit Stolz entgegen. Wenn wieder viele Glückwünsche kommen. „Darüber freue ich mich. Dass die Leute noch an einen denken, wenn man schon so alt ist.“
Mit 109 Jahren ist Maria Jantke (Jahrgang 1902) mit Abstand die älteste Mülheimerin, die nächstälteste Bürgerin ist im Jahr 1905 geboren. Der älteste Mann in Mülheim ist 103 Jahre alt. Insgesamt werden, wenn die Gesundheit es zulässt, in Mülheim am Jahresende 39 Menschen leben, die älter als 100 sind. Im kommenden Jahr könnten nach jetzigem Stand 20 Hundertjährige dazukommen.