Mülheim. .

Sie müssen tagelang im Bett liegen und bekommen nicht genug zu essen: Um die Bewohner des Senioren- & Pflegezentrums Bonifatius in Mülheim steht es nach Angaben des Betriebsrats schlecht. Die Heimleitung weist die Vorwürfe zurück.

Droht Personalmangel zum Gesundheitsrisiko in Pflegeeinrichtungen zu werden? Von dieser Gefahr spricht jetzt der Betriebsrat des Senioren- & Pflegezentrums Bonifatius an der Hingbergstraße. Mit massiver Kritik an der personellen Ausstattung wendet er sich hilfesuchend an den Landesverband der Pflegekassen, die Knappschaft in Bochum, und an die Heimaufsicht in Mülheim. „Wir möchten Sie dringend um intensive unangemeldete Kontrollen bitten“, schreibt der Betriebsrat.

Die Pflege der Bewohner sei alles andere als ausreichend, schildert er. Bewohner müssten teilweise tagelang im Bett bleiben, da Personal fehle. Auch von verärgerten Angehörigen ist die Rede. In dem Seniorenzentrum leben rund 250 Menschen.

Gefahr von Infektionen

In einem vierseitigen Schreiben, das der WAZ vorliegt, wird davon berichtet, dass eine ausreichende Ernährung sowie eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr an manchen Tagen nicht gewährleistet sei. Gravierend sollen sich die Engpässe in der direkten Körperpflege auswirken: „Nach unseren Beobachtungen erhalten viele Bewohner meist nur eine frische Einlage und werden nicht mehr ausreichend gewaschen“, so der Betriebsrat. Man sieht die Gefahr von Infektionen. Vermehrt müssten Pflegekräfte feststellen, dass Bewohner sich wund gelegen haben. Sogar die Versorgung mit notwendigen Medikamenten liegt nach dem Bericht im Argen. „Bewohner und Personal beklagen, dass Medikamente fehlen und es nicht mehr nachvollziehbar sei, welche Medikamente dem Bewohner verabreicht werden. Und: Sogar von Fälschungen der Pflegedokumentationen vor Kontrollbesuchen berichtet der Betriebsrat.

Es sei nicht das erste Mal, dass man über die Missstände auch gegenüber der Geschäftsführung und der Heimleitung klage, sagt der Vorsitzende des Betriebsrates, Herbert Fischer. Auf zwei getrennten Wohnbereichen seien oftmals nur vier Pflegekräfte für 65 Bewohner mit unterschiedlichen Pflegestufen eingesetzt, darunter oftmals nur eine Pflegefachkraft. „Eine Schülerin musste vier Wochen lang einen Wohnbereich mit bis zu 14 Bewohnern allein versorgen.“ Die Pflegedienstleitung sei nur zur Medikamentenvergabe erschienen.

Missstände nicht aufgefallen

Die Mülheimer Heimaufsicht kontrolliert das Haus regelmäßig, werde die Kontrollen heute fortsetzen, heißt es. Grobe Missstände seien jedoch nicht aufgefallen.

Peter Stöppler, seit 35 Jahren im Geschäft und seit wenigen Wochen Leiter des Mülheimer Hauses, weist die Vorwürfe weit von sich. „Es gibt keine Bewohner, die unter einem Mangel an Pflegekräften in irgendeiner Form Nachteile ertragen mussten“, sagt er im Gespräch mit der WAZ. Allerdings räumt er einen viel zu knappen Personalschlüssel ein, unter dem alle Pflegeeinrichtungen zu leiden hätten. „Wir sind an diesen Schlüssel wie alle Häuser gebunden.“ Krankheitsfälle, Fortbildung und Urlaub förderten diesen Engpass noch. „Da müssen wir manchmal das Personal hin- und herschieben.“

Wohl auch die Bewohner, wie der Betriebsrat beklagt. Namentlich werden Personen aufgelistet, die derartige Nachteile ertragen müssten. So sei eine Bewohnerin bereits zehn Mal im Haus verlegt worden. „Unter Tränen“ hätten manche Bewohner ihre Wohnbereiche verlassen müssen. Diese Verlegungen will die neue Heimleitung stoppen. „Ich will ein Haus mit mehr Herz “, betont Stöppel, der von Mitarbeitern für den neuen Stil sehr gelobt wird.

Mit „durchschnittlicher Note“ abgeschnitten

Eine Sprecherin der Knappschaft versicherte, dass man sich intensiv um die Vorwürfe kümmern werde. Bei einer Qualitätsprüfung im vergangenen Jahr, so die Knappschaft, habe das Haus mit „durchschnittlicher Note“ abgeschnitten. Es sei jedoch nicht das erste Mal, dass dort über Personalengpässe geklagt werde. Bereits 2006 und 2009 wurde daraufhin das Heim überprüft. Ergebnis: Die Zahl der Beschäftigten reicht aus, nur der Einsatz der Fachkräfte sei unbefriedigend geregelt.

Das Bonifatius-Haus gehört zur Maternus Altenheim GmbH mit Sitz in Berlin. Konfrontiert mit den Vorwürfen erklärt der Sprechen von Maternus, Matthias Langer: „Zu keinem Zeitpunkt ist ein Bewohner unserer Einrichtung gefährdet gewesen. Wir haben zu jeder Zeit vollumfänglich den Versorgungsauftrag sowie den Personalschlüssel erfüllt.“ Die Heimaufsicht habe erst Ende Oktober das Haus geprüft und die „Erfüllung des Personalschlüssels bestätigt“. Generell, so Langer, werde es für Pflegeeinrichtungen immer schwieriger, Personal zu bekommen. Der Betriebsrat kritisiert dagegen die Gründung von „Billiggesellschaften“ mit sehr niedrigen Stundenlöhnen.