Mülheim. .
Die Industrie- und Handelskammer schlägt Alarm: Die „dramatische Verschlechterung der Mülheimer Innenstadt als Handelsstandort“ erfordere unverzügliches Gegensteuern. Die City werde ob der weiter wachsenden Handelskonkurrenz in Nachbarstädten weiter an Anziehungskraft verlieren, wenn nicht endlich Schlagkraft gebündelt werde.
IHK-Hauptgeschäftsführer Dr. Gerald Püchel wählt drastische Worte für seine Zustandsbeschreibung: „Derzeit ist von der einst bekannten und blühenden Mülheimer City nur noch ein Torso übrig geblieben.“ Die Schließung des Kaufhofs im Mai 2010 sei nur ein negativer Höhepunkt in der Abwärtsbewegung gewesen. Auch die Ansiedlung weiteren großflächigen Einzelhandels rings um die Innenstadt hätte dazu geführt, dass die Situation sich „dramatisch verschlechtert“ habe.
Einziger Lichtblick seien die Investitionen im Forum, in Nebenlagen wie an der Leineweberstraße mache sich indes Leerstand breit. Insgesamt sei ein Qualitätsverlust im Handelsbesatz festzustellen.
Bereits im Herbst 2010 habe IHK-Präsident Dirk Grünewald beim Jahresempfang der Kammer Handeln für die City angemahnt. „Seither ist außer zahlreichen Konzeptentwürfen und Projektankündigungen unter dem Strich leider nur wenig Erfolgreiches passiert“, so Püchel.
Die IHK prophezeit weiteren Kaufkraftabfluss, wenn in der Nachbarschaft, etwa in Duisburg und im Raum Düsseldorf, weitere große Einzelhandelsflächen entstehen. Der Standort Mülheim drohe dadurch weiter an Bedeutung einzubüßen. „Derzeit“, so Püchel, „scheint es, als würde sich die Stadt von der Vision einer funktionierenden Innenstadt verabschieden, man scheint den Stillstand zu akzeptieren.“ Verwaltung und Politik seien gefordert, „mit Nachdruck an der Entwicklung der City zu arbeiten“. Eine Initiative könne, ja solle möglichst dazu führen, „Funktion und Struktur der Innenstadt neu zu denken“.
Die IHK bietet ihr Mitwirken an einer „Zukunftsinitiative Innenstadt Mülheim“ nach Vorbild der Innenstadtkonferenz in Essen an. Konkret wird die IHK allerdings nicht in der Umschreibung dessen, was getan werden könnte. Schwammig spricht sie von der Koordinierung bestehender Maßnahmen, der Entwicklung neuer Projekte und der Bündelung von Schlagkraft. „Kreative und ungewöhnliche Ansätze“ seien zu prüfen.
IHK: "Innenstadt in schwierigem Strukturwandel"
Bei der Stadtspitze herrscht Befremden ob der Schärfe in der Wortwahl der IHK. „Die Innenstadt befindet sich unzweifelhaft in einem lang anhaltenden, schwierigen Strukturwandel“, ließ sich Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld zitieren. „Aber sie ist nicht so schlecht wie ihr Ruf.“ Dafür gebe es Indikatoren: neu eröffnete inhabergeführte Läden, die Initiative der Künstler an der Wallstraße, die angelaufenen Bauarbeiten an der Ruhrpromenade sowie der überaus gute Zuspruch für die neu aufgestellte Werbegemeinschaft.
Die WGI zählt mittlerweile 110 statt zuvor mickrige 30 Mitglieder. Vorsitzender Hermann-Josef Pogge will die Probleme der City nicht leugnen („Die Situation ist sicher nicht doll“), das IHK-Papier verbreite aber zu sehr „Endzeitstimmung“ – das sei kontraproduktiv, weil man so einen Abwärtstrend stütze.
Pogge nimmt hingegen Aufbruchstimmung wahr, weiterhin gebe es reichlich inhabergeführten Qualitätshandel. Alle Beteiligten am Innenstadt-Geschehen seien konstruktiv und kontinuierlich im Gespräch. Es gebe ein „zartes Pflänzchen Hoffnung“ – durch das 20-Mio-Euro-Invest am Forum, auch die vermeldete Einigung für ein Ärztezentrum auf dem Ruhrbania-Baufeld 2. „Das wird sicher deutlich Bewegung bringen, Belebung über den Rathausmarkt über die Dröppelminna zur Schloßstraße. Das ist zwar nicht morgen schon der Fall, aber zumindest sind Anfänge da.“