Mülheim. . Die Mülheimer Stromkunden gehören zu den besonders wechselwilligen in der Republik - nach den Berlinern und Leipzigern. Das hat das Online-Verbraucherportal Toptarif.de herausgefunden. Das kostet den Versorger RWE Geld, hilft den Kunden aber sparen.
Der einstige Alleinunterhalter RWE profitiert weiterhin kräftigt von seiner ehemaligen Monopolstellung gegenüber Mülheimer Stromkunden. Der rein finanzielle Verlust, den Mülheimer Haushalte jährlich machen, die immer noch an RWE hängen, geht weit in die Millionen. Zunehmend gerät der Platzhirsch aber unter Druck.
Das zeigt aktuell eine Erhebung des Online-Verbraucherportals Toptarif.de. Der Anbieter, der Tarifrechner für wechselwillige Stromkunden unterhält und über den der Wechsel jährlich auch hunderttausendfach vollzogen wird, hat für 2010 anhand seiner eigenen Zahlen untersucht, wie es um die Wechselbereitschaft in den 80 deutschen Großstädten bestellt ist.
Und, siehe da: Nach Berlinern und Leipzigern zeigen sich die Mülheimer besonders wechselwillig. Im Jahr 2010 haben in Mülheim – gemessen an der Haushaltszahl – 50 Prozent mehr Stromkunden ihren Anbieter gewechselt als im Durchschnitt aller 80 deutschen Großstädte.
Konkurrenz ist 13,6 % günstiger als RWE
Die von Toptarif.de für Mülheim konstatierte Wechselbereitschaft dürfte stark mit den Preisstrukturen hier vor Ort zusammenhängen. Dass RWE momentan in seinem Grundversorgergebiet in Sachen Kunden- und Imagepflege angesichts der wachsenden Preissensibilität der Verbraucher auf dem Holzweg sein dürfte, zeigt eindrucksvoll ein Preisvergleich für einen Musterhaushalt mit vier Personen und 4000 kWh Jahresverbrauch.
Im RWE-Tarif „Pur Strom“ müssen Mülheimer Verbraucher für diese Strommenge 1030,54 Euro berappen. Selbst wenn man Angebote mit Kaution oder Vorauskasse, vor denen Verbraucherschützer warnen, außen vor lässt und einmalige Boni nicht einrechnet, gilt: Bei insgesamt 87 Anbietern am Mülheimer Markt landet RWE sehr weit oben auf der Preisskala. 69 Wettbewerber kommen mit einem preisgünstigeren Tarif als der ehemalige Monopolist daher, darunter gar 35 Ökostrom-Anbieter.
In besagter Auswahl sind die Stadtwerke Düsseldorf momentan am günstigsten: Sie verlangen für 4000 kWh 890 Euro – gut 140 Euro beziehungsweise 13,6 % weniger als RWE. Auch bei der Tengelmann-Tochter „Grün-Haus Energie“ mit Zentrale an der Wissollstraße in Speldorf, die TÜV-zertifizierten Strom aus Wasserkraft verkauft, kommen Verbraucher noch um 56 Euro günstiger weg. Strom der Medl ist seit Juli im Kombi-Produkt „Doppelwatt“ (inklusive Gasliefervertrag) zu haben – der örtliche Versorger ist bei besagtem Verbrauch 110 Euro günstiger als RWE.
RWE in Oberhausen günstiger als in Mülheim
Noch ärgerlicher: In Oberhausen, wo RWE nicht noch Gewinne aus einstiger Monopolstellung abschöpfen kann, sondern als neuer Wettbewerber auf dem Markt agiert, gibt es den Strom des Energieriesen gleich erheblich billiger als in Mülheim, bei 4000 kWh beträgt der Preisunterschied satte 123 Euro. Der dort angebotene Tarif „Smart Line“ setzt auf Attacke, quersubventioniert wird er durch den Preis, den auch die Mülheimer RWE-Kunden zahlen.
Bei der RWE Vertrieb AG mag man diese Deutung der Marktstrategie freilich nicht. „Das würde ich überhaupt nicht so sehen“, sagte gestern Sprecher Klaus Schultebraucks. In Oberhausen müssten die Kunden etwa auch auf eine Beratung im Kundencenter, auch auf Informationen aus dem Kundenmagazin verzichten.
Ob dies bei einem Vier-Personen-Haushalt allerdings 140 Euro pro Jahr wert ist, müssen die mündigen Verbraucher selbst entscheiden.