Mülheim. . Der Energieriese RWE und der lokale Anbieter Medl streiten um die Stromkonzession in Mülheim. Es geht um Investitionen in zweistelliger Millionenhöhe. RWE will mit seiner Größe punkten - und stellt sich als verlässlichen Partner da.
Planungssicherheit – mit diesem Wunsch trat RWE im vergangenen Jahr an die Stadt heran. Der Energiekonzern möchte seine 2014 auslaufende Stromkonzession, die ihm das Recht gibt, im öffentlichen Raum Stromleitungen zu verlegen und zu betreiben, vorzeitig um 20 Jahre verlängert sehen. Man brauche diese Planungssicherheit, weil Investitionen ins Stromnetz in zweistelliger Millionenhöhe anstünden, so die Begründung.
Strukturwandel soll überdimensioniertes Netz hinterlassen haben
RWE ist seit mehr als 70 Jahren in der Stadt verwurzelt, die Stadt hält Konzern-Aktien, Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld sitzt im Aufsichtsrat des Konzerns. Kurzum: RWE sieht sich als verlässlicher Partner, Mülheims Stadtspitze sieht die Stromkonzession bei den Essenern in guten Händen. Ein Engagement der Medl auf diesem Feld wird abgelehnt. Es rechne sich nicht, so Dr. Hendrik Dönnebrink, Chef der städtischen Beteiligungsholding. Der Rückkauf des Netzes auf Pump enge zu sehr die Spielräume für andere nötige Investitionen ein.
Laut RWE würde sich die Stadt mit dem Netzbetrieb eine Großbaustelle ans Bein binden. Der Strukturwandel habe ein überdimensioniertes, auf mehr Schwerindustrie ausgerichtetes Netz hinterlassen, das nun, da sich die neuen Strukturen verfestigt hätten, rückzubauen sei, so Herbert Weber, bei RWE zuständig für das Konzessionsvertragsmanagement. „Die elektrische Anschlussleistung ist viel zu groß.“ Umspannanlagen hätten ihre Funktionalität eingebüßt. Einige Anlagen will RWE zeitnah neu bauen.
Regenerative Energie als Herausforderung
Eine andere Herausforderung, der man sich bei Investitionssicherheit stellen wolle: dem Umbau des Netzes gemäß der (politischen) Anforderung, dass immer mehr dezentral erzeugte, regenerative Energie ins Netz einzuspeisen ist – in Mülheim etwa von Blockheizkraftwerken und, befördert von der Klimainitiative, aus Solaranlagen, deren Anzahl am Ort „explosionsartig“ zugenommen habe, so Franz-Josef Schulte, Leiter für den Bereich Geschäftsentwicklung und Kooperation in der RWE-Netzsparte. Nicht mehr nur der Transport vom Kraftwerk in den Haushalt sei heute zu gewährleisten, sondern auch der umgekehrte Weg, sagt Weber. Das mache neue Verkabelungen nötig, auch intelligente Steuerungs- und Leittechnik.
Bei all diesen Zukunftsaufgaben sieht sich RWE ob seiner Erfahrung und Größe im klaren Vorteil gegenüber einem kleinen, quer einsteigenden Stadtwerk à la Medl. Erhebungen der Bundesnetzagentur zeigten etwa, dass bei RWE im Netzbetrieb nur 87 % der Kosten von denen anfielen, mit der der Durchschnitt kleiner Stadtwerke zu kalkulieren habe. So könne RWE das Netznutzungsentgelt, einen Kostenbestandteil für die Verbraucher, vergleichsweise niedrig halten. Das könne auch ein Wettbewerbsvorteil für ortsansässige Firmen sein. Auch falle es einem großen Konzern wie RWE leichter, die gesetzliche Pflicht zu erfüllen, die Effizienz pro Jahr um 1,5 % zu erhöhen. Da Abweichungen von der Effizienzvorgabe von der Bundesnetzagentur für die Kalkulation von Netznutzungsentgelten nicht anerkannt werden, verschlechtere sich für kleine Stadtwerke im Netzbetrieb schnell die Ertragsaussicht.
RWE will mit Größe punkten
Ein weiterer Größenvorteil von RWE, so Weber, zeige sich im tagtäglichen Betrieb – wenn etwa der seltene Fall eines Stromausfalls auftrete. Dass dann ein großes Notfallaggregat vorgehalten werden müsse, sei für RWE bei seinem weitläufigen Stromnetz quer durch die Republik (rund 1900 Konzessionsgemeinden) kein Problem. Das Aggregat könne heute hier, morgen dort zum Einsatz kommen. Ein kleines Stadtwerk müsse aber einzig und allein für ein kleines Netzgebiet solch ein teures Aggregat anschaffen. Apropos Anschaffungen: Auch hier habe RWE Vorteile, komme über Mengenbestellungen günstiger an Anlagen und Ersatzteile.
Weber fasst zusammen: „Wir sind der große, technisch versierte Partner im Bereich der Stromversorgung. Durch unser technisches Know-how und unsere Größe können wir niedrigere Netzentgelte für unsere Kunden bewerkstelligen. Wir sichern der Stadt risikofrei Konzessionsabgaben und Gewerbesteuerzahlungen zu und halten ein hoch modernes Netz vor, dass den Ansprüchen zukünftiger Entwicklungen gerecht wird, weil wir die finanzielle Kraft zum Investieren haben. Wir sichern Arbeitsplätze vor Ort und dokumentieren dadurch unsere regionale Nähe. Fast 51 Mio Euro Lohn und Gehalt zahlen wir für Mitarbeiter, die in Mülheim wohnen. Für 86 Mio Euro jährlich kaufen wir in Mülheim ein.“