Mülheim. Wer soll in Zukunft die Stromzufuhr in Mülheim verantworten? Eine Frage, die bei der Bürgerverantaltung am Donnerstag in der Stadthalle gestellt wurde. Die Alternativen: den Vertrag mit RWE verlängern oder an die Stadttochter Medl vergeben.
Am Ende der Bürgerveranstaltung zum Pro und Contra einer Übernahme des Stromnetzbetriebes durch die Medl blieben am Donnerstagabend in der Stadthalle viele Fragezeichen stehen. Moderator Dr. Claus-Michael Allmendinger, Vorstand der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Rölfs WP Partner, schickte die 100 Besucher auf unsicheren Pfad: „Sie werden eine Entscheidung mit unvollständigen Informationen treffen müssen.“
Das sitzt tief bei manch einem, der nicht nur von hohen Renditen für die Stadtkasse träumt, sondern im Extremfall gar davon, RWE den Netzbetrieb wegzunehmen, um unter dem Eindruck der Atom-Gefahr in Japan selbst in der Hand zu haben, welcher Strom-Mix künftig durchs Mülheimer Stromnetz jagt.
Diskriminierungsfreier Zugang zum Stromnetz
Geplatzte Träume, Punkt 1: Ob nun Atom- oder Ökostrom – das machten alle vier Experten auf dem Podium deutlich: Ein Netzbetrieber hat es nicht in der Hand zu bestimmen, was durch sein Netz fließt. Er muss „diskriminierungsfreien Zugang“ zum Netz gewähren. Auch einem Stromanbieter, der zu 100 Prozent Atomstrom im Angebot hat.
Geplatzte Träume, Punkt 2: Wenn sich der Rat dazu entscheiden sollte, die Stromkonzession an die Stadttochter Medl zu vergeben und das Netz zurückzukaufen, wird das risikobehaftet sein. Denn nur RWE weiß, in welchem Zustand das Stromnetz ist und welche Investitionen zu tätigen sind. In den alten Konzessionsverträgen findet sich kein Passus, der RWE zur Pflicht macht, alle Daten für eine sichere Bewertung offenzulegen. Am Ende des Verhandlungspokers könnte die Stadt einen zu hohen Preis zahlen.
Rendite der Stromnetzbetreiber höher als der Kreditzins
Das allein wäre noch kein Problem, sind die Renditen für Stromnetzbetreiber allemal höher als der marktgängige Kreditzins. Problem aber ist: Nur wenn die Bundesnetzagentur im Nachgang den vollen Kaufpreis akzeptiert, kann dieser auch voll in die Kalkulation der Netznutzungsentgelte einfließen. Mit den Entgelten, die im Strompreis stecken und die der Netzbetreiber von jedem verlangen kann, der Strom durch sein Netz schickt, würde die Medl ihre Rendite verdienen. Akzeptiert die Regulierungsbehörde den Kaufpreis aber nur zum Teil, kann dies die Rendite erheblich mindern. Auf dem Podium saßen zudem mit Andreas Seifert ein Vertreter vom Verband kommunaler Unternehmen, mit Andrees Gentzsch ein Geschäftsführungsmitglied des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) und zwei Vertreter aus Städten: Kämmerer Ulrich Kiedaisch aus Ludwigsburg berichtete vom erfolgreichen Einstieg ins Netzgeschäft, Bürgermeister Lothar Christ aus Werne von der letztlich ablehnenden Haltung seiner Stadt.
Er war es auch, der den Mülheimer Verbrauchern wenig Hoffnung machte, dass die Medl in der Lage sein könnte, durch niedrig gehaltene Netznutzungsentgelte für einen tendenziell niedrigeren Strompreis sorgen zu können. Die Einflussmöglichkeiten seien „marginal“. BDEW-Vertreter Gentzsch argumentierte gar in die Gegenrichtung: Größere Netzbetreiber könnten effizienter arbeiten und daher die Kosten geringer halten.
Kurze Laufzeit für Konzessionsvertrag mit RWE empfohlen
Moderator Allmendinger schloss mit einem Appell an Mülheims Politik: Sie fahre wohl am besten damit, einen neuen, mit kurzer Laufzeit versehenen Konzessionsvertrag mit RWE abzuschließen, der dann aber für die nächste Entscheidung umfassende Informationen zum Netzzustand durch RWE zusichere. „Dann können Sie beim nächsten Vertrag besser entscheiden.“