Mülheim. .
RWE und Mülheim haben eine schwierige Beziehung: Nach jahrelanger Monopolstellung herrscht jetzt Wettbewerb auf dem Mülheimer Energiesektor. Viele Kunden ärgern sich über die immer noch hohen RWE-Preise – das Unternehmen indes wirbt um Anerkennung.
„Oh Mann, willst du dir das wirklich antun?“, gestand Dr. Arndt Neuhaus, Vorstand der RWE Rheinland Westfalen Netz AG, doch Bauchschmerzen ob des Referatsthemas ein, das er am Mittwoch in Vertretung seines erkrankten Konzernchefs Dr. Jürgen Großmann beim Martinsgansessen der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung (MIT) der CDU im Restaurant Caruso halten sollte. Freilich: Kneifen wollte er nicht. Er will ja Freund sein.
RWE und Mülheim? Ein emotional aufgeladenes Thema. Der Energieriese genoss hier jahrzehntelang Monopolstellung, jetzt herrscht Wettbewerb, auch wenn viele Stromkunden dem teuren RWE-Tarif (noch) treu sind. RWE-Vorstand Dr. Arndt Neuhaus berichtet doch davon, dass es aktuell vielen Mitarbeitern im Konzern „keinen Spaß macht, zur Arbeit zu gehen“, so wuchernd seien die Anfeindungen, manchmal „ideologisch verbrämt“, oft mit „falschen Fakten“ vorgetragen. „Wir sind oft Feindbild“, so Neuhaus. Ein Stück weit trage RWE indes selbst Schuld, dass dem so sei: „RWE hat lange verpasst zu erklären, wie der Strom eigentlich aus der Steckdose kommt.“ So selbstverständlich sei es eben nicht, immer dann elektrische Energie verfügbar zu halten, wenn gerade irgendwo irgendwer eine Lampe anknipsen wolle.
„Eine technische Revolution“
„Wir müssen sehen, dass wir Freunde gewinnen“, sagt Neuhaus. Und wirbt um mehr Anerkennung, gerade in Mülheim, wo RWE seit 70 Jahren verwurzelt sei, wo das Unternehmen heute wichtige Impulse gebe für „eine technische Revolution“ in der Energiewirtschaft.
Neuhaus nannte das Projekt „Smart Metering“. So sollen in Mülheim bis Ende 2011 116 000 Stromzähler gegen intelligente Messgeräte ausgetauscht werden, mit denen Stromverbräuche fernausgelesen werden können. „Wir lernen hierbei viel über den Energieverbrauch der Zukunft. Wir müssen wissen, wann in welchem Stadtteil wie viel verbraucht wird“, so der RWE-Vorstand mit Blick auf das Ziel Deutschlands, die CO2-Emissionen bis zum Jahr 2035 durch das vermehrte Einspeisen regenerativer Energien um 35 % zu senken.
Dies stelle die Energiewirtschaft vor immense Herausforderungen. Schließlich sei nicht gewährleistet, dass der Wind zu dem Zeitpunkt blase, wenn Energie in den Haushalten gebraucht werde. Auch die Sonne scheine nicht nach Bedarf. So sei RWE gefordert, Möglichkeiten der Energiespeicherung zu erforschen, auch müsse man anhand Tageszeit-genauer Verbrauchsdaten „das Verhalten der Menschen so verändern, dass sie dann so viel Strom verbrauchen, wenn der Wind bläst und die Sonne scheint“. Insgesamt sei eine Menge (Steuerungs-)Intelligenz in die Stromnetze zu bringen, um der Unsicherheiten einer vermehrt nicht kraftwerksgenerierten, dezentralen Energieeinspeisung Herr zu bleiben.
Interesse der Medl
Die RWE Netz investiere derzeit nahezu ihren kompletten Vorsteuerjahresgewinn (700 Mio Euro) in die Netze, wie berichtet bemüht sich der Energieriese auch um eine frühzeitige Verlängerung seiner Konzession in Mülheim, um „Planungssicherheit“ für Investitionen zu haben. Dagegen steht das mögliche Interesse der Medl, das Millionengeschäft mit dem Netz selbst zu machen.
Aber ist RWE deshalb Feind der Mülheimer? Natürlich nicht, findet Neuhaus – und zählt auf: 30 Mio Euro Wertschöpfung allein durch den Austausch der Stromzähler, Konzessionsabgaben, Aktiendividenden und Steuern für die Stadt, jährlich Aufträge im Wert von über 80 Mio Euro für Mülheimer Unternehmen, das Zusammenwirken mit der Medl und dem RWW auf dem Feld der Innovationen . . .
„Die Diskussion Feind oder Freund“, sagt Neuhaus zum Schluss, „macht keinen Sinn – und keinen Spaß“. Besser sei es doch, gemeinsam die Herausforderungen anzunehmen und sich die Chancen zu erschließen, die sich in der Energiewirtschaft böten.