Stromriese RWE will es wissen: Vertraut ihm Mülheim weiterhin und langfristig den Betrieb des städtischen Stromnetzes an?
RWE hat, wir berichteten, die Stadt gebeten, die Konzession trotz laufenden Vertrages bis 2014 schon jetzt im Bieterverfahren neu zu platzieren. Man benötige Planungssicherheit für notwendige Großinvestitionen ins Netz, so die Begründung von RWE. Tatsächlich dürfte RWE auch deshalb auf eine schnelle Verlängerung der Konzession aus sein, weil immer mehr Städte dazu übergehen, den Betrieb des Stromnetzes (wieder) in Eigenregie zu übernehmen, um sich ein lukratives Geschäft zu sichern. Die vorzeitige Neuvergabe der Konzession ist in Mülheims Politik umstritten. Die WAZ stellt an dieser Stelle Fakten zusammen:
Was ist eine Stromkonzession? Es ist ein für zehn oder 20 Jahre gültiger Vertrag zwischen einer Stadt und einem Stromnetzbetreiber. Die Konzession regelt eine Art Wegerecht, Endkunden an das Stromnetz anzuschließen und das Netz zu pflegen.
Wer profitiert? Für das Wegerecht zahlt der Netzbetreiber der Stadt eine jährliche Konzessionsabgabe, Mülheim kassiert 8 Mio Euro. RWE kann zurzeit seinen eigenen Strom kostenlos durch die Leitungen schicken. Von Mitbewerbern kassiert RWE für die Durchleitung ein von der Regulierungsbehörde zu genehmigendes Entgelt pro Kilowattstunde. Früher war der Betrieb von Netzen mit Renditen von 15 % höchst lukrativ, heute sind immer noch Renditen von 8 bis 9 % zu erzielen.
Wer wäre eine Alternative zu RWE? Die Stadt könnte den Netzbetrieb selbst übernehmen, müsste hierfür eine Gesellschaft an die Medl andocken und die Netz-Infrastruktur von RWE kaufen, gemessen am Ertragswert dürften wohl an die 50 Mio Euro fällig werden. Ein Blick in den aktuellen Medl-Geschäftsbericht von 2009 zeigt, dass einer fremdfinanzierten Wertsteigerung des Unternehmens betriebswirtschaftlich nichts im Wege steht. Die Medl hat eine in der Branche ungewöhnlich hohe Eigenkapital-Quote. Bis zum 15. Dezember läuft das Bieterverfahren für die neue Stromkonzession. Unklar ist bis jetzt, ob die Medl ihren Hut in den Ring wirft.
Hätte die Medl eine Chance, den Zuschlag zu bekommen? Das letzte Wort hat die Politik. Der Chef der städtischen Beteiligungsholding allerdings, Dr. Hendrik Dönnebrink, warnt eindringlich davor, Schulden für den Netzkauf aufzunehmen. Seine Argumentation: Ein Millionen-Kredit der Medl würde zu 100 % in die Bilanz der Beteiligungsholding eingehen, das Ergebnis der Medl nur zu 51 %, dem Anteil der Stadt an der Medl. Dies hätte negative Auswirkungen auf das Banken-Rating. Kredite würden so künftig für andere Stadttöchter unter dem Dach der Holding in einem Maße teurer, dass sich der Stromnetz-Erwerb in der Summe nicht rechnen ließe. Dönnebrink nennt als Beispiele Investitionsbedarfe für die Seniorenheime, die Restaurierung von Schloß Broich, die Ertüchtigung von Nahverkehr und Wohnungsbestand. Er appelliert an die Politik, das große Ganze im Blick zu haben und zu rechnen wie ein Privatmann: „Ich kann mir auch nicht gleichzeitig Urlaub, ein Pferd, Auto und Haus leisten.“ Die Politik, so Dönnebrink, müsse angesichts der Kassenlage Prioritäten setzen, zwischen Kür (Stromnetzbetrieb) und Pflicht unterscheiden.
Würde eine Entscheidung zugunsten von RWE die Entwicklung der Medl blockieren? Der Betrieb des Stromnetzes ist für die Medl ein mögliches, auch gewinnträchtiges Wachstumsfeld, aber nicht das einzige. Interessant könnte es für die Medl sein, in die Erweiterung seiner Stromerzeugung zu investieren, etwa durch den Bau weiterer Blockheizkraftwerke. Zudem wäre der Vertrieb von Strom möglich.