Mülheim. Aldi Süd führt Doppelkassen ein: Zwei Kunden packen und zahlen parallel. Zur Kritik schweigt der Konzern. So läuft es in einer Mülheimer Filiale.
Einkauf bei Aldi Süd an der Hansastraße: Wer sich mit vollgepacktem Wagen oder wenigen Teilen auf dem Arm dem Kassenbereich nähert, hat die Wahl. Alt oder neu? Einfach oder doppelt? Der Discounter in Mülheim-Speldorf gehört zu den Filialen, die schon mit neuen Kassensystemen ausgestattet sind.
Neben zwei konventionellen Kassen gibt es an der Hansastraße zwei weitere, wesentlich breitere. Sie verfügen über einen doppelten Warenschacht, jeweils mit separatem EC-Terminal und Bondrucker. Während ein Einkauf - bargeldlos - bezahlt wird, zieht der Kassierer oder die Kassiererin schon die nächsten Waren über den Scanner. Nahezu pausenlos. Das Warten, bis jemand Münzgeld hervorgekramt oder seine Sachen in der Tasche verstaut hat, entfällt. Zeit zum Durchatmen für die Kassierenden entfällt vermutlich auch.
Aldi-Filiale an der Mülheimer Hansastraße hat schon Doppelkassen
Die Doppelkassen seien besser, meint eine Kundin, die beim Aldi-Einkauf ihr Baby im Kinderwagen dabei hat, „aber nicht für die Mitarbeitenden“. Oder doch? Der Mann im Aldi-Shirt hinter dem Scanner findet die neue Lösung eindeutig besser, wie er sagt: Er könne die Kundschaft nun wesentlich schneller abfertigen, müsse seltener eine neue Kasse für die Wartenden öffnen.
„Bei Aldi geht es generell unheimlich flott“, sagt eine junge Kundin, während sie auf dem Parkplatz ihr Auto belädt. „Jetzt geht es noch schneller, das finde ich gut.“ Sie kaufe seit etlichen Jahren in der Filiale an der Hansastraße ein, habe also den Vergleich. „Das Personal ist Stress wohl gewohnt.“
„Es geht mit den neuen Kassen schneller“, meint ein weiterer Aldi-Kunde, den wir nach seinem Einkauf in Mülheim-Speldorf befragen. „Ich sehe es also positiv. Aber man wird ja auch älter. Es könnte schwierig sein für Menschen, die so ein Tempo beim Einkaufen nicht mehr draufhaben.“
Discounter Aldi Süd führt flächendeckend neue Kassensysteme ein
Seit Januar 2023 führt Aldi Süd die neuen Kassensysteme nach und nach ein, damit sich der Einkauf „effizienter und angenehmer gestaltet“, wie es in einer Mitteilung des Unternehmens heißt. Sie sollen die bestehenden Kassen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Zuvor wurden sie nach Angaben von Aldi Süd in 30 Filialen getestet. Sukzessive sollen alle Aldi-Süd-Geschäfte mindestens eine Doppelkasse erhalten. Beschrieben wird das System so: „Während ein Kunde bzw. eine Kundin den Einkauf mit der EC-Karte bezahlt, kann bereits mit dem Erfassen des nächsten Einkaufs begonnen werden. (...) Damit bleibt mehr Zeit zum Einpacken der Ware.“
Zusätzlich werden seit Anfang vergangenen Jahres ausgewählte Aldi-Süd-Filialen „in urbanen Räumen“ mit Selbstbedienungskassen ausgestattet, um Warteschlangen zu vermeiden. Besonders im Blick seien zum Beispiel Standorte in der Nähe von Schulen oder Bürogebäuden, bei denen viele kleine Einkäufe getätigt werden. „Hier eignen sich Self-Checkout-Kassen hervorragend, um mögliche Schlangen im Kassenbereich zu entzerren“, erklärte Aldi-Süd-Manager André Giesen zum Start.
„Spiegel“-Artikel schlug Wellen: Beschäftigte schildern Stress und Frust
Vor einigen Wochen wurden die Aldi-Süd-Kassen plötzlich deutschlandweit zum Thema. Zündstoff lieferte Ende April ein Bericht im „Spiegel“. Unter der Überschrift „Frust an der Doppelkasse“ schilderten Beschäftigte ihre Probleme mit dem neuen, beschleunigten System. Kritikpunkte waren etwa: steigender Arbeitdruck oder ein höheres Risiko, dass Kunden den Discounter verlassen, ohne zu zahlen - versehentlich oder absichtlich.
Der Betriebsratsvorsitzende der Aldi-Süd-Niederlassung in Langenfeld sprach gegenüber dem „Spiegel“ von Schulter- und Rückenproblemen sowie enormer Erschöpfung, unter denen die Beschäftigten nach Einführung der Doppelkassen verstärkt klagten. Er plädierte für höhere Entlohnung an den Doppelkassen. Man bemühe sich, bis zum Jahresende eine entsprechende Betriebsvereinbarung zu erreichen.
Wie läuft‘s mit den neuen Kassen? Aldi Süd antwortet nicht
In wie vielen Filialen sind schon neue Kassen installiert? Reagiert Aldi Süd auf die Kritik aus der Mitarbeiterschaft? Wird über eine Betriebsvereinbarung verhandelt? Alle Fragen dieser Redaktion zu den neuen Kassensystemen lässt Aldi Süd unbeantwortet. Weder zum Stand der Einführung noch zu den Kritikpunkten oder möglichen Verhandlungen über eine Betriebsvereinbarung möchte das Unternehmen sich äußern. Eine Sprecherin teilt nur mit: „Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass Aldi Süd aus Wettbewerbsgründen grundsätzlich keine weiteren Angaben zu Projektfortschritten macht“. Wörtlich dieselbe Antwort bekam auch der „Spiegel“.
Beim „Ausrollen“ der neuen Kassensysteme im Januar 2023 erinnerte Aldi Süd an seine Discounter-Philosophie: „Gutes für alle.“ Darin seien die Mitarbeitenden ausdrücklich eingeschlossen. „Denn sie geben - als Herzstück der Filialen - täglich alles.“ Diesen Satz zumindest können wohl alle unterschreiben.
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