Mülheim. Jörg Müller (54) arbeitet bei der Feuerwehr in Mülheim - so langsam blickt er der Rente entgegen. Wieso ihn das zusätzliche Jahr verärgert.

Es geht ums Prinzip und gar nicht mal so sehr um ihn persönlich - das möchte Jörg Müller gleich klargestellt wissen. Der 54-Jährige ist seit Ende der 90er-Jahre als Feuerwehrmann tätig, 2012 wechselte er von Oberhausen an die Mülheimer Wache. Dass er mit seinen 54 Jahren schon in Richtung Rente gelinst hat, daraus macht der Mülheimer kein Geheimnis. Darum, dass ihn die Pläne der Landesregierung, das Rentenalter für Feuerwehrleute um ein beziehungsweise zwei Jahre anzuheben, getroffen haben, allerdings auch nicht. „Das war ein Schlag ins Gesicht“, gibt Jörg Müller unumwunden zu, nur um im selben Atemzug zu ergänzen. „Mir geht es momentan nicht unbedingt um das Jahr mehr Arbeit. Ich mag meinen Beruf und fühle mich jetzt auch noch fit.“

Vielmehr spiele das eine Rolle, was sich nicht quantifizieren lässt. „Wertschätzung, ganz einfach“, so Müller. „Viele von uns haben das Gefühl, im Stich gelassen zu werden.“ Seit Jahren bereits habe es schon Gerüchte um die Anhebung des Rentenalters gegeben, nun werden die Pläne konkreter. Dazu will die Landesregierung das Landesbeamtengesetz ändern. Betroffen wären vor allem Feuerwehrleute der Jahrgänge ab dem Jahrgang 1966, Schätzungen zufolge sind in Nordrhein-Westfalen davon etwa 16.000 Menschen betroffen.

Mülheimer Feuerwehrmann sieht Nachwuchsmangel als das Problem

„Das eigentliche Problem wird dadurch aber nicht gelöst“, erklärt Jörg Müller. Das ist aus seiner Sicht der Fachkräftemangel - „es kommen viel zu wenig Nachwuchskräfte und Interessenten nach“. Wenn keine Jungen kommen, arbeiten die Alten also länger? Eine Rechnung, die für Müller nicht aufgeht. „Dadurch bleiben Planstellen länger besetzt, die theoretisch an jüngere Kollegen gehen müssten.“ Was aber würde wirklich helfen? „Der Beruf muss attraktiver werden“, wird der erfahrene Feuerwehrmann deutlich.

Gerade für die jüngeren Kollegen seien die Einstiegshürden hoch, „ich habe großen Respekt vor der Ausbildung, die ist medizinisch deutlich anspruchsvoller als früher“. Damit meint Jörg Müller die Ausbildung zum Notfallsanitäter, die angehende Feuerwehrleute neben der Ausbildung zum Brandmeisteranwärter und einer zuvor abgeschlossenen (handwerklichen) Ausbildung neben dem bestandenen Sporttest vorweisen können müssen. „Als ich mich 1995 beworben habe, waren wir 700 Bewerber - heute kann man froh sein, wenn man 200 Bewerber findet.“

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„Ständige Alarme und Bereitschaft, auch das prägt einen über die Jahre“

Eine Möglichkeit zur Aufwertung des Berufs sieht Jörg Müller vor allem in der Personaldecke und der Entlohnung. „Wir brauchen mehr Personal auf den Wachen und auch eine höhere Gefahrenzulage.“ Der Job bringe viele Gefahren mit sich, zu unterschätzen sei das auf keinen Fall. „Ständige Alarme und Bereitschaft, auch das prägt einen über die Jahre“, gibt Müller einen persönlichen Einblick. Das Risiko für eine krankheitsbedingte Ausfallzeit sei bei Kollegen ab dem 55. Lebensjahr doppelt so hoch wie bei 50- bis 55-Jährigen. Für Krankheitsbilder wie Diabetes, Herzinfarkt, Depressionen und Krebs sei das Risiko durch die Arbeitsbelastung deutlich höher.

Was mit Kollegen passiert, die vor dem 60. Lebensjahr dienstuntauglich geschrieben werden, sei mehr als fraglich. „Zieht man sie bis zum neuen Pensionseintrittalters durch? Die Regierung stellt sich vor, dass sie Tagesdienstaufgeben auf den Wachen übernehmen oder in der Stadtverwaltung eingesetzt werden könnten.“ Ganz so einfach sei das aber nicht, „das sind keine Aufgaben zweiter Klasse“.

Schlafstörungen, Bluthochdruck und mehr: Mülheimer hat gesundheitliche Probleme

Er selbst, so Jörg Müller, sei über die Jahre geräuschempfindlich, schreckhaft und rastlos geworden. Hinzu kommen massive Schlafstörungen und Bluthochdruck. „Andere Kollegen erleiden ähnliche oder schlimmere Erkrankungen. Wenn du immer auf Abruf stehst, macht das auf Dauer etwas mit dir.“ Insofern sei der frühere Renteneintritt für den 54-Jährigen absolut gerechtfertigt, zumal die Wochenzahl der Einsatzkräfte mit 48 Stunden deutlich über der standardisierten 40-Stunden-Woche liegt. „Durch diese Mehrarbeit kommen wir dann auf 67 Jahre Arbeit.“

Jeder, der diese Zugeständnisse und großen Einschnitte infrage stelle, werte das Berufsbild der Feuerwehr ab. Freizeit auf den Feuerwehrwachen, um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten, seien ebenso normal wie der Einsatz bei Großschadenslagen. „Es ist gewissermaßen zweischneidig. Auf der einen Seite werden wir gelobt und kriegen Applaus, dann aber kommt so ein Vorschlag.“

Mülheimer Feuerwehrmann kritisiert die Landesregierung

Ihm selbst komme es so vor, als habe die Landesregierung zu lange sehenden Auges nicht reagiert und nun aus der Not heraus eine Idee ins Gespräch gebracht, die schon länger im Raum stand. „Mir tut es vor allem für die jüngeren Kollegen leid, was ist das für eine Perspektive?“ Das Renteneintrittsalter sei aus keiner Laune heraus entstanden, sondern sei vielmehr der hohen Belastung des Berufs geschuldet. Was vor vielen Jahren schon erkannt worden ist, habe in den letzten Jahren weiter zugenommen und werde wohl auch weiter wachsen, schätzt Müller: „Neben angestiegenen Einsatzzahlen, neuerer Technik, die ständig geschult werden muss, der dreijährigen Ausbildung zum Notfallsanitäter, werden Flexibilität, Multifunktionalität und Professionalität vorausgesetzt.“

Trotz allem: Für den Beruf des Feuerwehrmanns würde sich Jörg Müller immer wieder entscheiden. „Es ist ein toller Beruf. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich einiges ändern muss.“ Mehr Wertschätzung durch die Politik, bessere Bezahlung samt höherer Zulagen, Personalaufstockung und dann eben auch die optionale Möglichkeit auf eine Verlängerung, ganz ohne Zwang. „Dann klappt es auch mit dem Nachwuchs.“

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