Mülheim. Verschiedene Modelle zur Hilfe im Alter und gegen Vereinsamung hat es in Mülheim oft gegeben. Eine neue Idee soll nun Vieles davon verbinden.
Ob Netzwerk der Generationen, AG Nachbarschaft, die kommunale Konferenz für Alter und Pflege, die Dialog-Offensive Pflege oder das Bündnis für eine ethisch ausgerichtete Pflege – in Mülheim gab oder gibt es schon immer Zusammenschlüsse oder Gremien, die sich für hilfs- und pflegebedürftige Menschen starkgemacht haben. Nun schickt sich eine weitere Initiative an, all diese Ideen zu vereinen. Es winken Fördergelder und sogar eine besondere Rolle für Mülheim.
„Wir zusammen gemeinsam stark“. Zugegeben, klingt als Titel erst einmal nicht sonderlich innovativ. Schließlich wollten schon viele unterschiedliche Parteien, Vereine oder Personen gemeinsam stark sein – und waren es nicht. Ob die doppelte Betonung aus „zusammen“ und „gemeinsam“ daran etwas ändert?
Projekt entstand im Zusammenhang mit der Covid19-Pandemie
Erstmals vorgestellt worden ist das Projekt schon im November 2021. Damals drehte sich alles aber noch um die Bewältigung der Corona-Pandemie. Konkret gesagt um den „Aufbau einer nachhaltig wirksamen Unterstützungsstruktur zur Bewältigung psychosozialer Auswirkungen“ dieser Krise.
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Die schon weit vorher entstandene Grundidee hat die Pandemie aber überlebt und wurde innerhalb des jüngsten Berichts zur „Kommunalen Planung für Alter und Pflege“ noch einmal deutlich konkretisiert. Denn, so war man sich schon 2019 einig, nicht bloß der Mangel an Fachkräften sei die wesentliche Herausforderung zur Bewältigung der Pflege. Und die Annahme, Kommunen könnten in dem Punkt wenig helfen, sogar „vollständig verfehlt.“
Mülheimer Planungsgruppe: „Jeder könnte selbst betroffen sein“
Können sie doch, meinte schon damals eine Steuerungsgruppe im Sozialamt – bestehend aus Sozialplaner Jörg Marx, der Projektentwicklerin Birgit Mohr, dem Sprecher der ambulanten Dienste Martin Behmenburg und Prof. Harald Karutz von der Medical School Hamburg, der während der Pandemie dem städtischen Krisenstab angehörte und dort das psychosoziale Krisenmanagement koordinierte.
Das Planungsteam kam zu dem Entschluss, „dass es im Grunde niemanden gibt, der mit dem Thema Hilfs- und Pflegebedürftigkeit nichts zu tun hat. Gesamtgesellschaftlich kann sich niemand diesem Thema entziehen – zumal jeder selbst betroffen sein könnte.“
Pflege soll ihren „Bedrohungscharakter“ verlieren
Damit soll die Pflege enttabuisiert und von ihrem Bedrohungscharakter befreit werden. Stattdessen soll der mitmenschlichen Hilfe ein gutes Image verliehen werden – ebenso wie dem Gegenpart. „Dem oft verbreiteten Schamgefühl (insbesondere bei älteren Menschen) zur Entgegennahme von Hilfe soll positiv entgegengewirkt werden“, heißt es in der Veröffentlichung.
Hier könne die Kommune sehr wohl mit dem Aufbau einer „Community“ vorangehen, was auch fast immer ein Ziel moderner Quartiersarbeit ist. „Mit dem Hilfenetz bekäme die Realisierung dieses Zieles ein Gesicht“, heißt es seitens der Planungsgruppe.
Nicht mehr die Älteren sind von Insolation betroffen
Der erste Ansatz von Nachbarschaftshilfe und dem Durchbrechen der oft existierenden Anonymität klingt zunächst recht idealistisch, der Wunsch nach wieder etwas mehr Gemeinsinn und die Wunschhaltung „Ich verlasse mich auf Dich und Du kannst Dich auf mich verlassen“, gehen darüber noch hinaus.
Doch die Ideengeber betonen: „Während vor der Pandemie vor allem die Ältesten der Gesellschaft von Einsamkeit betroffen waren, hat das Phänomen nun die ganze Gesellschaft erreicht.“ Es gebe schon jetzt zunehmend Hinweise darauf, dass Frauen, Migrantinnen und Migranten ohne Deutschkenntnisse, junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren und Menschen mit geringer Bildung oder niedrigem Einkommen ein deutlich erhöhtes Risiko haben, infolge der Pandemie einsam zu sein.
Nicht nur Pläuschchen in der Nachbarschaft: Was das neue Netzwerk schaffen soll
Das geplante Netzwerk soll aber weit über Einkaufshilfen oder Nachbarschaftspläuschchen hinausgehen. Genauso wenig soll es nicht das Ziel sein, die Aufgaben professioneller Pflege an Bürgerinnen und Bürger zu übertragen. Wohl aber, dass alle vorhandenen und noch neu zu schaffenden Hilfen so miteinander verbunden werden, dass jeder Mensch in die Lage versetzt wird, schnell und unbürokratisch Lösungen zu finden: von der nachbarschaftlichen Hilfe bis zur sozialen Regelleistung der Stadt oder eines Trägers.
So viele Pflegebetten gibt es in Mülheim
Eine komplette Evaluierung aller bestehender Angebote im Bereich Pflege steht durch das angestrebte Konzept freilich noch aus. Ein paar Zahlen (alle Stand 31. Dezember) hat der Bericht zur „Kommunalen Planung für Alter und Pflege“ aber bereits enthalten.
Demnach verfügt Mülheim mit 17 stationäre Versorgungseinrichtungen mit einer Bettenkapazität von insgesamt 1896, zehn Tagespflegeeinrichtungen mit 161 Betten sowie 21 Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige Bewohnerinnen und Bewohner mit 201 Plätzen. Hinzu kommen neun Einrichtungen im Bereich „Wohnen mit Service“.
In 14 Begegnungsstätten oder Quartierspunkten können Seniorinnen und Senioren zusammenkommen. 43 ambulante Dienste sind in Mülheim gemeldet.
Geplant ist der Betrieb einer zentralen Beratungsstelle, die Durchführung von Netzwerktreffen und Workshops, die systematische Erhebung verfügbarer Unterstützungsangebote einerseits sowie der vorhandenen Bedarfe andererseits, die Koordinierung unterschiedlichster Angebote und Initiativen sowie der Etablierung einer Internetplattform inklusive App. Die Hamburger Medical School wird das Vorhaben als gleichberechtigter Verbundpartner wissenschaftlich begleiten.
Dreijähriges Förderprogramm steht zumindest in Aussicht
Das Land hat für ähnliche Projekte eine dreijährige Regelförderdauer plus einjähriger Verlängerungsoption in Aussicht gesetzt. Die vom Landtag eingesetzte Enquetekommission hält zudem Modelkommunen für sinnvoll.
Genau darum möchte sich die Stadt Mülheim bemühen. Das in der Schlussfassung vorliegende Konzept soll in Kürze dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales geleitet werden.
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