Mülheim. Dickswall und Althofstraße in Mülheims Innenstadt sind Großbaustelle. Arbeiten stockten wochenlang. Betroffene wollen wissen, wie es weitergeht.

„Wir sind die mit dem Bagger vor der Tür“ haben die Inhaber des neuen Vinylladens „Plattenjunk‘s“ vor etwa zwei Wochen auf Instagram gepostet, illustriert mit dem Foto einer wuchtigen Baumaschine, die direkt vor ihrem Geschäft am Dickswall 4 steht. „Ihr findet uns nicht? (...) Kein Problem. Die Stadt Mülheim war so nett und hat uns einen großen roten Bagger vor das Schaufenster gestellt.“ Party-Emoji.

Doch lustig finden Marc Sander und Daniel Lehmann die Situation nicht. „Ich habe nichts gegen die Baustelle an sich“, sagt Daniel Lehmann, doch der Bagger habe sich wochenlang nicht bewegt. Von Kunden hätten sie gehört, dass ihr Laden von der Straße aus kaum zu sehen, schwierig zu finden sei. Keine idealen Voraussetzungen, um den erst Ende September eröffneten Shop ans Laufen zu bringen. „Wir können nicht messen, wie geschäftsschädigend das ist. Aber wir sind echt verärgert, weil sich nichts getan hat“, sagen die Beiden.

Baustelle zieht sich seit 2020 durch Mülheims Innenstadt

Was den Schallplattenhändlern zu schaffen macht, sind fortgeschrittene Arbeiten im Rahmen der riesigen Rumbach-Baustelle, die sich seit 2020 über den Dickswall durch die Mülheimer Innenstadt zieht. Begleitet wird das Großprojekt von wechselnden Straßensperrungen, Unmengen an Maschinen und Material sowie Beschwerden der Anlieger, die gerade besonders unter der Wanderbaustelle leiden. Momentan sind dies alle, die ihre Häuser oder Geschäfte auf der südlichen Seite des Dickswalls oder in der Althofstraße haben: Dort sind die rechten Fahrstreifen samt Parkplätzen gesperrt, der Asphalt ist teilweise aufgerissen. Lkw rangieren, auch der rote Bagger ist mittlerweile in Bewegung gekommen, er ackerte zeitweise vor Hähnchen Becker.

Instagram-Post des Plattenladens am Dickswall in Mülheim: Wochenlang stand dort ein Bagger weitgehend bewegungslos vor dem Schaufenster.
Instagram-Post des Plattenladens am Dickswall in Mülheim: Wochenlang stand dort ein Bagger weitgehend bewegungslos vor dem Schaufenster. © WAZ

„Ende September 2023 haben planmäßig die Versorgerarbeiten auf dem Dickswall begonnen“, teilt die Stadt Mülheim auf Anfrage mit. Die Medl verlegt zwischen Althofstraße und Tourainer Ring eine neue Fernwärmeleitung und eine Gasleitung, RWW eine neue Wasserleitung. „Die Althofstraße zwischen Kaiserstraße und Dickswall wird in diesem Zuge auch von einer Nahwärmeleitung erschlossen“, heißt es weiter. Erst wenn die Verlegung der neuen Leitungen entsprechend fortgeschritten sei, könne das Amt für Verkehrswesen und Tiefbau mit den Straßenbauarbeiten beginnen. Die Arbeiten könnten nicht parallel durchgeführt werden, weil man Platz benötige, um den Verkehr aufrechtzuerhalten.

Medl kündigte ursprünglich eine Bauzeit von ca. 5 Wochen an

Anwohner der Althofstraße haben Anfang Oktober 2023 ein Schreiben der Medl bekommen, Betreff: „Verlegung einer Fernwärmeleitung“. Am 23. Oktober sollten die Arbeiten beginnen - „die Bauzeit wird ca. 5 Wochen betragen“, teilte die Medl mit, und kündigte verschiedene Einschränkungen und Sperrungen an, mit denen Anlieger rechnen müssten. Gemeinsam mit der Baufirma setze man alles daran, „diese unvermeidlichen Störungen so gering wie möglich zu halten“, schreibt die Medl, „und die Bauzeit so kurz wie möglich zu gestalten“.

Auch Ralf Dangelus und Benedikt Pietruszka haben diesen Brief erhalten. Die beiden sind Hauseigentümer an der Althofstraße 42 und Betreiber des Möbel- und Deko-Geschäftes „Ideewerk“ im Erdgeschoss. Pietruszka führt außerdem das Café Kaufbar am Dickswall, gleich um die Ecke. Von einer fünfwöchigen Wanderbaustelle seien sie also ausgegangen, die kurzzeitig vor ihrem Wohn- und Geschäftshaus liegt, sagt Dangelus. „Aber das war gelogen.“ Mehrfach habe er bei der Medl persönlich nachgefragt, mehrfach mit dem zuständigen Mitarbeiter diskutiert.

Betreiber von Ideewerk und Kaufbar klagen über Umsatzeinbußen

Seit Anfang Oktober hätten sie nun die Baustelle vor dem Geschäft, das darunter sehr leide. „In diesem Weihnachtsgeschäft haben wir nachweislich den schlechtesten Umsatz seit Existenz des Ladens gemacht“, sagt Ralf Dangelus, „weil die Leute keine Lust haben, durch diese Baustelle zu laufen.“ Die Straße vor ihrem Haus ist extrem verengt und wird einspurig geführt, der Parkstreifen ist gesperrt. „Wir erleben auch dauernd Chaos mit Krankenwagen, die nicht durch die Althofstraße kommen, weil die Autos keine Rettungsgasse bilden können“, ergänzt Benedikt Pietruszka. „Keine schönen Zustände.“

Ralf Dangelus (r.) und Benedikt Pietruszka kurz nach der Eröffnung ihres Ladens „Ideewerk“ im Sommer 2021. Von den Bauarbeiten auf dem Dickswall und an der Althofstraße sind sie nicht nur als Geschäftsleute und Cafébetreiber, sondern auch als Anwohner betroffen.
Ralf Dangelus (r.) und Benedikt Pietruszka kurz nach der Eröffnung ihres Ladens „Ideewerk“ im Sommer 2021. Von den Bauarbeiten auf dem Dickswall und an der Althofstraße sind sie nicht nur als Geschäftsleute und Cafébetreiber, sondern auch als Anwohner betroffen. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Auch in der Kaufbar habe er Umsatzeinbußen erlitten: „Der Parkplatz am Café ist total überlastet, weil viele Parkplätze an der Straße weggefallen sind. Und es geht einfach nicht voran.“ Nach vier Wochen Stillstand sei seit dieser Woche endlich wieder ein Stück asphaltiert worden, so Pietruszka. Kurzzeitig sei die Wasserversorgung ausgefallen: „Alles Sachen, die noch on top kommen. Und niemand, der mal was erklärt oder sich entschuldigt.“ Nur direkt vor Ort, bei den Mitarbeitern des Bauunternehmens, bekomme man stets eine Erklärung. Ralf Dangelus sagt: „Wir fragen uns: Wie lange soll diese Katastrophe noch dauern?“

Medl: Verlegung von Leitungen auf dem Dickswall dauert wohl bis April

Die Medl erklärt die Bauverzögerungen mit den Feiertagen und vor allem mit dem Winterwetter: „Aufgrund anhaltender Feuchtigkeit und Frostbedingungen konnte die ausführende Tief- und Rohrbaufirma die Arbeiten im Fernwärmebereich erst in der Kalenderwoche 04/2024 wieder aufnehmen“, heißt es auf Anfrage. Die Anwohner am Dickswall und an der Althofstraße seien mit separaten Schreiben informiert worden, die Arbeiten seien auch getrennt zu betrachten, heißt es weiter. „Die umfangreichen Bauarbeiten im Dickswall umfassen die Verlegung mehrerer Versorgungsleitungen und erstrecken sich über einen längeren Zeitraum bis voraussichtlich April 2024.“ Dagegen werde in der Althofstraße nur eine Fernwärmeleitung verlegt - „dies wurde unabhängig von der Großbaustelle im Dickswall geplant“, so die Medl weiter.

Die Arbeiten an der Althofstraße verzögern sich nach Medl-Angaben voraussichtlich um weitere vier bis sechs Wochen „aufgrund der unvorhergesehenen Umstände“. Danach würden „unverzüglich“ die Oberflächen wiederhergestellt. Über diese Verzögerung habe man die Anwohner nicht informiert, räumt die Medl ein. Begründung: weil es vor allem an den Witterungsbedingungen lag. „Bei besserem Wetter wären die Bauarbeiten fortgesetzt worden.“ Bislang seien in dieser Sache nur zwei Bürgerbeschwerden eingegangen, eine davon anonym über die Bürgeragentur.

Stadt räumt per Instagram ein: Bagger wurde „etwas unglücklich“ abgestellt

Auf dem Dickswall sollen voraussichtlich Anfang Mai die Straßenbauarbeiten beginnen, teilt das Tiefbauamt mit. Der Termin könne sich aber noch verschieben, „nicht zuletzt aufgrund der Unabwägbarkeiten beim Wetter“. Man stimme sich seit Monaten regelmäßig mit Medl und RWW ab. „Bislang läuft alles nach Plan“, trotz der zuletzt erforderlichen Unterbrechung, „auch wegen der guten Zusammenarbeit aller Beteiligten“.

Die „Plattenjunk‘s“-Betreiber haben am Mittwoch eine Nachricht der Stadt Mülheim bekommen. Das Onlineteam antwortet auf ihren Instagram-Post und erklärt: Der Bagger sei „etwas unglücklich“ abgestellt worden, als wegen Schnee und Kälte nicht gearbeitet wurde. „Wir haben den Hinweis umgehend nach eurem Post an die Firma weitergegeben, dass das nicht noch einmal passiert“, schreibt das Onlineteam und schickt viele Grüße.

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